Israelische Zeitungen
machen heute auf Seite eins mit der Papstreise auf: Die Fotos zeigen in der Regel
Arbeiter bei den letzten Vorbereitungen für den Empfang Benedikts. „Papst kommt zu
historischem Besuch“, titelt „Ha`aretz“; die Unterzeile träumt von einem „Tourismus-Bonanza“.
Im Artikel wird betont, dass der Papst nicht in einem Hotel Jerusalems absteige, sondern
– Zitat – „im Haus des Vatikan-Botschafters in Jerusalem“. Das ist eine missverständliche
oder sogar falsche Formulierung; im Hintergrund steht die ungelöste Hauptstadt-Frage
für Jerusalem. Dass Benedikt XVI. auf dem jordanischen Berg Nebo das Band zwischen
Christen und Juden betont hat, werde, so der Artikel weiter, „von islamischen und
nicht-katholischen christlichen Führern als eine Kapitulation vor dem Zionismus kritisiert“.
Eine Reportage im Innenteil der „Ha`aretz“ schildert, dass im christlichen Viertel
der Heiligen Stadt keinerlei Aufregung herrsche. „Die Händler warten meist vergeblich
auf die erhofften Pilgermassen; sie sagen: Wir sind ja schon froh, wenn mal einer
eine Flasche Wasser kauft.“ Durch die Straßen streiften bislang vor allem Journalisten,
bemerkt das Blatt… um dann über einen palästinensischen Koch zu berichten, der schon
Arafat oder Blair bekocht hat und jetzt den Papst zum Kunden haben wird und zu erwähnen,
dass die Familie des entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit auf Einladung von
Präsident Peres kurz mit dem Heiligen Vater zusammentreffen wird. Ein Kommentar des
Blattes heißt Benedikt vor allem nach seinen freundlichen Worten über das Judentum
vom Berg Nebo willkommen, erwähnt allerdings auch die Störungen des Verhältnisses
in den letzten Monaten – Stichwort Williamson-Affäre. Ein Sonderteil bietet auf mehreren
Seiten Hintergrund-Aufsätze zu politischen Implikationen des Besuchs, zur Kirche im
Heiligen Land, zu den israelisch-vatikanischen Beziehungen. Etwas kritischer als
die „Ha`aretz“ wirkt auf den ersten Blick die „Jerusalem Post“: Sie spricht
zwar im Titel von einem „Besuch, der Epoche macht“, doch die Unterzeile konzentriert
sich schon auf „Meinungsverschiedenheiten über Pius XII.“, die „einen Schatten auf
den Trip werfen könnten“. Der Papst werde vor allem in Yad Vashem „mit Argusaugen
beobachtet werden“, meint der Artikel der „Post“, die ansonsten nur noch ein Interview
mit dem Neo-Katholiken und Nahost-Beauftragten Tony Blair aufbietet. Interessant
sind die Anzeigen in den zwei großen israelischen Zeitungen: Die eine kommt von der
„Anti-Diffamations-Liga“, die ganzseitig proklamiert: „Wir teilen die Ziele des Papstes,
aus der Welt einen besseren Ort für Menschen aller Religionen und Rassen zu machen“.
Die andere kommt von einer israelischen Friedensinitiative und hat den Titel „Mission
possible“: Sie fordert Papst Benedikt dazu auf, das „Recht Israels auf Frieden in
Sicherheit und mit klar festgelegten Grenzen“ zu erwähnen. Die „Israel National
News“, eine Internet-Zeitung, gibt Äußerungen des Oberrabbiners von Tel Aviv,
Meir Lau, wieder: Es gebe „keinen Grund, dem Papst zu schmeicheln, aber auch nicht,
ihn zurückzuweisen“. Natürlich komme da „ein ganz anderer Papst mit ganz anderem Hintergrund“
als weiland Johannes Paul; Benedikt habe in der Williamson-Affäre „große Fehler gemacht“,
aber auch mit der vatikanischen Teilnahme an der Durban II-Konferenz, bei der Irans
Präsident Ahmadinedschad zum Hass auf Israel aufgerufen habe. Und dennoch, so der
Holocaust-Überlebende Lau: „Der Papst wollte kommen, und also sollten wir ihn willkommen
heißen – schon deswegen, weil Millionen von Juden in der Diaspora in Regionen mit
katholischer Mehrheit leben, etwa in Lateinamerika, in Polen oder der Ukraine.“ Der
Oberrabbiner fährt fort: „Wir sollten unseren Feinden keine Munition geben, um uns
zu schaden; wir sollten das Leben auch nicht eines einzigen Juden gefährden.“ Ein
Artikel der Internet-Zeitung behauptet, dass die Palästinensische Autorität versuche,
den Papstbesuch für ihre Zwecke auszunutzen. Da gehe es vor allem um eine stärkere
Kontrolle über Ost-Jerusalem. Mahmut Abbas Leute hätten ein Presse-Briefing in einem
Ost-Jerusalemer Hotel anberaumt, das der israelische Sicherheitsminister daraufhin
prompt geschlossen habe. Und die arabischen, also palästinensischen Zeitungen?
„Al Hayat el-dschadida“ spricht von einer „unerwarteten Allianz zwischen Homosexuellen,
Holocaust-Überlebenden und der extremen Rechten in Israel gegen den Papstbesuch“,
und israelische Taxifahrer wollten durch Hupen gegen den Papstbesuch in Yad Vashem
protestieren; Präsident Peres hingegen habe beste Beziehungen zu Benedikt. „Al-Quds“,
eine Jerusalemer Zeitung, zitiert den deutschen Erzbischof Zollitsch mit dem Wunsch,
dass der Papstbesuch etwas zum Frieden in der Region beitrage. Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz wirkt in der Nachricht von „Al-Quds“ ausgesprochen optimistisch,
dass der Papst viel erreichen könne. Allerdings sei diese Visite, so schätzt das Blatt,
eine der schwierigsten, die dieser Papst bisher unternommen habe. Es berichtet ansonsten
ausführlich darüber, dass Benedikt in Jordanien zur religiösen Toleranz zwischen Christen
und Moslems aufgerufen habe. „Al-Ayam“ fokussiert auf den bevorstehenden
Papstbesuch in Betlehem: Benedikt werde gar nicht anders können, als dort die von
Palästinensern so genannte „Mauer der Schande“ wahrzunehmen. Diese Mauer zu sehen,
gehöre zu seinem Besuch dazu; er könne und dürfe nicht die Augen davor verschließen.
Der Artikel erwähnt, dass für Israelis die Mauer ein Schutzwall zur Sicherheit ist,
für Palästinenser hingegen ein Gefängnis; und er referiert die verzweifelte Lage der
Menschen im Aida-Flüchtlingscamp direkt an der Mauer. „Mission possible“? In den palästinensischen
Zeitungen taucht diese Formulierung nicht auf.