Im Streit über die Vergabe des Hessischen Kulturpreises hat der Mainzer Kardinal Karl
Lehmann sein Vorgehen verteidigt. In einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ am Mittwoch wies Lehmann Behauptungen zurück, er habe den Ausschluss des
Preisträgers Navid Kermani gefordert. Wörtlich schreibt der Mainzer Kardinal: „Mit
keinem Wort habe ich den Ausschluss von Navid Kermani vom Preis auch nur insinuiert,
geschweige denn erwartet oder gar angemahnt.“ Allerdings habe er gegenüber Ministerpräsident
Roland Koch (CDU) deutlich gemacht, dass er angesichts der Positionen Kermanis den
Preis ohne weitere Klärungen nicht annehmen könne. Kermani habe bei seinen Äußerungen
über das Kreuz Sensibilität und Respekt vor dem christlichen Glauben vermissen lassen.
Weiter erklärte Lehmann: „Ich musste mir vorstellen, welche Bildunterschriften
zu lesen wären, wenn ich in dieser Situation und möglicherweise noch im Bischofsgewand
neben Navid Kermani den Preis entgegengenommen hätte.“ Er habe sich die Kommentare
derer ausgemalt, die ihn deswegen verhöhnt hätten, heute aber über ihn herfielen,
weil er sich dieses Szenario ersparen wollte.“ Auch habe er sich seinen Mitchristen
gegenüber korrekt verhalten wollen, so Lehmann. Weiter stellte Lehmann klar, dass
er um eine konstruktive Lösung des Dilemmas bemüht war. Spielraum dafür hätte es auch
nach seinem Brief an Koch noch gegeben, so der Kardinal. Er habe gedacht, Kermani
hätte seine Äußerungen erläutern können. „Aber ihn darum zu bitten, konnte nicht meine
Aufgabe sein.“ Er habe nie in Frage gestellt, dass Kermani das Recht habe, seine Meinung
zu anderen Glaubensüberzeugungen zu äußern, schreibt Lehmann. Voraussetzung für ein
wirkliches Gespräch der Religionen untereinander sei jedoch der Respekt vor der „Andersheit
des Anderen“. „Die bescheideneren, aber klärenden Grenzen eines jeden religiösen Dialogs
müssen wir wohl noch gemeinsam besser entdecken.“ Dies könne auch mit dem Konflikt
um den hessischen Kulturpreis erreicht werden. Gemeinsam mit Lehmann hatte auch
der ehemalige Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Peter
Steinacker, abgelehnt, mit Kermani mit dem Hessischen Kulturpreis 2009 für Verdienste
um den interreligiösen Dialog ausgezeichnet zu werden. Beide werfen dem Schriftsteller
vor, in einem Zeitungsbeitrag das Kreuz als zentrales christliches Glaubenssymbol
fundamental und unversöhnlich angegriffen zu haben. Die für den 5. Juli vorgesehene
Verleihung des Hessischen Kulturpreises war am Montag wegen des Streits um die Vergabe
verschoben worden. Das Kuratorium hatte ursprünglich Lehmann, Steinacker, den Vizepräsidenten
des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, und Kermani als Preisträger ausgewählt. Nach
der Ablehnung Kermanis durch Lehmann und Steinacker entschied das Kuratorium, den
Preis nun doch nicht an den muslimischen Autor zu vergeben.