2009-05-12 13:01:03

Papstrede im Abendmahlssaal


Papst Benedikt XVI. ist am Dienstagvormittag im so genannten Abendmahlssaal auf dem Zionsberg mit den Ordinarien des Heiligen Landes und den Franziskanern der Kustodie des Heiligen Landes zusammengetroffen. Dabei hat sich der Papst zu einer christlichen Ökumene der „Einheit in der Verschiedenheit“ bekannt. Es sei das Wirken des Heiligen Geistes, das die Herzen zu gegenseitiger Akzeptanz, Verständigung und Zusammenarbeit bewege. Weiter hob er die „vitale Beudeutung“ der Christen in der Region „für das Wohl der ganzen Gesellschaft“ hervor. Trotz Schwierigkeiten und Beschränkungen trügen Christen im Nahen Osten dazu bei, ein Klima des Friedens in kultureller Verschiedenheit zu schaffen, betonte der Papst.


Wir dokumentieren hier die Papstrede auf dem Zionsberg im Wortlaut in einer deutschen Arbeitsübersetzung von Gudrun Sailer.

Liebe Brüder im Bischofsamt, lieber Pater Kustos,
ich begrüße euch mit großer Freude, euch Ordinarien des Heiligen Landes, in diesem Abendmahlssaal. Hier hat Gott sein Herz - der Tradition zufolge - seinen erwählten Jüngern geöffnet, und man feierte das österliche Geheimnis, und hier beseelte der Heilige Geist zu Pfingsten die ersten Jünger, hinauszugehen und die Frohe Botschaft zu verkünden. Ich danke Pater Pizzaballa für seine warmen Worte der Begrüßung. Ihr stellt die katholischen Gemeinschaften des Heiligen Landes dar, die, in ihrem Glauben und ihrer Hingabe, wir brennende Kerzen sind, die die heiligen Orte der Christenheit erhellen. Diese Orte sind geehrt durch die Anwesenheit Jesu, unseres lebendigen Gottes. Dieses besondere Privileg gibt euch und eurem Volk einen besonderen Platz in meinem Herzen als Nachfolger Petri.

Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwiese er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Der Abendmahlsaal erinnert an das letzte Abendmahl unseres Herrn mit Petrus und den anderen Aposteln und lädt die Kirche zu betender Kontemplation ein.

In diesem Seelenzustand finden wir uns hier zusammen, der Nachfolger Petri und die Nachfolger der Apostel, an jenem selben Ort, an dem Jesus in der Hingabe seines Fleisches und Blutes die neuen Tiefen des Bundes der Liebe zwischen Gott und seinem Volk offenbarte. Im Abendmahlsaal kann das Geheimnis der Gnade und des Heils, dessen Empfänger, Verkünder und Anwälte wir sind, nur mit Worten der Liebe ausgedrückt werden. Weil er uns zuerst liebte und uns immer noch liebt, können wir mit Liebe antworten. Unser Leben als Christen ist nicht einfach eine menschliche Anstrengung, die Anforderungen des Evangeliums zu leben, die uns wie eine Pflicht auferlegt sind. In der Eucharistie sind wir hineingezogen in das Geheimnis der göttlichen Liebe. Unser Leben wird zur dankbaren, fügsamen und aktiven Hinnahme der Macht einer Liebe, die uns geschenkt wird. Diese verwandelnde Liebe, die Gnade und Wahrheit ist, bringt uns -  als Individuen und als Gemeinschaft -  dazu, die Versuchung zu überwinden, bloß für uns selbst da zu sein in der Trägheit, in der Isolierung, im Vorurteil oder in der Angst, und uns stattdessen großzügig dem Herrn und den anderen zu schenken. Diese Liebe bringt uns als christliche Gemeinden dazu, unserer Sendung mit Unbefangenheit und Mut treu zu sein. Im Guten Hirten, der sein Leben für seine Herde hingibt, im Meister, der seinen Jüngern die Füße wäscht, findet ihr, meine lieben Brüder, das Modell eures eigenen Amtes im Dienst unseres Gottes, der Liebe und Gemeinschaft fördert.
Die Einladung zur Kommunion des Geistes und des Herzens, die so eng verbunden ist mit dem Gebot der Liebe und der zentralen einigenden Rolle der Eucharistie in eurem Leben, ist von besonderer Relevanz im Heiligen Land. Die verschiedenen christlichen Kirchen, die sich hier befinden, bilden ein reiches und vielfältiges spirituelles Erbe und sind ein Zeichen der vielfältigen Formen der Interaktion zwischen dem Evangelium und den verschiedenen Kulturen. Sie erinnern uns auch an die Sendung der Kirche: die universelle Liebe Gottes zu verkünden und von nah und ferne alle jene zu versammeln, die von ihm gerufen sind, sodass sie mit ihren Traditionen und ihren Talenten die eine Familie Gottes bilden. Ein neuer spiritueller Impuls gegenüber der Einheit in der Verschiedenheit der Katholischen Kirche und ein neues ökumenisches Bewusstsein haben unsere Zeit gekennzeichnet, besonders seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der Geist führt unsere Herzen sanft zur Demut und zum Frieden, zur gegenseitigen Anerkennung, zu Verständnis und Kooperation. Diese innere Disposition zur Einheit unter der Leitung des Heiligen Geistes ist entscheidend, damit die Christen ihre Sendung auf der Welt erfüllen können.
In dem Maß, wie die Gabe der Liebe akzeptiert wird und in der Kirche wächst, wird die christliche Anwesenheit im Heiligen Land und in den nahen Regionen lebendig sein. Diese Anwesenheit ist von vitaler Bedeutung für das Wohl der Gesellschaft insgesamt. Die klaren Worte Jesu über die innere Verbindung zwischen der Liebe Gottes und der Liebe des Nächsten, über Barmherzigkeit und Mitleid, über Milde, Frieden und Vergebung sind ein Sauerteig, der dazu in der Lage ist, die Herzen zu verwandeln und die Handlungen zu prägen. Die Christen im Nahen Osten tragen gemeinsam mit anderen Menschen guten Willens, als loyale und verantwortungsvolle Bürger und trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkungen dazu bei, ein Klima des Friedens in der Verschiedenheit zu fördern und zu befestigen. Gerne wiederhole ich hier, was ich in meiner Weihnachtsbotschaft 2006 zu den Katholiken des Nahen Ostens sagte: „Voller Zuneigung bringe ich meine persönliche Nähe zum Ausdruck in dieser Lage der menschlichen Unsicherheit, des täglichen Leidens, der Angst und der Hoffnung, die ihr durchlebt.“ Ich wiederhole vor euren Gemeinden das Wort des Erlösers: „Fürchte dich nicht, kleine Herde, denn eurem Vater gefiel es, euch das Reich zu geben“.
Liebe Brüder im Bischofsamt, zählt auf meine Unterstützung und meine Ermutigung in allem, was in eurer Macht steht, um euren christlichen Brüdern und Schwestern zu helfen, dass sie bleiben und sich behaupten in der Erde ihrer Vorfahren und dass sie Botschafter und Förderer des Friedens sind. Ich schätze eure Bemühungen, ihnen als reifen und verantwortlichen Bürgern spirituelle Hilfe zu schenken, Werte und Prinzipien, die ihnen helfen, ihre Rolle in der Gesellschaft wahrzunehmen. Über die Bildung, die berufliche Vorbereitung und andere soziale und wirtschaftliche Initiativen können ihre Lebensumstände verbessert werden. Von meiner Seite aus erneuere ich meinen Aufruf an unsere Brüder und Schwestern der ganzen Welt, in ihren Gebeten der christlichen Gemeinden des Heiligen Landes und des Nahen Ostens zu gedenken und sie zu unterstützen. In diesem Kontext möchte ich meine Wertschätzung ausdrücken für den Dienst, der den vielen Pilgern und Besuchern des Heiligen Landes geboten wird, die auf der Suche nach Ermutigung und Erneuerung auf den Spuren Jesu wandeln. Die Geschichte des Evangeliums wird, wenn sie in ihrem historischen und geographischen Ambiente betrachtet wurde, lebendig und farbig, und man  gewinnt eine klarere Vorstellung dessen, was die Worte und Gesten des Herrn bedeuten. Viele denkwürdige Erfahrungen von Heilig-Land-Pilgern sind möglich geworden dank der Gastfreundschaft und der brüderlichen Führung, die ihr zuteil werden habt lassen, besonders von Seiten der Franziskaner der Kustodie. Für diesen Dienst möchte ich euch die Wertschätzung und die Dankbarkeit der Weltkirche versichern und ich wünsche mir, dass in Zukunft Pilger in noch größerer Zahl hierher zu Besuch kommen.
Liebe Brüder, richten wir gemeinsam unsere freudiges Gebet an Maria, die Himmelskönigin. In ihre Hände legen wir vertrauensvoll das Wohl und die spirituelle Erneuerung aller Christen im Heiligen Land, sodass sie unter der Führung ihrer Hirten wachsen können: im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, und dass sie ihrer Sendung treu bleiben als Förderer der Einheit und des Friedens.

(rv 12.05.2009 ad)







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