In Nazareth traf sich Papst Benedikt XVI. mit Religionsführern aus Galiläa. Wir dokumentieren
hier den Wortlaut seiner Ansprache in der offiziellen Übersetzung des Heiligen Stuhles.
Liebe Freunde!
Ich danke für die Worte der Begrüßung von Bischof Giacinto-Boulos
Marcuzzo und für den freundlichen Empfang. Herzlich grüße ich die Führer verschiedener
Gemeinschaften, die hier anwesend sind, unter ihnen Christen, Muslime, Juden, Drusen
und andere Gläubige. Ich schätze mich vor allem glücklich, diese Stadt besuchen
zu können, die von uns Christen als der Ort verehrt wird, wo der Engel der Jungfrau
Maria verkündigte, dass sie durch die Kraft des Heiligen Geistes einen Sohn empfangen
sollte. Hier sah auch Josef, ihr Verlobter, den Engel in einem Traum und wurde aufgefordert,
das Kind „Jesus“ zu nennen. Nach den wunderbaren Ereignissen im Zusammenhang mit seiner
Geburt wurde das Kind von Josef und Maria in diese Stadt gebracht; hier „wuchs es
heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit und seine Gnade ruhte auf ihm“
(Lk 2, 40). Die Überzeugung, dass die Welt ein Geschenk Gottes ist und dass
Gott in die Windungen und Wendungen der menschlichen Geschichte eingetreten ist, stellt
den Gesichtspunkt dar, von dem her die Christen die Schöpfung als etwas ansehen, was
Vernunft und Sinn hat. Weit davon entfernt, Ergebnis eines blinden Zufalls zu sein,
ist die Welt von Gott gewollt, und sie zeugt von seinem herrlichen Glanz. In der
Mitte aller religiösen Traditionen steht die Überzeugung, dass der Frieden selbst
ein Geschenk Gottes ist, auch wenn er nicht ohne menschliche Anstrengung erlangt werden
kann. Dauerhafter Frieden entspringt der Erkenntnis, dass die Welt letztlich nicht
uns selbst gehört, sondern vielmehr den Hintergrund bildet, vor dem wir eingeladen
sind, an Gottes Liebe teilzuhaben und unter seiner Führung bei der Lenkung der Welt
und der Geschichte mitzuarbeiten. Wir können nicht mit der Welt tun, was immer uns
gefällt; wir sind vielmehr aufgerufen, unsere Pläne den leisen, doch nichtsdestoweniger
wahrnehmbaren Gesetzen, die vom Schöpfer dem Universum eingeschrieben worden sind,
anzupassen und unsere Handlungen nach der göttlichen Güte zu gestalten, die den Bereich
der Schöpfung durchdringt. Das Land Galiläa, das für seine religiöse und ethnische
Vielfalt bekannt ist, beheimatet ein Volk, das sehr wohl die Anstrengungen kennt,
die erforderlich sind, um in harmonischer Koexistenz zu leben. Unsere verschiedenen
religiösen Traditionen haben ein mächtiges Potential, um eine Kultur des Friedens
zu fördern, besonders weil sie die tieferen spirituellen Werte unseres gemeinsamen
Menschseins lehren und predigen. Wenn wir die Herzen der jungen Menschen formen, formen
wir die Zukunft der Menschheit selbst. Christen verbinden sich bereitwillig mit Juden,
Muslimen, Drusen und Menschen anderer Religionen im Wunsch, Kinder vor Fanatismus
und Gewalt zu schützen, wenn sie sie zu Gestaltern einer besseren Welt erziehen. Meine
lieben Freunde, ich weiß, dass Sie zuvorkommend und mit einem Gruß des Friedens die
vielen Pilger empfangen, die nach Galiläa strömen. Ich ermutige Sie, weiterhin gegenseitig
Respekt zu üben, wenn Sie daran arbeiten, Spannungen bezüglich der Gebetsstätten abzubauen
und so eine friedvolle Umgebung für Gebet und Betrachtung hier und überall in Galiläa
zu gewährleisten. Auch wenn Sie verschiedenen religiösen Traditionen angehören, teilen
Sie das Verlangen, zu einer Verbesserung der Gesellschaft beizutragen und damit für
die religiösen und spirituellen Werte einzutreten, die mithelfen, das öffentliche
Leben aufrechtzuerhalten. Ich versichere Ihnen, dass die katholische Kirche sich verpflichtet
weiß, an diesem ehrbaren Unterfangen teilzunehmen. In Zusammenarbeit mit Menschen
guten Willens wird sie bemüht sein sicherzustellen, dass das Licht der Wahrheit, des
Friedens und der Güte weiterhin von Galiläa ausstrahlen wird und Menschen weltweit
dazu anleitet, all das anzustreben, was die Einheit der Menschheitsfamilie stärkt.
Gott segne Sie alle. (Offizielle Übersetzung des Heiligen Stuhles) (rv 14.05.2009
gs)