Im Streit um den Hessischen Kulturpreis kritisiert der katholische Theologe Elmar
Salmann die beiden christlichen Preisträger. Der Islamwissenschaftler Navid Kermani
habe sich dem Thema des Kreuzestodes Christi mit großer Sensibilität und großem menschlichen
Taktgefühl genähert, schreibt der Professor an der Päpstlichen Universität Sant'Anselmo
in Rom in einem Beitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dass Kardinal Karl Lehmann
und der frühere Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker,
dies nicht wahrnehmen könnten und es abgelehnt hatten, zusammen mit Kermani ausgezeichnet
zu werden, spreche „Bände über den Zustand der christlichen Religion in Westeuropa“;
ihr fehle es „offenbar an Glaubenskraft und Großmut zugleich“. Lehmann und Steinacker
hatten ihre Position mit verletzenden Angriffen Kermanis auf das Kreuz als zentrales
Symbol des christlichen Glaubens begründet. In dem von Lehmann und Steinacker beanstandeten
Text hatte Kermani geschrieben, für ihn sei Kreuzestheologie „Gotteslästerung und
Idolatrie“. Kermani selbst äußerte in einem Interview Unverständnis über die Aberkennung
und sprach von einem für ihn inakzeptablen Toleranzverständnis. Wenn er an der Kreuzigungstheologie
„die Verklärung des Martyriums“ kritisiere, bekomme er auch von Christen „viel Zuspruch“.
Toleranz könne aus seiner Sicht nicht bedeuten, nur das zu tolerieren, woran man selbst
glaubt. Der Zentralrat der Muslime nannte die Reaktionen der zwei Kirchenmänner „unreif
und kindisch“; der interreligiöse Dialog in Deutschland werde mit Füßen getreten. Der
jüdische Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik verteidigte Kermanis Haltung und
spricht von einem „integrationspolitischen GAU“. Der Schriftsteller habe artikuliert,
was vier Millionen Muslime in Deutschland ebenfalls empfinden dürften. Dass das Erschrecken
darüber so groß sei, beweise nur, dass man, was den interreligiösen Dialog betrifft,
bisher in einer Scheinwelt gelebt habe. Brumlik sieht die Verantwortung für die Affäre
beim Kuratorium, das die Preisträger benannt habe, und bei der hessischen Landesregierung.