Ich freue mich sehr, diesen
Grundstein der Universität von Madaba segnen zu können. Ich danke dem lateinischen
Patriarchen von Jerusalem, Seiner Seligkeit Fouad Twal, für seinen freundlichen Willkommensgruß.
Zugleich möchte ich ein besonderes Wort der Anerkennung an den emeritierten Patriarchen,
Seine Seligkeit Michel Sabbah, der gemeinsam mit Bischof Salim Sayegh die Initiative
und Tatkraft aufgebracht hat, denen diese neue Einrichtung so viel verdankt. Ich grüße
auch die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Bischöfe, Priester, Ordensleute
und Gläubigen sowie alle, die bei dieser bedeutsamen Zeremonie zugegen sind. Das
Königreich Jordanien hat der Aufgabe der Ausweitung und Verbesserung des Bildungswesens
mit Recht Vorrang gegeben. Es ist mir bekannt, daß Ihre Majestät Königin Rania bei
dieser edlen Mission besonders aktiv ist. Ihr Engagement wirkt sich auf viele inspirierend
aus. Während ich den Bemühungen der Menschen guten Willens um die Erziehung Tribut
zolle, stelle ich mit Genugtuung die kompetente und kulturell qualifizierte Teilnahme
christlicher, besonders der katholischen und orthodoxen Institutionen bei dieser globalen
Aufgabe fest. Dies ist der Hintergrund, der die katholische Kirche veranlaßt hat,
mit der Unterstützung der jordanischen Behörden ihre Kräfte in die Förderung von Hochschulausbildung
in diesem Land und anderswo zu stecken. Die Initiative geht auch auf die Wünsche vieler
Familien ein, die zufrieden über die Ausbildung, die sie in den von Ordensgemeinschaften
geführten Schulen empfangen haben, nun eine analoge Option im universitären Bereich
fordern. Ich bekunde den Förderern dieser neuen Institution meine Anerkennung für
ihr mutiges Vertrauen in gute Ausbildung als ein Sprungbrett für persönliche Entwicklung
wie auch für Frieden und Fortschritt in der Region. In diesem Zusammenhang wird die
Universität von Madaba sicherlich drei bedeutende Ziele im Auge behalten. In der Entwicklung
von Talenten und erstrebenswerten Einstellungen bei künftigen Generationen von Studenten
wird sie diese vorbereiten, der größeren Gemeinschaft zu dienen und ihre Lebensstandards
anzuheben. In der Weitergabe von Wissen und durch das Einfließenlassen einer Liebe
zur Wahrheit bei den Studenten wird sie deren Bindung an Werte und deren personale
Freiheit beträchtlich erhöhen. Schließlich wird diese geistige Ausbildung ihre kritischen
Fähigkeiten schärfen, Unkenntnis und Vorurteil zerstreuen und den Bann durchbrechen
helfen, der durch alte und neue Ideologien entstanden ist. Das Ergebnis dieses Prozesses
ist eine Universität, die nicht nur eine Plattform für die Festigung der Bindung an
Wahrheit und an die Werte einer gegebenen Kultur, sondern einen Ort des Verständnisses
und des Dialogs darstellen. Indem sie ihr eigenes Erbe in sich aufnehmen, werden junge
Jordanier und andere Studenten der Region zu einer tieferen Kenntnis der Errungenschaften
der Menschheit geführt, bereichert durch andere Standpunkte und in Verständnis, Toleranz
und Friede geformt. Diese „breitere“ Ausbildung besteht in dem, was man von den
universitären Einrichtungen und von ihrem kulturellen Milieu erwartet, sei es säkular
oder religiös. In der Tat unterdrückt der Glaube an Gott nicht die Suche nach der
Wahrheit; im Gegenteil, er ermutigt sie. Der heilige Paulus ermahnte die ersten Christen,
ihr Herz zu öffnen für alles, „was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert,
ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist“ (Phil 4, 8). Selbstverständlich
kann die Religion, wie Wissenschaft und Technologie, wie Philosophie und alle Ausdrucksweisen
unserer Suche nach der Wahrheit, verzerrt werden. Religion wird entstellt, wenn sie
in den Dienst der Ignoranz oder des Vorurteils, der Geringschätzung, der Gewalt oder
des Mißbrauchs gedrängt wird. Hier sehen wir nicht nur eine Entstellung der Religion,
sondern auch eine Korrumpierung der menschlichen Freiheit, eine Verengung und Blindheit
des Denkens. Natürlich ist ein solches Ergebnis nicht unvermeidbar. In der Tat, wenn
wir Erziehung fördern, bekunden wir unser Vertrauen in die Gabe der Freiheit. Das
menschliche Herz kann verhärtet werden durch sein begrenztes Umfeld, seine Interessen
und seine Leidenschaften. Aber jeder Mensch ist ebenso zu Weisheit und Rechtschaffenheit
aufgerufen, zur grundlegenden und überaus bedeutsamen Wahl des Guten vor dem Bösen,
der Wahrheit vor der Unaufrichtigkeit, und jeder kann bei dieser Aufgabe unterstützt
werden. Die Berufung zur moralischen Redlichkeit wird durch die ernsthaft religiöse
Person wahrgenommen, da man dem Gott der Wahrheit und der Liebe und der Schönheit
nicht anders dienen kann. Ein reifer Glaube an Gott trägt stark dazu bei, die Aneignung
und die rechte Anwendung des Wissens zu leiten. Wissenschaft und Technologie bieten
außerordentliche Vorteile für die Gesellschaft und haben die Lebensqualität vieler
Menschen entscheidend verbessert. Zweifellos ist dies eine der Hoffnungen jener, die
diese Universität fördern, die das Motto Sapientia et Scientia führt. Zugleich
hat die Wissenschaft ihre Grenzen. Sie kann nicht alle Fragen über den Menschen und
seine Existenz beantworten. In der Tat, die menschliche Person, ihr Platz und ihr
Sinn im Universum lassen sich nicht in den Grenzen der Wissenschaft erfassen. „Die
zu erstrebende Vollendung der Vernunftnatur der menschlichen Person ist die Weisheit,
die den Geist des Menschen sanft zur Suche und Liebe des Wahren und Guten hinzieht“
(Gaudium et spes, 15). Der Gebrauch wissenschaftlicher Kenntnisse benötigt
das Orientierungslicht der ethischen Weisheit. Diese Weisheit inspirierte den Eid
des Hippokrates oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die Genfer
Konvention und andere lobenswerte internationale Verhaltensregeln. Daher spielen religiöse
und ethische Weisheit, indem sie Fragen nach Sinn und Wert beantworten, eine zentrale
Rolle in der beruflichen Ausbildung. Und folglich leisten jene Universitäten, in denen
das Streben nach Wahrheit mit der Suche nach dem, was gut und edel ist, Hand in Hand
geht, einen unentbehrlichen Dienst für die Gesellschaft. Mit diesen Gedanken im
Herzen ermutige ich in besonderer Weise die christlichen Studenten Jordaniens und
der Nachbarregionen, sich verantwortungsvoll ihrer eigenen professionellen und moralischen
Ausbildung zu widmen. Ihr seid gerufen, Bauleute einer gerechten und friedlichen Gesellschaft
zu sein, die sich aus Menschen mit verschiedenem religiösen und ethnischen Hintergrund
zusammensetzt. Diese Gegebenheiten – ich möchte es nochmals betonen – dürfen nicht
zur Entzweiung, sie müssen zu gegenseitiger Bereicherung führen. Die Mission und die
Berufung der Universität von Madaba liegt gerade darin, ihnen zu helfen, noch mehr
an dieser hohen Aufgabe teilzuhaben. Liebe Freunde, ich möchte meine Gratulation
an das Lateinische Patriarchat von Jerusalem erneuern und nochmals allen meine Ermutigung
aussprechen, denen das Projekt am Herzen liegt, gemeinsam mit denen, die bereits im
Erziehungsapostolat in diesem Land engagiert sind. Der Herr segne und erhalte Sie!
Ich bete, daß Ihre Träume bald wahr werden, daß Sie Generationen von qualifizierten
Christen, Muslimen und Gläubigen anderer Religionen erleben können, die im Besitz
beruflicher Fertigkeiten, sachkundig in ihren Gebieten und gebildet in den Werten
von Weisheit, Redlichkeit, Toleranz und Friedfertigkeit ihren Platz in der Gesellschaft
einnehmen. Ihnen und allen zukünftigen Studenten und Angestellten dieser Universität
und ihren Familien erbitte ich den reichen Segen des Allmächtigen Gottes! (Offizielle
Übersetzung des Heiligen Stuhles) (rv 09.05.2009 gs)