„Papst hat freundlich und nachdenklich deutliche Botschaft überbracht“
„Das war keine Reise
für die Medien, sondern für die Geschichte”. So urteilt Israels Präsident Shimon Peres
in einem Interview über die Heilig-Land-Reise des Papstes. Seiner Meinung ist auch
unser Korrespondent Stefan Kempis, der die Pilgerreise Benedikt XVI. vor Ort mitverfolgte.
Hören Sie seine Bilanz zum Ende der Reise:
Tatsächlich war es aus Mediensicht
heikel, dass der Vatikan diesmal das historische Reiseprogramm Johannes Pauls aus
dem Jahr 2000 für Benedikt weitgehend unverändert übernommen hatte. Der zurückhaltende
Benedikt, der vor den Linsen der Fotografen noch einmal die großen Momente des Charismatikers
Johannes Paul sozusagen „nachstellt“ – das konnte eigentlich nur zu einer blassen
Kopie werden. Überhaupt, so unkten viele nicht einmal zu Unrecht, war das jetzt sicher
nicht der richtige Moment für einen Papstbesuch. Benedikt XVI. hat, wie aus seiner
engsten Umgebung zu hören ist, während der Gaza-Offensive lange darüber nachgedacht,
ob er die Reise nicht doch besser verschieben sollte. Er ist dann doch gekommen: ein
Akt des Mutes und auch einer gewissen Unbekümmertheit. Welches Risiko er einging,
wurde schon am ersten Besuchstag in Israel deutlich, als ein unbelehrbarer Scheich
in Anwesenheit des Papstes eine Art Dschihad-Rede hielt und als Benedikts Meditation
in Yad Vashem von vielen jüdischen Vertretern kritisiert wurde. Die Yad-Vashem-Rede
machte gleich die Crux dieser Reise deutlich: Der turbulente, in Jahrtausende alte
Konflikte verbissene Orient erwartete sich vom Papst Emotion und große Gesten. Stattdessen
bekam er hier eine theologisch tiefgehende Reflexion, in der der Denkerpapst das Kernstück
der Yad-Vashem-Idee, nämlich die Erinnerung an den Namen jedes einzelnen Opfers, ja
überhaupt jedes Menschen, auch ins Innerste des Christentums und seiner Rede von Gott
übertrug. Das sieht nicht spektakulär aus vor einer Fernsehkamera, schreibt sich aber
ins Gewebe des christlichen Glaubens ein – und passt zum unaufgeregten, aber tiefschürfenden
Nachdenken Benedikts über unsere Gemeinsamkeiten mit dem Judentum, das sich erst auf
längere Sicht als Revolution herausstellen könnte. Keine Reise für die Medien,
sondern für die Geschichte: Dazu gehört, dass Benedikt – ohne den Direktvergleich
mit seinem Vorgänger zu scheuen – auch für sich an Felsendom und Klagemauer in Jerusalem
seine Freundschaft zu den anderen monotheistischen Religionen bekräftigt hat. Seine
Pilgerfahrt galt nicht nur den eigenen Heiligen Stätten, sondern auch denen der anderen
Religionen. Ob seine Reise tatsächlich die verbitterten Christen in der Region bestärkt
hat und das Christentum hier vor weiterer Auszehrung zu bewahren vermag, ist schwer
zu sagen. Aber wer will dem Papst vorwerfen, dass er es wenigstens versucht hat? Eine
Reise von Mauer zu Mauer – von der Klagemauer zur palästinensischen Sperrmauer. Hier
gab es die spektakulärsten Bilder dieser Visite. Benedikt hat sich in Sachen Politik
überraschend klar geäußert, ohne drum herum zu reden; das hatte eigentlich keiner
erwartet. Den ewigen Frieden für die Region hatte der Papst natürlich nicht im Gepäck
– aber er hat gezeigt, dass man sich mit der verfahrenen Lage nicht einfach abfinden
darf. In seinen Reden und Predigten hat Benedikt XVI. das Thema Frieden aus immer
wieder neuer Perspektive beleuchtet und entfaltet – auch diese reichen Texte werden
bleiben von dieser Reise. Übrigens hat sich der Papst auch so manchem Vereinnahmungsversuch
geschickt widersetzt. So besuchte er zwar ein palästinensisches Flüchtlingslager,
sprach dort aber nicht von einem „Recht auf Rückkehr“ der Flüchtlinge in ihre Heimat. Und
die Visite in Jordanien? Die große Rede in der Moschee von Amman? Fast schon wieder
vergessen. Nicht, weil sie unwichtig gewesen wäre, im Gegenteil, im Gespräch mit dem
Islam bedeutet die Jordanien-Etappe einen Meilenstein – aber die darauf folgende Etappe,
Israel und die Palästinensergebiete, zog wegen ihrer Problematik die meiste Aufmerksamkeit
auf sich. Benedikt XVI. hat sich wacker geschlagen auf dieser schwersten Reise
seines bisherigen Pontifikats. Er hat auf seine freundliche, nachdenkliche Art eine
denn doch sehr deutliche Botschaft überbracht. Seinen Mut und seine Hartnäckigkeit
kann man nur bewundern.