D: Zollitsch zieht bei Radio Vatikan positive Bilanz der Papstreise
Eine positive Bilanz
der Papstreise ins Heilige Land hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch, gezogen. „Ich bin beeindruckt von der klaren Sprache
des Heiligen Vaters“, sagte der Freiburger Erzbischof am Freitag im Gespräch mit Radio
Vatikan. Der Papst habe während seiner insgesamt achttägigen Nahost-Reise „klare Zeichen
gesetzt, dass die Religionen gemeinsam dem Frieden und der Verständigung dienen sollen“,
so Zollitsch weiter. Wörtlich: „Diese Botschaft haben viele verstanden, weil es eine
Botschaft ist, nach der sich auch viele sehnen.“
Hier das ganze Interview mit
Erzbischof Zollitsch; es führte Birgit Pottler:
RV: Die Heilig-Land-Reise
Benedikts XVI. ist Geschichte; und sie wird auch als die Visite eines deutschen Papstes
in die Analen eingehen. Welche Bilanz ziehen Sie, Herr Erzbischof, gerade auch als
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz? Zollitsch: Ich
bin beeindruckt von der klaren Sprache des Heiligen Vaters. Er hat bereits beim Empfang
auf dem Flughafen in Tel Aviv klare Worte gesprochen, die zwei Staaten vertreten,
das Lebensrecht Israels und dass Israel in geregelten klaren Grenzen leben darf, aber
dass auch die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat haben. Er hat dort
auch klar Stellung genommen zum Holocaust, dass über sechs Millionen Juden umgekommen
sind, hat auch von der „Fratze des Bösen“ gesprochen. Er hat - das wurde manchmal
bemängelt - im Englischen das Wort „killed“ gebraucht, was im Deutschen „töten“ entspricht;
aber im Deutschen ist das Verb „morden“ im Grunde nicht mehr gebräuchlich, wohl sprechen
wir von Mord. Das konnte ich in Gesprächen vor Ort zum Teil auch klar stellen. Insofern
war die Botschaft für mich überzeugend. Wichtig war dann natürlich auch, was er
zum Dialog sagte, zum Dialog zwischen Juden und Palästinensern, zum Dialog zwischen
den Religionen, zwischen Islam, Christen und Juden. Er hat klare Zeichen gesetzt,
dass die Religionen gemeinsam dem Frieden und der Verständigung dienen sollen, und
diese Botschaft haben viele verstanden, weil es eine Botschaft ist, nach der sich
auch viele sehnen.
RV: Ihre erste Bilanz fällt also positv aus? Zollitsch: Ja
sie fällt positiv aus. Ich habe zunächst natürlich auch innerlich gefiebert, wie Papst
Benedikt in der schwierigen Situation sich zu Wort melden kann und wie das aufgenommen
wird. Aber ich habe bei Menschen, die durchaus nachdenklich sind, im Heiligen Land
oder auch in Palästina und Jordanien gespürt, das sie gemerkt haben: Dieser Papst
hat eine Botschaft, er spricht eine klare Sprache, er versucht Brücken zu bauen und
versucht damit auch Perspektiven in die Zukunft zu zeigen.
RV: Die Ansprache
in Yad Vashem wurde vom Zentralrat der Juden als „halbherzig“ kritisiert, dieser wartete
auf eine erneute Distanzierung von Holocaust-Leugner Williamson. Israels Staatspräsident
hat darauf hingewiesen, die Worte am Flughafen und in der Gedenkstätte müssten zusammen
gelesen werden. Wie beurteilen Sie die Worte Benedikts zur Shoah? Zollitsch: Ich
habe es auch so verstanden, dass das, was er am Flughafen sagte ein Teil der gesamten
Reden ist und dass das, was er schon am Flughafen sagte, in Yad Vashem nicht zu wiederholt
werden brauchte. Denn wenn er jedes Mal das Gleiche sagt, reagieren die Leute mit
der Frage: Hat er denn nichts anderes, nichts Neues zu sagen? Ich habe in Israel
erlebt, dass die Frage Williamson passee ist. Das ist nicht die Frage, die interessiert,
denn die Stellung des Papstes zum Holocaust ist ganz klar, da gibt es gar keine Missverständnisse
und das muss man nicht endlos oft in Erinnerung rufen. Ich habe selbst in Yad Vashem
Gespräche geführt, die Gedenkstätte besucht und dort auch darauf hingewiesen, was
es bedeutet, was der Papst im Bild des Namens aufgegriffen hat. Er sprach davon, dass
keiner der Namen der Opfer vergessen werden darf, dass keiner der Namen, die wir gar
nicht kennen, vergessen ist, weil alle in Gottes Hand eingeschrieben sind. Er hat
eine sehr meditative, inhaltlich sehr gehaltvolle Rede gehalten. Ich persönlich bin
ihm sehr dankbar für diese Rede, denn ich frage mich, wie oft man noch betonen muss,
dass wir uns entschuldigen. Denn was allzu oft gesagt worden ist, verliert innerlich
an Wert. Ich halte es für richtig, das bei entsprechenden Situationen auch zu sagen,
aber nicht ständig zu wiederholen. Ich bin überzeugt, der Papst hat es richtig
gemacht. Bei vielen Gesprächspartnern habe ich ausgesprochen gutes Verständnis dafür
gefunden. Vielleicht sind wir Deutschen da ein wenig übersensibel und meinen, er müsse
immer unbedingt das sagen, was wir gerade im Kopf haben…
RV: In Bethlehem
haben Sie den Papst bei seinem Besuch im Caritas Baby Hospital persönlich begrüßt.
Von diesem Ereignis gab es leider keine Fernsehbilder - aber nach allem, was unsere
Korrespondenten bisher berichtet haben, war gerade das ein sehr inniger Moment. Können
Sie die Kommentare auch seitens mancher Israelis, wonach es diesem Papst an Herzenswärme
fehle, widerlegen? Zollitsch: Es hat sich eindeutig gezeigt,
dass dort, wo der Papst persönlich in Kontakt kommt, wo er die Nähe des Menschen hat,
dass er dort seine ganze Herzlichkeit und Freundlichkeit zum Ausdruck bringen kann.
Das hat sich schon beim Gottesdienst am Morgen gezeigt, wo Christen ihm zujubelten.
Man hat gespürt, wie der Papst auflebte, und es war geradezu phantastisch, wie er
sich im Caritas Baby Hospital den einzelnen Kindern zuwandte, sie segnete, sich erkundigte,
warum dieses Kind hier sei, und wir hatten tatsächlich Mühe dafür zu sorgen, dass
das Programm weiterging, wir mussten ihn von den Kindern fast losreißen. Er hat sich
aber nicht nur der Kinder sondern auch der Mütter angenommen, hat sich mit den Pflegekräften
unterhalten. Das war eine phantastische Begegnung, wo man spürte, da lebt der Papst
auf, da wurde sein Herz warm und da konnte er das so deutlich zum Ausdruck bringen.
Das ist das Schöne an Papst Benedikt, man entdeckt umso mehr seine Nähe und seine
Wärme, je persönlicher man mit ihm in Kontakt kommt. Er ist nun nicht der, der das
nach Außen groß zur Schau stellt, aber er hat diese Wärme. Bethlehem war, möchte ich
sagen, vom Emotionalen her betrachtet, der Höhepunkt der Papstreise.
RV: Politisch
betrachtet hätte der Zeitpunkt dieser Reise delikater nicht sein können. Benedikt
XVI. hat sich dennoch vor klaren Worten nicht gescheut: gegen Terrorakte der Palästinenser,
gegen die Mauer der Israelis, für eine gerechte Zweistaatenlösung. Welchen Einfluss
haben diese Worte des Kirchenoberhaupts? Welchen Ertrag bringt diese Reise? Zollitsch: Die
Botschaft wurde zur Kenntnis genommen - besonders dankbar von den Palästinensern.
Ich hatte am Mittwochabend ein langes Gespräch mit Verantwortlichen, die klar sagten:
„Ja, der Papst tritt dafür ein, dass wir einen eigenen Staat haben, er tritt ein für
die Rechte des palästinensischen Volkes, er hat auch ein Flüchtlingslager besucht,
sieht auch unsere Not und kennt sie.“ Die Botschaft, die aufgenommen wird ist eine
Doppelte: Wir brauchen klare Staaten im Heiligen Land, Israel und Palästina. Wir brauchen
aber auch das Gespräch der verschiedenen Religionen miteinander, das ist sehr wichtig.
Sein Appell in Jordanien, aufeinander zuzugehen und miteinander zu sprechen ist auch
von vielen Muslimen verstanden worden. Und mir sagten auch einige israelische Gesprächspartner:
„Es gibt keine Alternative zum Dialog, darauf hat der Papst hingewiesen.“ Natürlich
wissen alle, er hat keine unmittelbar politische Macht, er ist eine moralische Autorität
und man hofft, dass das, was er sagte, auch in den USA gehört wird, denn den eigentlichen
Einfluss in diesem Raum haben nun einmal die USA.
RV: Und kirchlich? Konnten
die Christen genug Hoffnung schöpfen? Wie haben sie während Ihres Aufenthalts im Heiligen
Land die Menschen erlebt? Zollitsch: Für die Christen ist
es eine sehr schwierige Situation, das muss man eindeutig sehen und es wandern auch
immer mehr Christen ab. Aber ich habe es erlebt, mit einer Verantwortlichen im Baby
Hospital, die mir dort sagte: „Ich tue alles, um meine Kinder gut auszubilden, und
bis jetzt habe ich immer gesagt, ich will ihnen helfen, dass sie ins Ausland kommen.
Aber nachdem ich jetzt den Papst erlebt habe, habe ich mich entschlossen: Ich werde
alles tun, damit sie hier bleiben.“ Ich selbst habe auch erlebt, dass viele Palästinenser,
die eine gewisse Zeit im Ausland sind, wenn sie eine Chance sehen, wieder Arbeit zu
bekommen tatsächlich wieder in ihre Heimat zurückkommen. Darum ist es wichtig,
dass wir die Menschen dort ermutigen, nicht nur auszuhalten, sondern auch bewusst
sich einzubringen und bewusst die Zukunft dieses Landes mitzugestalten. Die Christen
sind notwendig im Heiligen Land, damit auch dort, wo Jesus Christus geboren wurde,
wo er gelebt hat, dieses christliche Zeugnis unmittelbar erlebt werden kann.