Wir dokumentieren die Abschiedsrede Papst Benedikts vor seiner Abreise aus dem Palästinensergebiet
in voller Länge :
Herr Präsident! Liebe Freunde!
Ich danke Ihnen
für die große Freundlichkeit, die Sie mir im Verlauf dieses Tages entgegengebracht
haben, den ich in Ihrer Begleitung hier in den Palästinensischen Gebieten verbringen
durfte. Ich bin dem Präsidenten, Herrn Mahmoud Abbas, dankbar für seine Gastfreundschaft
und seine liebenswürdigen Worte. Es war für mich sehr bewegend, auch die Zeugnisse
der Bewohner zu hören, die über die Lebensumstände hier in der West Bank und im Gazastreifen
zu uns gesprochen haben. Ich versichere Ihnen allen, daß ich Sie in meinem Herzen
mitnehme und ich sehnlichst wünsche, Friede und Versöhnung in diesen leidgeprüften
Gebieten zu erleben. Es war wirklich ein sehr denkwürdiger Tag. Seit ich heute
früh in Betlehem angekommen bin, hatte ich die Freude, mit einer großen Zahl von Gläubigen
an dem Ort die Messe zu feiern, wo Jesus Christus, das Licht der Völker und die Hoffnung
der Welt, geboren wurde. Ich habe gesehen, wie im Caritas Baby Hospital für
die Kinder von heute Sorge getragen wird. Schmerzlich wurde mir die Lage der Flüchtlinge
deutlich, die wie die heilige Familie aus ihrem Zuhause fliehen mußten. Und ich habe
die an das Flüchtlingslager angrenzende und Betlehem überschattende Mauer gesehen,
die in euere Gebiete eindringt, Nachbarn voneinander trennt und Familien auseinanderreißt. Auch
wenn es ein leichtes ist, Mauern zu errichten, wissen wir doch alle, daß sie nicht
auf ewig Bestand haben. Sie können niedergerissen werden. Zuerst ist es jedoch notwendig,
die Mauern zu entfernen, die wir um unsere Herzen errichten, wie auch die Barrieren,
die wir gegen unsere Nächsten aufstellen. Daher möchte ich in meinen Abschiedsworten
erneut zu einer offenen und großherzigen Geisteshaltung aufrufen, zu einem Ende der
Intoleranz und der Ausgrenzung. Wie heikel und tief verwurzelt ein Konflikt auch erscheinen
mag, es gibt immer Gründe zur Hoffnung, daß eine Lösung gefunden werden kann, daß
die geduldigen und ausdauernden Bemühungen derer, die für den Frieden und die Versöhnung
arbeiten, letztendlich Frucht bringen werden. Ich wünsche Ihnen, dem palästinensischen
Volk, aufrichtig, daß dies bald der Fall sein möge und daß Sie sich endlich des Friedens,
der Freiheit und der Stabilität erfreuen können, die Ihnen so lange vorenthalten waren. Seien
Sie gewiß, daß ich weiterhin jede Gelegenheit nutzen werde, um alle an den Friedensverhandlungen
Beteiligten dringend aufzufordern, auf eine gerechte Lösung hinzuarbeiten, die die
legitimen Ansprüche der Israelis und der Palästinenser gleichermaßen achtet. Als wichtigen
Schritt in diese Richtung blickt der Heilige Stuhl freudig der baldigen Einrichtung
der Ständigen Bilateralen Arbeitskommission mit der Palästinensischen Autonomiebehörde
entgegen, die in dem am 15. Februar 2000 unterzeichneten Grundsatzabkommen ins Auge
gefaßt wurde (vgl. Grundsatzabkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Palästinensischen
Befreiungsorganisation, Art. 9). Herr Präsident, liebe Freunde, ich danke
Ihnen noch einmal und empfehle Sie dem Schutz des Allmächtigen. Gott möge in Liebe
auf jeden von Ihnen herabschauen, auf Ihre Familien und alle, die Ihnen am Herzen
liegen. Und er möge das palästinensische Volk mit Frieden segnen.
(Offizielle
Übersetzung des Heiligen Stuhles) (rv 13.05.2009 vp)