Als Vatikan-Angestellter
hat man unerhörte Privilegien. Dazu gehört etwa ganz schlicht: Man darf in den Vatikan
HINEIN. Allerdings dürfen das auch ganz gewöhnliche Rom-Pilger – vorausgesetzt, sie
wissen, wie sie es anstellen. Radio Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer hat nun einen
Vatikan-Reiseführer vorgelegt, in dem sie praktische Tipps dieser Art mit Geschichte
und Alltag im Vatikan verbindet. „Vatikan – Der christliche Reiseführer“ heißt das
Buch – und das deutet schon an, dass es hier nicht um die Befriedigung banaler touristischer
Neugier geht. Antje Dechert hat sich mit Gudrun Sailer über ihr neues Buch unterhalten
und fragte die Autorin zunächst, an welches Publikum sich der Vatikan-Reiseführer
richtet:
Er richtet sich an Leute, denen ein klassischer Reiseführer für
den Vatikan zu wenig bietet. Manche Guides zählen ja auch einfach auf oder beschreiben
die Kunstschätze, ohne den christlichen Gehalt zu verdeutlichen. Als Pilger kann man
das dann so abhaken, merkt aber vielleicht: Es ist zu wenig. Ich möchte gerne verständlich
machen, warum denn im Vatikan manches so aussieht wie es aussieht – all der Prunk,
der letztlich um ein recht unscheinbares Grab entstand - das Grab eines Ausländers,
der hier vor 2000 Jahren zu Tode gefoltert wurde, und der der Stellvertreter Christi
auf Erden war. Auf diesen Felsen hat Christus seine Kirche gebaut, nicht nur mit dem
Papstamt, sondern auch ganz handfest im Petersdom. Der Vatikan hat dann in den 2000
Jahren seiner Geschichte ganz verschiedene Bauphasen erlebt. Was man da heute sieht
und warum das so ist, das zu verdeutlichen war mir ein Anliegen.
Petersdom,
Petersplatz und Vatikanische Museen sind Thema in jedem Rom-Reiseführer. Welchen Mehrwert
liefert das neue Buch da?
Natürlich steht mehr drin als in einem normalen
Romreiseführer. Aber trotzdem nicht ermüdend viel, wie ich hoffe. Ich versuche jeweils
von Dingen auszugehen, die man sieht oder wahrnimmt und dann interessante Geschichten
zu erzählen, sodass man sich das Ganze besser vorstellen und merken kann. Beispiel:
Der berühmte Baldachin im Petersdom. Ich sage nicht nur, er ist aus Bronze, von Bernini,
so und so und hoch und schwer, sondern auch: Er ist höher als jeder Palazzo in Rom,
er schwebt quasi beschützend über dem Petersgrab. Und ich demontierte einen jahrhundertealten
Mythos rund um den Baldachin. Es heißt ja immer, Papst Urban VIII., der diesen Baldachin
bei Bernini bestellte, habe dafür die Bronzeverkleidung des Pantheons in Rom geklaut
und eingeschmolzen und dann in diesen Baldachin gesteckt. Aber wir wissen heute dank
der neuesten Forschung, dass wir da über Jahrhunderte einer Flunkerei des Papstes
aufgesessen sind, und er selbst hat diesen Mythos verbreitet. In Wahrheit hat er aus
der Pantheonbronze ganz schnöde Kanonenkugeln gegossen, nur wäre das bei den Römern
gar nicht gut angekommen. Deshalb ließ er die Flunkerei verbreiten. Aber in Wahrheit
ist die Baldachinbronze gekauft, und weil der Baldachin so riesig ist, hat er riesig
viel gekostet, nämlich rund ein Zehntel des päpstlichen Jahreshaushaltes.
Ist
es nicht sehr schwierig, auf kompakten 40 Seiten über die Vatikanischen Museen zu
schreiben?
Das ist es in der Tat. In der Sixtinischen Kapelle habe ich
zum Beispiel naturgemäß von Michelangelo gesprochen: über seine Malweise, seinen schwierigen
Charakter, sein Genie beim Ausmalen dieser Decke, was ja perspektivisch und auch körperlich
unheimlich schwierig ist. Deckenfresken galten damals als die extremste und anspruchsvollste
Kunstform überhaupt. Andere Reiseführer zählen einfach auf, was zu sehen ist. Dabei
bleibt oft wenig hängen – Effekt: man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich
versuche über die Inhaltsangabe hinauszugehen und ein Aha-Erlebnis zu verschaffen.
Die Sixtinische Kapelle schauen sich die meisten Rom-Besucher an –
in die Vatikanischen Gärten kommen schon deutlich weniger. Im Vatikan-Führer nehmen
diese Gärten ein ganzes Kapitel ein – warum lohnt sich ein Besuch?
Das
sind die schönsten Gärten Roms, ganz einfach! Man kommt ja das als Vatikanangestellter
ohne weiteres hinein, und ich erkläre auch in dem Buch, wie man es anstellt, als normaler
Tourist oder Pilger hineinzuschaffen. Es ist ein wunderschöner Garten auf diesem Hügel,
man steigt bergan, und es sind, das fand ich sehr interessant zu sehen, mehrere Gärten
auf einmal. Ein französischer Garten, ein italienischer Garten, ein Rosen- und ein
Kakteengarten, ein Laubwäldchen mit malerisch verstreuten Sitzbänkchen aus antiken
Fundstücken. Man kann im Vorbeigehen einen Blick ins vatikanische Kaufhaus werfen
mit seinen Guccitaschen und edlen Füllhaltern und anderem mehr. Dann geht man vorbei
am päpstlichen Gemüsegarten, der von den Klausurnonnen dort liebevoll betreut wird.
Man passiert den historischen Sitz von Radio Vatikan, es gibt ein paar mittelalterliche
Mauern, es gibt die Lourdes-Grotte, vor der Papst Benedikt jeden Tag, außer bei Regen,
seinen Rosenkranz betet. Deshalb ist übrigens die Sperrstunde für die Vatikanischen
Gärten 14 Uhr, denn am Nachmittag nutzt der Papst seine Gärten selbst, und da dürfen
keine Gäste herummarschieren.
Der Vatikan-Führer gibt den Lesern nicht
nur Ortsbeschreibungen an die Hand, sondern auch ganz praktische Tipps. Was zum Beispiel?
Das wichtigste ist: Wie kann man den Papst sehen. Wie kommt man an Audienzkarten.
Ich habe auch Telefon und Faxnummern der Präfektur dazugeschrieben, damit wirklich
nichts schief gehen kann. Ich erkläre, wo beim Papstgottesdienst die besten Plätze
sind, wo man als Rollstuhlfahrer hingelangen kann, in welchen Papstgottesdienst man
auch unangemeldet und ohne Karten hinein darf. Bei Audienzen gibt es ja auch die berühmte
„Prima Fila“, die erste Reihe. Leute, die solche Karten ergattern können, haben die
Gelegenheit, dem Papst die Hand zu schütteln und ein paar Sätze mit ihm zu wechseln,
ihm vielleicht ein Buch zu überreichen - vorzüglich Selbstgeschriebenes, wie wir das
hier jeden Mittwoch beobachten können. Ich gebe Tipps, wie man an solche besonderen
Audienzkarten kommt, welche Maßstäbe der Auswahl die Präfektur da anlegt. Also wenn
man etwa eine besonders verdienstvolle katholische Laufbahn hinter sich oder ein besonders
schweres Schicksal hat, dann kann man das erwähnen und erhält dann vielleicht einen
Platz in der ersten Reihe.
Gibt es außerhalb der Audienzen und Gottesdienste
eine Möglichkeit, in den Vatikan zu gelangen?
Durchaus! Ich beschreibe
ganz schnöde, wie man es am besten anstellt, an den Schweizergardisten vorbei in den
Vatikan zu gehen – nämlich indem man zum Beispiel zum Deutschen Friedhof will. Ich
erkläre, wie man als Normalpilger ins vatikanische Geschäftsviertel kommt, was man
dort darf, was man nicht darf. So etwa wissen die wenigsten, dass man mit einem ganz
normalen italienischen Arztrezept an den Schweizergardisten und den Gendarmen vorbei
in die vatikanische Apotheke gehen kann, und dort kontrolliert dann niemand mehr,
ob man wirklich nur das einkauft, was auf dem Rezept steht – in der Apotheke gibt
es auch beispielsweise steuerfreies Parfum. Ich erkläre, wie man an einen päpstlichen
Segen auf Pergament kommt oder zu welcher Uhr- und Jahreszeit man ohne Schlangestehen
in die vatikanischen Museen gelangt.
Außerdem sind immer wieder kleine
Exkurse in Geschichte und Alltagsleben des Papstsstaates eingestreut…
Ein
Beispiel: In einem Absatz erkläre ich, welche Tiere es im Vatikan gibt. Im Zug meiner
Recherchen habe ich nämlich herausgefunden, dass da im 17. Jahrhundert ein Elefant
lebte! Den hat der portugiesische König dem damaligen Papst verehrt. Dieser Elefant
namens Hanno hat dann zwei Jahre lang in den vatikanischen Gärten gehaust, er hatte
einen eigenen Kammerdiener zugeteilt, hat aber alles nichts genützt, er ist dann an
Verstopfung eingegangen. Da fällt mir noch eine kleine Anekdote von der jüngsten Afrika-Reise
ein: Dort hat man Papst Benedikt eine afrikanische Schildkröte geschenkt. Die Schildkröte
wird aber nicht dasselbe Schicksal erleiden wie damals der Elefant, denn der Papst
hat die Schildkröte in Afrika gelassen, weil es ihr da wahrscheinlich besser geht
als in den Vatikanischen Gärten. Davon ausgehend, erzähle ich, dass einzelne Bewohner
des Vatikans auch Haustiere halten. Die sind erlaubt, aber meldepflichtig. Hunde zum
Beispiel muss man im Governatorat anmelden, es sind derzeit ungefähr vier. Man sieht:
Der Vatikan ist letztlich ja auch ein ganz normales bürokratisches Staatsgebilde.
Zum Schluss: Hast du einen Lieblingsort im Vatikan, der auch im Buch vorkommt?
Immer wieder schön finde ich die Sala Ducale, den Herzogssaal, im Apostolischen
Palast. Und ich erkläre, wie man da hineinkommt! Normalerweise ist da kein Hineinkommen,
denn der Saal liegt ein Stockwerk unter dem Papstapartment. Aber eine Möglichkeit
gibt es doch: Wenn der Papst neue Kardinäle ernennt, halten diese neuen Kardinäle
nach dem entsprechenden Gottesdienst, in dem ihnen die Kardinalswürde verliehen wird,
Hof im Vatikan. Jedem wird an diesem Tag ein Platz zugewiesen, und da kann, wer immer
will, hinkommen und dem neuen Kardinal gratulieren. Das ist die einzige Möglichkeit,
jemals bestimmte Säle in diesem riesigen Apostolischen Palast zu sehen, und eben auch
die Sala Ducale mit ihren erhabenen Fresken. Wir von Radio Vatikan sehen die relativ
häufig, denn bei Gottesdienstübertragungen von Radio Vatikan legt man einen langen
Weg durch den Apostolischen Palast zurück und passiert dabei auch den Herzogssaal.
„Vatikan – Der christliche Reiseführer“ von Gudrun Sailer bietet quasi
den Papststaat im Taschenformat - auf 159 Seiten. Erschienen ist der Vatikan Guide
im St. Benno Verlag zum Preis von 9,90 Euro.