2009-05-30 13:01:07

Betrachtung zum Sonntag: Die Kirche Afrikas steht vor der ganzen Welt


RealAudioMP3 Da wir uns im Vatikan auf die Afrika-Synode vorbereiten, haben wir für die Pfingstpredigt den aus Regensburg stammenden Bischof Fritz Lobinger in Afrika nachgefragt. Er ist seit einem Jahr im Ruhestand, vorher leitete er die Diözese Aliwal in Südafrika.

(rv 30.05.2009 mg)

Hören und lesen Sie hier die Pfingstpredigt von Bischof Fitz Lobinger

Liebe Zuhörer,
liebe Schwestern und Brüder,

Am Pfingsttag standen die Apostel plötzlich vor Leuten aus der ganzen damals bekannten Welt. Aus allen möglichen Ländern waren sie nach Jerusalem gekommen um im berühmten Tempel von Jerusalem zu beten und um die Weisheit der jüdischen Gesetzeslehrer näher kennen zu lernen. Jetzt aber hatte sie der plötzliche Sturmwind zu einem ganz anderen Ort zusammen gerufen. Nun standen sie vor einem ganz gewöhnlichen Wohnhaus, und sie staunten nicht über berühmte Gesetzeslehrer, sondern über diese kleine Gruppe von ungebildeten, begeisterten Fischern. Was soll dieser Sturmwind für uns bedeuten, fragten sie sich. Was hat diese begeisterte Gruppe uns zu sagen?

Mir kommt das irgendwie symbolisch vor für unsere heutige Situation. Heute steht die katholische Kirche auf ähnliche Weise vor der ganzen Welt. Für alle sichtbar. Was immer an uns zu sehen ist, das sehen heute alle, viel mehr als früher. Radio und Fernsehen berichten es sofort, und in allen Sprachen der Welt, wenn in der Kirche etwas geschehen ist. Sie erinnern sich bestimmt an die Wochen vor dem Tod von Papst Johannes Pauls II. Damals sahen alle Völker der Welt was in Rom geschah, und es wurde in allen Sprachen besprochen. Aber auch alles was weniger gut ist an der Kirche, alle Skandale in der Kirche, sind sofort auf der ganzen Welt bekannt. Wir stehen heute wirklich vor den Augen der ganzen Welt.

Das ist eine Neu-Auflage jener Situation des Pfingsttages von Jerusalem. Es ist eine neue Situation für uns, soviel sichtbar zu sein. Und es ist eine neue Situation für die Welt, uns so nahe vor ihren Augen zu sehen.

Für mich, der ich in Südafrika lebe, ist dabei besondern wichtig, dass in diesem Jahr die Kirche Afrikas im Vordergrund steht. Vor ein paar Wochen hat Papst Benedikt einen wichtigen Besuch in Afrika gemacht. Der Hauptzweck seines Besuches in Kamerun und in Angola war, das Vorbereitungsdokument bekannt zu machen für die zweite Bischofssynode für Afrika, die im Oktober dieses Jahres in Rom stattfinden wird.

Bei dieser Synode steht die Kirche Afrikas vor der ganzen Welt. Überall in der Welt weiß man, dass die Kirche Afrikas in einer sehr speziellen Situation steht. Während in den meisten Ländern der Welt die Zahlen der kirchlichen Statistik schrumpfen, sind sie in Afrika am Steigen. Die Zahl der Gottesdienstbesucher geht in Europa, Amerika und Australien zurück, aber in Afrika steigt sie. Die Zahl der Priesterberufe und der Ordensberufe ist in fast allen Ländern am Sinken, in Afrika jedoch im Steigen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich alle Augen auf Afrika richten und fragen: was bedeutet das?

Ist diese offensichtliche Lebendigkeit der Kirche Afrikas wirklich ein so bestaunenswertes Signal? Oder bedeutet es lediglich dass in Afrika die Entwicklung eben ein paar Jahrhunderte zurück liegt? Denn es ist kein Zweifel dass wirtschaftlich der afrikanische Kontinent der weitaus letzte ist. Wir hören auch jeden Tag, dass in der Entwicklung guter Regierungsformen Afrika an letzter Stelle steht. Es hat die meisten Buergerkriege. Afrika hat die meisten Flüchtlinge der Welt. Es hat auch bei weitem die meisten AIDS Kranken.

Afrika steht vor der Welt wie die ärmlichen, ungebildeten, aber begeisterten Fischer vom damaligen Pfingstfest. Wer das genauer betrachten will, der kann das alles in eben jenem Synoden-Vorbereitungsdokument nachlesen, das vor ein paar Wochen der Papst in Kamerun bekannt gemacht hat. Es zählt auf seinen sechzig Seiten ganz ehrlich und im Detail auf, was es guten Ansätzen in der Kirche Afrikas gibt. Es beschreibt genauso ehrlich auch die Schwächen.

Wenn man nach dem fragt was am meisten erfreulich ist in der Entwicklung der Kirche Afrikas, dann ist das nicht die wachsende Statistik. Darum wird es auch bei der kommenden Synode Afrikas nicht gehen. Nein, das Erfreulichste an der Kirche Afrikas ist das Zielbild, das die Kirche Afrikas sich vor Augen gestellt hat. Die Kirche Afrikas sagt, sie will wie eine Familie sein. Dieser Satz : « Die Kirche muss wie eine Familie sein ! » kommt Dutzende Male in jenem Synodendokument vor. Diese wunderbar einfache und tief bedeutsame Formulierung hatten die Bischöfe Afrikas schon fünfzehn Jahr vorher, bei der ersten Afrika-Synode, als Ziel vorgestellt. Nicht nur eine Welt-Familie soll die Kirche sein, nicht nur eine Diözesanfamilie, sondern dort wo wir wohnen sollen wir wie eine Familie sein. In unserer Vorstadt, in unserem Dorf, in unserem Elendsviertel, dort wo wir jeden Tag um das Überleben kämpfen, dort wo wir sinnloses und sinnvolles erleben, dort wo wir trotz allem den Glauben and die Liebe Gottes festhalten wollen, dort sollen wir wie eine Familie sein. Eine Familie, das bedeutet dass wir in unserer Gemeinde so viel als möglich gemeinsam tun wollen. Eine Familie, das bedeutet dass wir im Leben der Pfarrei soviel Gleichheit und Einheit schaffen wollen wie nur eben möglich. Eine Familie, das ist das Gegenteil einer marschierenden Kolonne, das Gegenteil eines Haufens, das Gegenteil einer anonymen Masse. In einer Familie fühlt man sich zuhause.

Die Kirche Afrikas steht, besonders in diesem Jahr, vor der ganzen Welt. Und als die Journalisten der Welt jenes Synodendokument lasen, da wiesen sie besonders auf jenes Zielbild hin, dass die Kirche eine Familie sein solle. Denn das ist nicht nur ein Zielbild in Afrika, es muss das Zielbild sein in allen Teilen der Welt.

Auch wo man schon lange nicht mehr in Dörfern lebt sondern in Wohnblocks, auch dort wo jeder seine separate Heimstätte hat, durch eine hohe Mauer abgeschirmt von Nachbarn, auch dort wo man nicht einmal die Namen seiner Nachbarn kennt, auch dort sind die Christen gerufen auf irgend eine Weise Familie zu sein. Im modernen Leben wo heute die ganze Lebensweise auf Anonymität aufgebaut ist, da ist dieser Familien-Aspekt des kirchlichen Lebens natürlich viel schwieriger zu erreichen. Man wird es nur zu einem geringeren Grad erreichen. Aber diese mühsam erreichte Familienhaftigkeit wird dann noch wertvoller sein als jene, die man fast ganz natürlich erreicht.

Afrika steht in diesem Jahr vor der ganzen Welt. Es gesteht auch offen ein, dass gerade in Afrika nicht nur viel erreicht wird an Gemeinschaftsgeist, sondern auch viel, viel gesündigt wird dagegen. Den Brudermord von Ruanda kennt jeder. Die Habgier und die Korruption der Regierenden Afrikas ist nur allzu bekannt. Aber nicht nur auf Landesebene wird dagegen gesündigt, auch in den Pfarreien wird nicht nur Gemeinschaftsgeist aufgebaut – es wird auch dagegen gesündigt. Es ist zwar leichter in Afrika, Gemeinschaftsgeist aufzubauen, es ist aber auch leichter, sich dagegen zu versündigen. Das schon erwähnte Synoden-Vorbereitungsdokument gesteht offen, dass in Afrika die Gleichberechtigung der Frau auf erschreckende Weise vernachlässigt wird.

Offen vor der ganzen Welt zu stehen, das fiel den Aposteln schon schwer, am Tag von Pfingsten. Es fällt auch uns Christen Afrikas schwer. Aber wir freuen uns trotzdem an diesem Pfingstfest. Wir freuen uns darüber, dass der Geist den Aposteln den Mut gegeben hat, sich den Blicken aller zu stellen. Hätten sie sich weiterhin in ihr Haus eingeschlossen, die Welt wäre ärmer geblieben. In ihrer Einfachheit haben sie die Welt beschenkt.

Wir feiern an Pfingsten die Ausgießung des Gottesgeistes. Zugleich bitten wir den Heiligen Geist: hilf der ganzen Kirche, vor der weiten Welt Zeugnis abzulegen. Hilf der Kirche, diesen Mut zu haben. Hilf den Gemeinden, in ihrem Umkreis dieses Zeugnis zu geben. Geist Gottes, hilf den Diözesen und Gemeinden Afrikas, bei der kommenden Synode ehrlich und mutig ihren Weg in die Zukunft zu planen. Großer, Guter Geist, hilf der Kirche Afrikas, der ganzen Welt ihr Verlangen weiter zu geben, überall wie eine Familie zu sein, eine Familie in der man sich zuhause fühlen kann und in der man Dich, den Geist Gottes, spüren kann.

(rv 30.05.2009)







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