2009-05-16 16:53:44

Kardinal Kasper: "Ein neuer Aspekt, ein neuer Ton, eine neue Tiefe"


RealAudioMP3 Kardinal Walter Kasper freut sich über den Erfolg der Pilgerreise Papst Benedikts ins Heilige Land. Gerade die Worte, die das Kirchenoberhaupt in Yad Vashem gefunden habe, sei "eine große Rede" gewesen, weil sie "einen neuen Aspekt, einen neuen Ton, eine neue Tiefe im Dialog" brachte, so der Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, in dessen Zuständigkeit auch der Dialog mit dem Judentum fällt. Gudrun Sailer sprach mit Kardinal Kasper.

„Was das Ökumenische angeht, hat man die Früchte unserer Arbeit der letzten Jahrzehnte gesehen, denn, diese positiven Begegnungen mit den Vertretern vor allem der orthodoxen Kirchen und der Armenier wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht vorher sehr viel getan worden wäre. Man hat ja gesehen, da ist etwas gewachsen, das ist nicht nur auf Papier von Dokumenten, sondern das sind Begegnungen – und Begegnungen sind da Entscheidende beim ökumenischen Dialog. So gehe ich mit neuer Hoffnung in die Gespräche mit den östlichen Kirchen.“


Einige jüdische Exponenten und Vereinigungen haben die Rede Papst Benedikts in Yad Vashem bemängelt. Was sind Ihre Überlegungen zu den Worten Papst Benedikts in der der Holocaust-Gedenkstätte?

„Ich halte das trotz der Kritik für eine große Rede. Und zwar groß vor allem deshalb, weil sich der Heilige Vater nicht an den Schlagworten und Reizworten orientiert hat, zu denen er sich ja schon oft geäußert hat. Wenn man immer wiederholt, dass wir klar gegen jede Form von Antisemitismus sind, dass man den Holocaust nicht leugnen darf, dann banalisiert das die Aussage, entwertet sie. Der Papst hat das übrigens ganz klar gesagt schon bei der Ankunftsrede am Flughafen, und wiederholt beim Abflug. In Yad Vashem hat er etwas anderes getan, etwas viel Wichtigeres, Grundlegenderes und Tieferes: Er hat an den Namen Yad Vashem angeknüpft, dass man den Namen nicht vergessen darf und in Erinnerung halten muss. Wir kennen ja viele Namen (der Holocaust-Opfer) nicht mehr, und es war immer das erste in den Konzentrationslagern, dass man den Leuten den Namen genommen und eine Nummer gegeben hat. Da zu sagen: Sie sind keine Nummern, der Name ist bleibend eingeschrieben in der Hand Gottes, im Gedächtnis Gottes – was kann man Größeres sagen als auf die bleibende Würde diese Opfer aus christlicher, auch aus jüdischer Sicht zu verweisen. Deshalb war es eine große Rede, weil sie endlich nach den vielen Reden, die man sonst gehalten hat, einen neuen Aspekt, einen neuen Ton, eine neue Tiefe dem Dialog gegeben hat. Die anderen Reden hätte ich selber in zehn Minuten herunterschreiben können, weil ich die seit zehn Jahren kenne.“

Es heißt manchmal, die jüdische Kultur sei eines Erinnerungskultur, die katholische dagegen eine Kultur des Vergebens. War es vor diesem Hintergrund in gewisser Weise vorherzusehen, dass es von jüdischer Seite Kritik an den Aussagen oder Gesten des Papstes geben würde? 
„Als ich die Rede gehört hatte – ich kannte sie vorher nicht – war mir klar, dass bestimmte negative Reaktionen kommen. Das muss man in Kauf nehmen. Der Papst hat einen Schritt nach vorn getan und hat ja gerade an der jüdischen Erinnerungskultur angeknüpft, als er sagte: Diese Opfer sind nicht vergessen, und wir dürfen sie nicht vergessen. Was kann man Tieferes sagen, als er gesagt hat? Manche Einwände waren, höflich gesagt, töricht. Zu sagen, man darf nicht sagen, „they were killed“ (Sie wurden getötet), man müsse sagen „they were murdered“ (sie wurden ermordet). Das sind keine Argumente, sondern hat zum Ziel, herunterzusetzen, was der Papst sagte, ihm die moralische Autorität zu nehmen. Ähnliches gilt für den Einwand, er hätte als Deutscher reden müssen. Der Papst hat kein Mandat, für das deutsche Volk zu reden – das muss die deutsche Regierung tun, die hat es auch schon oft getan. Er kam ja auch nicht als deutscher Papst. Sicher, er ist Deutscher, hat auch nie ein Hehl daraus gemacht und hat auch in Köln und Auschwitz klar gesagt. Er kam als Repräsentant einer weltweiten universalen Kirche. Da waren völlig falsche und überzogene Erwartungen da, aber dieser Papst hat ja auch den Mut, gelegentlich etwas zu sagen, was nicht einfach so politisch korrekt ist.“

Die Kritik kam nicht von Ihren jüdischen Gesprächspartnern, mit denen Sie seit Jahren im Dialog stehen, richtig?

„Nein, die haben die Rede sogar verteidigt, weil sie wussten, die anderen Sachen hat er schon oft gesagt. Übrigens hat sie auch Präsident Peres verteidigt und gemeint, man müsse das zusammen sehen mit allen anderen aussagen. Er hat ausdrücklich gelobt die geistige Tiefe der Rede. Es gibt auch Leute, die wollen das nicht akzeptieren, es gibt teils auch Feindschaft gegenüber der Kirche, die dann auf den Papst besonders konzentriert wird. Diejenigen, die mit uns im Gespräch sind, haben das verteidigt, übrigens auch das Großrabbinat. Es ist völlig klar, dass der Papst die Causa Williamson meinte - aber den Namen nennt er natürlich nicht in Yad Vashem – aber es war völlig klar: Man kann und darf den Holocaust weder leugnen noch vermindern, weil das neues Unrecht an den Opfern ist. Es war eine geistliche Botschaft, an den Verstand und an das Herz appelliert. Das Herz muss man öffnen. Wenn das ein anderer nicht tut, kann es nur der Geist Gottes öffnen – da kann man als Mensch dann nichts machen.“

In welcher Weise wird die Begegnung Papst Benedikts mit den jüdischen Würdenträgern in Israel die Beziehungen zwischen Kirche und jüdischer Welt voranbringen? 
„Mit den Partnern, die wir bisher hatten, wird der Besuch den Dialog ganz sicher neu bestätigen und wird ihn auch neu beflügeln. Natürlich muss man jetzt auch diese negativen Stimmen, die es gegeben hat, in Betracht ziehen. Ich plane, das nächste Mal mit den Freunden und Partnern darüber zu sprechen, wie man die Ergebnisse des Dialogs bekannter machen und die Basis verbreitern kann. Da ist sicher noch viel Arbeit notwendig, das hat man gesehen. Auf der anderen Seite war ich sehr erstaunt, wie viele Gesprächsgruppen zwischen Juden und Christen es in Israel selber gibt. Das muss man noch mehr öffentlich machen in Israel, darüber müssen wir jetzt reden.“

Manche Beobachter waren überrascht, dass offensichtlich die geplante Seligsprechung von Papst Pius XII. überhaupt nicht zur Sprache kam...

„Nein, darüber ist nie gesprochen worden. Ich bin auch der Meinung, das ist eine innerkirchliche Frage und nicht eine Frage, die die Juden entscheiden können. Der Papst wird sicher darüber entscheiden müssen in nächster Zeit. In dieser Hinsicht ist es, glaube ich, eine Aufgabe, dass vor allem die jüngeren Ergebnisse der Forschung, und zwar von unabhängigen Historikern, in Israel noch mehr bekannt gemacht werden. das ist zum Teil gar nicht bekannt, die sind immer noch auf dem Standpunkt von Rolf Hochhuth, das ist von Historikern längst überholt, und die neuere Forschung ist immer mehr zugunsten von Papst Pius XII. und auch da ist noch einiges zu tun, um das breiter bekannt zu machen in Israel.“
(rv 16.05.2009 gs)







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