2009-05-27 15:43:02

Italien/Vatikan: Der Fall Galileo, revidiert


RealAudioMP3 In Florenz hat an diesem Mittwoch ein internationaler Kongress über den „Fall Galileo Galilei“ begonnen. Ausgerichtet hauptsächlich von kirchlichen, teils auch vatikanischen Einrichtungen, beschäftigt sich das Treffen mit einer Revision des Falles aus historischer, philosophischer und theologischer Sicht. Galilei entdeckte, dass die Erde um die Sonne kreist – nicht umgekehrt. Das brachte ihn in Konflikt mit der Kirche, mehrmals musste er sich vor der Inquisition verantworten. Bis heute gilt der Astronom aus Florenz deshalb als Symbol der Unverträglichkeit zwischen Kirche und Wissenschaft. Der US-amerikanische Astronom und Jesuitenpater George Coyne, der an der Päpstlichen Sternwarte in Arizona wirkt, hält dagegen:

„Der Kongress will erneut herausarbeiten, wie bedeutsam Galileo für die Forschung war und ist. Galilei war ein echter Pionier der modernen Naturwissenschaften. Was er für mich als Astronom bedeutet, ist klar. Er war der erste, der ein Teleskop benutzt, um den Himmel zu studieren und dabei von einer tiefen Neugier beseelt war. Galileo lieferte zum ersten Mal nach 2000 Jahren neue Daten in der Astronomie. Vereinfacht ausgedrückt, hörte er dem Universum zu, das über sein Teleskop zu ihm sprach, anstatt dem Universum zu erzählen, wie es sein sollte – wie es Aristoteles getan hatte. Dieser Respekt Galileos für das Universum ist sein bedeutsamer Beitrag zur Geburt der modernen Naturwissenschaft. Erst hinsehen – dann verstehen.“

Vor genau 400 Jahren - 1609 - baute Galileo das gerade in den Niederlanden erfundene Fernrohr nach. Mit anfangs nur 3-facher, später 33-facher Vergrößerung beobachtet er die Himmelskörper und legt bereits ein Jahr später seine Entdeckungen im "Sternenboten" ("Sidereus Nuncius") dar. Die Abhandlung macht den Astronomen aus Florenz auf einen Schlag berühmt. Dabei hatte schon 100 Jahre vor Galileo der polnische Astronom Kopernikus entdeckt, dass sich alle Planeten, auch die Erde, um die Sonne drehen. Die Kirche duldet Kopernikus Entdeckungen stillschweigend. Erst als Galileo, von seinen Beobachtungen ausgehend, am Wahrheitsgehalt der Heiligen Schrift öffentlich zu zweifeln beginnt, schaltet sich die Inquisition ein. Galileo wird als Häretiker gebrandmarkt, muss seine Erkenntnisse öffentlich widerrufen. Erst 1992 rehabilitiert die Kirche den italienischen Astronomen; der polnische Papst Johannes Paul II. setzte den längst fälligen Schritt. Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, der den Kongress mit ausrichtet:

„Gerade der Fall Galilei muss uns als Theologen und uns als Kirche, zur rückhaltlosen Selbstkritik unserer eigenen Vergangenheit bringen. Das war es auch, was Johannes Paul II. wollte, als er im Heiligen Jahr 2000 Galilei in die Elemente der berühmten reinigenden Katharsis der Erinnerung aufnahm.“

„Wer die Wahrheit nicht kennt, ist nur ein Dummkopf. Wer sie aber kennt, und sie eine Lüge nennt ist ein Verbrecher.“ – dieses durchaus scharfzüngige Zitat wird Galileo Galilei zugeschrieben. Die Lehre, die Galileo der Kirche erteilte, gilt bis heute, hält P. Coyne fest.

„Das grundlegende Unrecht der Kirche jener Zeit war, ihm nicht zu erlauben, seine Forschung fortzusetzen. Und das gilt für alle Zeiten. Galileo war ein anerkannter Wissenschaftler, weltbekannt durch seine Schriften zur Teleskopbeobachtung und seine erste Interpretation davon. Wenn also ein anerkannter Forscher ein bedeutendes Feld der Wissenschaft verfolgt, dann sollte ihm erlaubt werden, das zu tun - vorausgesetzt natürlich, dass die Methoden ethisch akzeptabel sind, was bei Galileo ja der Fall war. Die Frustration von Galileo war eben die: Er war dabei, wichtige Entdeckungen zu machen. Das ist eine Lektion für alle Zeiten. Meine Meinung als Forscher, der für die Kirche arbeitet, ist, dass die Kirche diese Lektion gelernt hat.“


Der Kongress in Florenz dauert noch bis Freitag. Unter den 18 veranstaltenden Organisationen sind – neben dem Päpstlichen Kulturrat - die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, die Vatikanische Sternwarte, die Universitäten von Florenz, Padua und Pisa sowie die italienische Elitehochschule Scuola Normale Superiore di Pisa.
(rv 27.05.2009 gs)








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