D: Pfingstkollekte, „Viele Chancen beim Aufbau zu helfen“
In allen deutschen
Pfarrgemeinden findet am kommenden Pfingstsonntag die traditionelle „Renovabis“-Pfingstkollekte
statt. Wie jedes Jahr zu diesem Hochfest ruft das von der Bischofskonferenz getragene
Osteuropa-Hilfswerk zur Solidarität mit den Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten
auf. Mit der Förderung von Sozialprojekten in Osteuropa leiste Renovabis einen wichtigen
Beitrag zum europäischen Einigungsprozess, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch.
„Wir spüren, dass in östlichen Ländern einfach
die Entwicklung bei weitem noch nicht so ist, wie wir es uns wünschen. Es gibt viel
Not. Es gibt viel verborgene Not, die wir von der Kirche aus sehen. Und ich sehe,
wie viele Chancen wir haben beim Aufbau zu helfen, Hilfen zur Selbsthilfe zu geben,
nicht nur Zeichen zu setzen, sondern auch wirklich etwas zu tun, das Perspektiven
für die Zukunft eröffnet. Und deswegen ist es wichtig, dass wir noch wirklich die
nächsten Jahre ganz klar Renovabis weiter haben und den Leuten dieses Hoffnungszeichen,
diese konkrete Hilfe geben und auch selber wissen, Leute warten auf unsere Hilfe,
und die wollen wir nicht vorenthalten. Und wir gehören ja immer noch zum besseren
Teil in dieser Welt, die auch anderen helfen können.“
„Zur Freiheit befreit“
– Die diesjährige Renovabis-Pfingstaktion steht ganz im Zeichen des 20. Jubiläums
der Wende von 1989. Seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ haben Christen in den ehemaligen
Ostblockstaaten die Freiheit, ihren Glauben zu leben, betonte Zollitsch. Das sollte
Gläubige auch weiterhin anspornen, sich für ein freiheitliches Europa zu engagieren,
„in dem kein Mensch mehr unterdrückt wird, kein Mensch mehr Angst hat, in dem totalitäre
Systeme einfach undenkbar geworden sind“.
Christen und christliche Werte
waren Wegbereiter der unblutigen, so genannten „samtenen“ Revolution, erinnert zur
Pfingstaktion auch der polnische Erzbischof Alfons Nossol. Christsein bedeute „radikales
Dasein für die anderen“, so Nossol. Aus diesem Geist sei 1980 auch die polnische Gewerkschaft
„Solidarnosc“ entstanden. Ihr habe die Kirche von Beginn an den Rücken gestärkt, vor
allem in Person Papst Johannes Pauls II.
„Er war bemüht, uns einzutrichtern,
dass wir uns doch nicht politisch in die Strukturen der Solidaritätsbewegung einmischen
sollten. Aber eines sollten wir klar zum Ausdruck bringen: Die Werte, die von der
Solidarnosc hervorgehoben werden, sind zutiefst christliche Werte. Und das müssen
wir auch ihnen, den Mitgliedern der Solidarnosc plausibel zu machen versuchen.“
Die
Renovabis-Hilfsaktionen schaffen Solidarität über gesellschaftliche Grenzen hinweg.
Damit stehen sie in direkter Tradition zur Solidarnosc-Bewegung, sagt Nossol. Nach
dem Verbot der Gewerkschaft durch das kommunistische Regime in Polen im Jahr 1982,
wurde Solidarnosc im Untergrund und aus dem Exil unterstützt. Hilfe – auch für die
Kirchen – kam vor allem aus Deutschland, teils auf ungewöhnlichen Wegen, erinnert
sich Bischof Nossol:
„Und Erzbischof Oskar Saier hat mich konkret gefragt:
‚Was wollt ihr vor Weihnachten, etwas ganz Konkretes, was wirklich Not täte? ‘ Und
ich sagte: ‚Lieber Oskar, Wein!‘ Sagt er: ‚Was? In dieser Misere habt ihr Sehnsucht
nach Wein? ‘ ‚Messwein, wir haben keinen Messwein. Der ist uns zu Ende gegangen.
‘ Und tatsächlich, kurz vor Weihnachten kam ein großer LKW mit Anhänger nur mit Wein,
hatte Schwierigkeiten an der Grenze in Görlitz. Sagt er: Was, Sie fahren jetzt in
dieses Land – Wein? Sie müssen umkehren. Sie kommen nicht rein. Und der LKW-Fahrer
sagt: Es ist doch Messwein. Da – dieser Stasi-Mann fiel fast auf die Knie vor dem
Wagen mit dem Messwein. Aber das war etwas Großartiges! Denn wir handelten dann wirklich
auch im Sinn von Renovabis zutiefst kirchlich: Nämlich jede Gemeinde bekam eine Packung
Wein von sechs Flaschen.Da haben wir auch alle evangelischen Gemeinden und Orthodoxen
mit einbezogen. Und das war eine große Freude!"
Heute bräuchten die Kirchen
in den östlichen Ländern nicht nur materielle Hilfe, sondern auch mehr Erfahrungsaustausch
mit den Kirchen im Westen, meint auch Dominik Duka, Bischof des tschechischen Bistums
Königgrätz.
„Da brauchen wir Rat und Hilfe auf verschiedenen Ebenen, wie
zum Beispiel bei den Schulen, bei den neuen Programmen in der pluralistischen Gesellschaft.
Wir brauchen auch eine noch tiefere Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der neuen
Programme für die Katechese, für die neuen katechetischen Lehrbücher.“
Die
Renovabis-Pfingstaktion sei ein wichtiger Impuls in diese Richtung. Aus seiner Erfahrung
als Bischof in Tschechien könne er sagen, die Unterstützung durch die deutschen Katholiken
ist nicht nur Hilfe für die Kirche:
„Das war die Hilfe für die ganze
Nation, für die tschechische Kultur und auch für die menschliche Entwicklung. Denn
diese Hilfe ist nicht nur beschränkt auf die kirchlichen Sachen. Aber die Kirchenschulen,
Caritasinstitutionen und so weiter, haben allen Leuten geholfen. Denn diese Institutionen
sind nicht konfessionell, die Hospize oder Caritashäuser, Seniorenhäuser nehmen auch
katholische, evangelische und andere und nichtgläubige Leute als Klienten - wirklich
eine ... Volkshilfe, könnte man sagen.“
In Rumänien unterstützt Renovabis
die Sozialarbeit der katholischen Aktion, die das Hilfswerk maßgeblich mit aufgebaut
hat. „Renovabis hat uns nach 45 Jahren Kommunismus gezeigt, dass wir vieles bewegen
und Strukturen aufbauen können“, sagt die 37-jährige Psychotherapeutin Oana Taduce,
die in Rumänien für das Hilfswerk tätig ist. Aber auch deutsche Christen könnten in
der Zusammenarbeit mit rumänischen neuen Enthusiamus schöpfen:
„Eine Sache,
die wir vielleicht vermitteln könnten, wäre Mut. Mut auch Dinge zu tun, die vielleicht
jenseits unserer Möglichkeiten scheinen. Zum Beispiel gibt es in unserer Diözese keinen
Ort für unsere geistlichen Aktivitäten. Alle Besitztümer der römisch- und griechisch-katholischen
Kirche sind vor 1948 in den Besitz der orthodoxen Kirche übergegangen, und sehr wenige
wurden bis heute zurückgegeben. Unsere Organisation hat auch kein Büro, hat keinen
Sitz, an dem wir uns alle treffen können. All diese Dinge hätten uns entmutigen können.
Aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen und führen unsere Aktivitäten fort. Also
ich kann den jungen Christen in Deutschland sagen, dass man im Prinzip alles erreichen
kann, solange man hofft und so lange man sich dafür einsetzt.“
Ihren zentralen
Abschluss findet die Renovabis-Pfingstaktion mit einem feierlichen Gottesdienst am
Pfingstsonntag in der Magdeburger Propstei Sankt Sebastian statt.