Ein deutscher Papst in Yad Vashem: Eindrücke vom Holocaust-Memorial
Stefan Kempis schickte
uns vor dem Eintreffen des Papstes dort einen Bericht über den Ort, der für das Selbstverständnis
des Staates Israel steht wie sonst nur noch die Klagemauer und die Ruinen von Massada.
Adolf
Hitlers schneidende Stimme, Judensterne aus Lemberg, Gasflaschen aus Auschwitz in
Vitrine – wir sind im Museum von Yad Vashem. Der riesige und moderne Komplex in den
Bergen am Stadtrand von Jerusalem ist das symbolische Grab der über sechs Millionen
von den Nazis getöteten Juden. Im Museum hängt, etwas versteckt, auch ein Foto von
Pius XII. nebst einer Erklärung, die ihm vorwirft, zur Judenvernichtung geschwiegen
zu haben. Vor allem aber ertönen hier alte Wochenschauen und bedrückende Zeugnisse
von Überlebenden. Eine Frau erzählt per Video, wie sie eine Massenhinrichtung wie
durch ein Wunder überlebt hat. 1953 wurde das Holocaust-Memorial durch einen Beschluss
der Knesset eingerichtet; zu ihm gehören mehrere Museen, Forschungsinstitute und Orte
der Erinnerung an die Ermordeten. Einer davon ist die Halle des Gedenkens – sie wird
von Staatsgästen aufgesucht, also auch vom Papst aus Deutschland. „Johannes Paul II.
war der erste überhaupt, der hier das Wort ergreifen durfte bei seinem historischen
Besuch im Jahr 2000“, sagt uns eine Mitarbeiterin der Yad Vashem-Direktion. „Wir haben
das Programm für Benedikt XVI. dann genau nach dem damaligen konzipiert, um im Level
nicht herunterzugehen.“ „Das ist die Halle des Gedenkens – der Papst kommt da vorne
rein; dann wird ein Lied gesungen mit dem Titel „Auf dem Weg nach Caesarea“. Eine
junge Dichterin in ihren Zwanzigern hat es geschrieben; sie versuchte, Juden zu helfen,
wurde aber von den Nazis festgenommen und als Verräterin hingerichtet.“ „Dann wird
er die Ewige Flamme höher stellen – sehen Sie sie? Da vorne. Sie ist in Bronze gefasst,
da vorne. Hier ruht die Asche einiger Juden, die in den Mörderlagern der Nazis ums
Leben gekommen sind; die Namen der Lager sind auf den Boden geschrieben.“ „Da
vorne wird er einen Gedenkkranz niederlegen; auf dem Mosaikboden sehen Sie die Namen
von zweiundzwanzig der schlimmsten Vernichtungslager. Dann wird ein Kantor ein Gebet
für die Ermordeten vortragen; der Papst wird eine Rede halten.“ „Innen werden
außer der Presse auch noch sechs Überlebende des Holocaust stehen und ein so genannter
Gerechter unter den Völkern; der Papst wird ihnen die Hand geben…“ Arbeiter legen
in der Halle des Gedenkens letzte Hand an, um den Raum – ein heiliger Ort des Judentums
– für den Papst herzurichten. Beim Gang über das idyllisch gelegene Gelände, bei dem
sich immer wieder weite Ausblicke in umliegende Täler eröffnen, wird deutlich, dass
hier nicht nur an die Opfer erinnert wird, sondern auch an alle, die damals versuchten,
Juden zu helfen – die so genannten Gerechten unter den Völkern, denen zu Ehren hier
Bäume gepflanzt werden. „Wir haben hier jedes Jahr etwa eine Million Besucher –
Touristen aus aller Welt, Menschen von überall her, das können Sie sich ja vorstellen.
Wir haben eine Website mit etwa acht Millionen Besuchern jedes Jahr; die Sprachen
sind englisch und hebräisch, seit neuestem auch spanisch, arabisch und persisch. Etwa
70 Prozent der Besucher sind Ausländer, 30 Prozent sind Israelis.“