Der Landbevölkerung
und den Bauern darf ihre Lebensgrundlage nicht entzogen werden. Mit dieser Forderung
kämpft der Bischof von Barra, Dom Luiz Flavio Cappio, im Osten Brasiliens gegen die
Pläne der Regierung, den Rio SãoFrancisco, den zweitgrößten Fluss Brasiliens,
umzuleiten. Das Wasser soll auf diese Weise der Großindustrie zufließen, fehlen aber
wird es den Menschen auf dem Land. Bischof Cappio hat jüngst auch in Deutschland auf
das Problem aufmerksam gemacht. Veronica Pohl berichtet.
Der Rio SãoFrancisco
ist Lebensader für Millionen Brasilianer und absolut unverzichtbar für die Landwirtschaft.
Nun soll er an den Kleinbauern vorbei umgeleitet werden, um die zahlreichen Fabriken
für die Zuckerrohrverarbeitung mit Wasser zu versorgen. Das beraubt die Menschen vor
Ort ihrer Lebensgrundlage, macht Bischof Cappio deutlich:
„Im Nordosten
Brasiliens gibt es ohnehin wenig Wasser. Deshalb sollten alle Investitionen in das
Wasser für die Menschen gedacht sein, damit sie und ihre Tiere hinreichend damit versorgt
sind - und nicht für die industrielle Nutzung des Wassers. Wenn das Wasser nur industriell
genutzt wird, ohne seine eigentliche essentielle Bedeutung zu sehen, ist das eine
ethische Sünde.“
Immer größere Zuckerrohrplantagen entstehen, um mehr Biotreibstoff
an das Ausland liefern zu können. Dagegen protestieren nun tausende Brasilianer aus
allen Schichten der Bevölkerung, berichtet Bischof Cappio: „Nichtregierungsorganisationen,
Indigene Völker, Kleinbauern, Akademiker, Studenten, religiöse Gruppen und die normale
Bevölkerung haben sich in vielen Protestbewegungen organisiert. Aber die Regierung
ignoriert diese Proteste komplett, es gibt keinen Dialog mit der Zivilbevölkerung.
Es kommt bei der Genehmigung des Projektes auch zu Unregelmäßigkeiten in der Justiz,
Wirtschaft und Politik. Unsere Forderung ist, dass die internationale Gemeinschaft
sich dieses Problems annimmt. Denn unsere Regierung geht nicht ein auf die zahlreichen
Proteste aus der ganzen Bevölkerung. Deshalb sind wir jetzt auch in Deutschland, um
unser Problem bekannt zu machen Es sollte international Druck auf unsere Regierung
ausgeübt werden.“
Menschen in Lateinamerika zahlen mit Entbehrungen für
den hohen Lebensstandard Europas und des Westens im Allgemeinen - für Dom Luiz Cappio
wiederholt sich damit ein heikler Punkt in der Geschichte des lateinamerikanischen
Kontinents:
„Unser zentrales Anliegen in den Gesprächen hier ist, dass sich
nicht das alte Modell der Kolonialmächte wiederholt. Denn wir sind zu der Überzeugung
gelangt, dass die Länder im Norden auch heute noch damit fortfahren, die südlichen
Länder auszubeuten, wie das in der Geschichte bereits geschehen ist. Die nördlichen
Länder sollten die Quellen für ihre Energiegewinnung verändern, um Brasilien nicht
weiter auszubeuten. Unsere Probleme stammen deshalb ursprünglich aus den Ländern im
Norden. Denn wir liefern ihnen den Rohstoff für die Energiegewinnung. Das ist ein
Rückschritt in das alte Kolonialmodell, der wieder rückgängig gemacht werden muss.“
Bischof Cappio ist 2007 sogar in einen Hungerstreik getreten, um international
auf sein Anliegen aufmerksam zu machen. Nun setzt er seinen Weg auf politischer Ebene
fort. In diesem Mai hat der Kirchenmann für sein außerordentliches Engagement den
Weltbürgerpreis der Freiburger Kantstiftung erhalten.