2009-05-17 18:28:07

Im Porträt: Monika Hauser


RealAudioMP3 Dr. Monika Hauser ist Frauenärztin und Begründerin der internationalen Frauenrechtsorganisation „Medica mondiale“. Einer inzwischen etablierten, weltweiten sozialen Einrichtung. Sie kämpft gegen Gewalt in Krisengebieten, gegen sexuelle Gewalt - und für mehr Gleichberechtigung. Gleichberechtigung für Frauen. Die heute in Köln wirkende Gynäkologin erhielt im vergangenen Jahr den Alternativen Nobelpreis. Die gebürtige Schweizerin mit Südtiroler Wurzeln sieht die Ehrung vor allem als Auftrag, weiter zu machen - trotz aller Widerstände. Ihr Motto für die Zukunft lautet: „Ich möchte, dass die Welt für Frauen anders wird“. - Aldo Parmeggiani hat mit Monica Hauser über ihre Arbeit gesprochen:
Zunächst ein paar Worte zum Alternativen Nobelpreis: der Right Livelihood Award, im Deutschen Alternativer Nobelpreis genannt, wird an Persönlichkeiten, Organisationen und Repräsentanten sozialer Bewegungen vergeben. Der Preis wurde 1980 vom Philatelisten, Journalisten und zeitweiligen Mitglied des Europäischen Parlaments Jakob von Uexküll gestiftet und ist heute einer der meist angesehenen und dotierten Preise weltweit. Seine Ziele sind hochgesteckt: Hauptzweck ist es, Menschen in Not zu ehren und zu unterstützen, praktikable Lösungen zu den dringendsten Problemen unserer Zeit zu finden und umzusetzen. Die Preisträger werden ausgezeichnet für Verdienste in den Bereichen Umwelt, Frieden, Abrüstung, Menschenrechte, Entwicklung, Kultur und Spiritualität, indigene Völker, Verbraucherschutz, Bildung, Gesundheit, Energie und Ressourcen-Schonung. Hochgesteckte Ziele, die auch die Kirche – in einigen Fällen allerdings mit gegensätzlichen Standpunkten – verfolgt.
Frau Dr. Hauser, Sie erhielten den alternativen Nobelpreis wegen Ihres Einsatzes für unterdrückte Frauen, vergewaltigte Frauen in Kriegs- und Krisengebieten. Zuerst in Bosnien, dann in Kosovo, Albanien, in Afghanistan und in Kongo, Liberia, Indien und Indonesien. Ihre Hilfe gilt Menschen, sozialen Einrichtungen, karitativen Institutionen. Beginnen wir am besten bei den traumatisierten Frauen: Wie haben Sie zu diesem Thema gefunden, das Ihr bisherigen Leben so stark gekennzeichnet hat und voraussichtlich Ihr ganzes, weiteres Leben begleiten wird?
„Ja, für mich war das Thema ‚Gewalt gegen Frauen‛ eigentlich schon immer ein sehr präsentes Thema solange ich zurückdenken kann. Meine Großmutter zum Beispiel in meiner Vinschgauer Heimat hat mir von eigenen Gewalterfahrungen erzählt. Ich haben von meinen Tanten erfahren, dass sie von Dienstherren Übergriffe erleben muss†en. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich wahrgenommen, dass in meiner Umgebung Frauen dieser Gewalt unterliegen.“
Als Monika Hauser dann eine junge Ärztin wurde, ist ihr das noch klarer geworden: sie sah plötzlich, dass bei vielen ihrer Patientinnen, seien es deutsche oder italienische Patientinnen, aber auch Migranten und Flüchtlingsfrauen, die Gewalt, die sie erleben mussten, ihren persönlichen Alltag und ihre gesundheitliche Situation bestimmte. Daher war es für Monika Hauser logisch, Gynäkologin zu werden und sehr genau darauf zu achten, was diesen Frauen in Wirklichkeit geschah, sie darin zu unterstützen und gleichzeitig immer auch die Hierarchien, die Krankenhausleitungen, anzumahnen, dass dieses Thema nicht vergessen werden darf, sondern dass hier Frauen ganz strukturell unterstützt werden müssen. Im Zentrum der Arbeit von Monika Hauser stand von nun an die Hilfe für Frauen und Mädchen, all dies, was Frauen in Kriegen angetan wurde und weiter angetan wird. Heute kennt Monika Hauser die Grenzen der Menschenwürde, aber auch jene Grenzen, die die Menschwürde überschreiten. Denn auch die gibt es. Dinge über die selbst sie kaum sprechen kann. Tabus, über die man keine Worte mehr findet.
„Ich würde unterscheiden zwischen einem Tabu und einem sehr schmerzbesetzten Thema, was für Frauen, auf Grund dessen, dass sie sich mit anderen Frauen identifizieren, für sie kaum aushaltbar ist. Das letztere erlebe ich immer wieder, oder habe ich in meiner Laufbahn erlebt, dass gerade in Bosnien Frauen so schreckliche Geschichten erlebt haben, dass ich die Verantwortung übernommen habe - sozusagen stellvertretend für die Welt - mir diese Geschichten anzuhören. Aber es war oft ganz schwer zu ertragen, auch wenn ich heute Geschichten aus dem Kongo oder aus Liberia erzähle, wo Frauen ‚nicht nur‛ eine Vergewaltigung erleben, sondern auch wirklich die ganze Bestialität, zu der Männer fähig sind, erleben. Wo sie verstümmelt werden. Das ist dann manchmal schon so, dass ich denke, ich hätte schon alles gehört! Aber das ich das dann wieder revidieren muss. Das ist aber ein Schmerz, mit dem man auch nach 15 Jahren Menschenrechtsarbeit lernt, einigermaßen umzugehen. Ich nehme auch professionelle Supervision in Anspruch, um diese auch mich sehr belastenden Themen abladen zu können. Aber es bleibt immer ein Stück dieser Gewalt als Stachel zurück. Wir, die wir langfristig mit diesem Thema zu tun haben, müssen sehr gut auf uns aufpassen, dass dieser Stachel der Gewalt nicht auch in uns wirken kann, sondern dass wir das zurückweisen, und auf uns aufpassen.“
Das kann Monika Hauser vor allem auch deswegen gut tun, weil sie diese Arbeit auch als eine politische Verpflichtung versteht. Sie will – das sagt sie ganz bewusst - nicht ‚nur‛ Caritas tun, sie will nicht nur Frauen direkt unterstützen, sondern sie will an diesen Frauen verachtenden Verhältnissen etwas ändern.


„Ich will, dass diese Welt für Frauen insgesamt besser wird, weil sie für alle Menschen besser wird. Ich sehe in dieser politischen Arbeit auch eine Möglichkeit meinen eigenen Schmerz begegnen zu können.“
Wie vielen vom Krieg traumatisierten Frauen hat Monika Hauser als Therapeutin und Fachärztin für Gynäkologie medizinisch und psychologisch inzwischen helfen können? Eine schwierige Frage, meint die Frauenärztin, weil natürlich auch mitberechnet werden muss, was ihre Mitarbeiterinnen vor Ort leisten. Sie selbst ist mehr und mehr zur Managerin und Leiterin dieser Organisation geworden. Die eigentliche Arbeit mit den Patientinnen verrichten infolgedessen einheimische Fachfrauen, die sich jeden Tag diesem schweren Thema und den Folgen der Gewalt aussetzen. Monika Hauser denkt, dass über die Jahre vielen zehntausenden von Frauen geholfen werden konnte. Allein in Bosnien sind es über hunderttausend Frauen, die mit neuer Würde ins Leben zurückkehren konnten. Wo und wie aber findet man die Gelder zur Unterstützung von Hilfsprojekten - heute Fundraising genannt?


„Eine sehr wichtige Frage. Wir machen viel fleißiges Fundraising, das heißt wir finanzieren uns etwa halb aus Spendengeldern in erster Linie aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, aus Österreich und auch Südtirol. Die andere Hälfte kommt von Drittmitteln, das heißt EU-Gelder von deutschen Ministerien, von Stiftungen, Das ist sehr wichtig, diese Aufteilung, sodass wir politisch unabhängig bleiben können, agieren können und auf der anderen Seite mit den Spenden auch immer in die Öffentlichkeit gehen und Aufklärung machen können. Denn das ist ja auch unser Auftrag: immer wieder Aufklärung zu machen, dass die Bevölkerung wirklich eine Sensibilität dafür entwickelt, was Gewalt gegen Frauen bedeutet.“
Vor einigen Jahren hat Monika Hauser eine bedeutende Summe an Unterstützung von der Caritas ausgeschlagen, weil die katholische Kirche Abtreibungen – auch nach Vergewaltigungen – ablehnt.
Stimmt das?
„Ja, das stimmt. Mir schien das moralisch nicht integer, dieses Geld anzunehmen. Wir unterstützen in unseren Projekten Frauen auch in dieser Form. Stellen Sie sich vor: eine Frau, die schwanger geworden ist durch bestialische Gewalt von Männern und als Folge suizidal ist. Weil sie sich nicht nur nicht vorstellen kann, dass sie dieses Kind nicht bekommen will, weil es sie jeden Tag an die Gewalt erinnern wird, sondern auch, und das ist ein Hauptpunkt, ihre Umgebung sie mit dem Kind ablehnen wird. Ihre Familie sagt: du bist dreckig, dein Kind ist dreckig, weil du ein Kind des Feindes bekommen hast! Wenn die Frauen nicht so alleine gelassen würden, mit ihrer Not, mit dem Kind auch, dass sie kaum wissen, wei sie überleben können. Wenn Frauen also mehr Unterstützung hätten, könnten sie sicher auch häufiger für das Kind entscheiden, wenn sie eben in einer solidarischen Umgebung lebten. Die Realität sieht aber leider ganz anders aus, darum muss diese Form der Unterstützung auch zu unserem Arbeitsbereich gehören. Damals habe ich aber mit der Caritas einen Kompromiss gefunden, Schließlich konnte ein Projektzweig doch noch von der Caritas unterstützt werden.“
Monika Hauser kommt auf die Rolle der Kirche bei Hilfsprojekten zu sprechen. Das sprichwörtliche Engagement der Kirche in der weltweiten Hilfe für die Armen, für die Notleidenden und Kranken und allgemein Entrechteten ist bekannt. Die Ärztin sieht aber auch kritische Seiten. Sie würde sich wünschen, dass ihre Einrichtung von der katholischen Kirche ganz allgemein, eine massivere Unterstützung bekommen würde.
„Wir arbeiten ja nicht nur in islamisch geprägten Ländern, sondern durchaus auch in Ländern wo wir sehr viele Katholikinnen haben. Hier wäre es sehr, sehr wichtig, wenn von der katholischen Seite ganz deutliche Worte kämen. In Bosnien übrigens habe ich immer wieder von Imamen Unterstützung bekommen. Es ist sogar ein Schiedsspruch darüber gesprochen worden, dass diese vergewaltigten Frauen nichts dafür können, was ihnen geschehen ist. Dass die Täter Schuld sind. Und dass die Gesellschaft die Verantwortung hat, die Frauen wieder in ihre Mitte zurückzuholen. So etwas würde ich mir auch von der katholischen Seite wünschen. Das habe ich damals in Kroatien absolut vermisst. Aber auch in lateinamerikanischen oder afrikanischen Ländern, wo so viele Frauen noch Gewalt erleben, wäre hier ein absolut klares Wort angebracht, auf welcher Seite die Kirche steht, und das Frauen eben jede Form der Unterstützung bekommen, damit sie wieder ins Leben zurückkommen können.“
Zur Jahrtausendwende übernimmt Monika Hauser die politische Geschäftsführung der von ihr gegründeten Frauenrechtsorganisation „Medica mondiale“, für die sie acht Jahre später mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt wird. In der in Stockholm bekanntgegebenen Begründung heißt es: ‚Die Gründerin des Vereins „Medica mondiale“ wird ausgezeichnet für ihren unermüdlichen Einsatz für Frauen, die in Krisenregionen schrecklichste Gewalt erfahren haben, und für ihren Kampf, ihnen gesellschaftliche Anerkennung und Entschädigung zu verschaffen‘. Ein Wort zu dieser Ehrung?
„Ja, ich freue mich sehr über diese Ehrung. Es war sehr mutig von der Jury hier ein ganz politisches Signal zu Gunsten von vergewaltigten Frauen auszusprechen. Weil es nicht nur im Kongo und in Afghanistan ein Tabuthema ist, sondern durchaus auch in unseren westliche Industriestaaten immer noch schwierig ist, über dieses Thema zu sprechen. Daher bin ich sehr froh, über diese Solidarität und Loyalität der Jury und der Preis hat uns hohe Aufmerksamkeit beschert mit der wir weitere Aufklärung machen können.“
Wie bezeichnen Sie sich selbst Frau Dr.Hauser?
„Ich bezeichne mich in erster Linie als engagierte Frauenrechtskämpferinnen, die nicht nachlässt, die hartnäckig ist, aber die auch mittlerweile über die Jahre sehr viele weitere Mitarbeiterinnen gefunden hat. Und ich freue mich über alle, die diese schwere Arbeit mit begleiten und unterstützen.“
Wen würden Sie für den nächsten alternativen Nobelpreis vorschlagen?
„Das ist eine gute Frage, meint Monika Hauser abschließend und weist auf eine ganz mutige Frau aus China hin, namens Rebiya Kadeer, eine der berühmtesten Dissidentinnen Chinas, die sich seit Jahrzehnten bedingungslos trotz eigener Opfer für das Volk der Uiguren einsetzt und dafür auch im Gefängis war.“
Und zum Schluss: herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 50. Geburtstag Frau Hauser!
„Ich danke Ihnen.“
(rv 17.05.2009 ap)








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