Papst Pius XII. scheiterte im November 1943 bei Adolf Hitler mit dem Versuch, zugunsten
von Juden diplomatisch zu intervenieren. Diese bislang wenig bekannte Tatsache und
ihren außergewöhnlichen Verlauf schildert der frühere Vatikandiplomat und heutige
Kurienkardinal Giovanni Lajolo in einem bislang unveröffentlichten Grußwort, das er
der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nun zur Veröffentlichung freigab. Bereits
im Mai 1939 blieb laut Lajolo auch ein anderer Vorschlag des Papstes erfolglos, den
er Hitler durch seinen Nuntius beim Deutschen Reich, Erzbischof Cesare Orsenigo, überbrachte.
Darin hatte Pius XII. eine Fünf-Mächte-Konferenz vorgeschlagen, um drohende kriegerische
Auseinandersetzungen friedlich zu lösen. „Leider stieß der Nuntius auf ein nur sehr
oberflächliches Interesse“, so Lajolo. Lajolo war zwischen 1995 und 2003 Apostolischer
Nuntius in Deutschland, in dieser Zeit verfasste er die jetzt veröffentlichten Äußerungen.
Anschließend war er bis 2006 Außenminister des Heiligen Stuhls. Derzeit ist Lajolo
Kardinal-Präsident des vatikanischen Governatorats.
(kna 05.05.2009 bp)
Lajolo
zitiert aus einem Dokument Orsenigos, wir dokumentieren unter Berufung auf die KNA: „Im
allerhöchsten Auftrag (im Auftrag Pius XII.) bin ich vor einigen Tagen nach Berchtesgaden
geflogen. Ich wurde vom Führer und Kanzler Hitler empfangen, aber, sobald ich das
Thema Juden und Judentum, Milde und Menschlichkeit der Behandlungen angeschnitten
hatte, drehte sich Hitler ab, ging ans Fenster und trommelte mit den Fingern gegen
die Scheibe. Sie können sich vorstellen, wie peinlich es mir war, im Rücken meines
Gesprächspartners mein Vorhaben vorzutragen. Ich tat es trotzdem. Dann drehte sich
plötzlich Hitler um, ging an einen Tisch, wo ein Glas Wasser stand, fasste es und
schleuderte es wütend auf den Boden. Mit dieser hochdiplomatischen und staatsmännischen
Geste durfte ich meine Mission als beendet und gleichzeitig leider als abgelehnt betrachten“. Wenige
Monate vor Kriegsausbruch war Orsenigo am 5. Mai 1939 schon einmal auf dem Obersalzberg
bei Berchtesgaden, um Hitler einen Vorschlag von Pius XII. zu unterbreiten. Dieser
regte die Einberufung einer Konferenz der fünf Mächte Frankreich, Deutschland, Großbritannien,
Italien und Polen an, um die Fragen friedlich zu lösen, an denen sich kriegerische
Auseinandersetzungen zu entzünden drohten.
„Leider stieß der Nuntius auf ein
nur sehr oberflächliches Interesse“, so Lajolo. Trotz der Zusicherung, Deutschland
hege keine kriegerischen Absichten, habe Hitler Wert darauf gelegt, dem Papst-Vertreter
mitzuteilen, er sei «gegen Frankreich unschlagbar gerüstet“, und „auch an seiner Ostgrenze
sei Deutschland gegen Polen gut befestigt und werde noch besser befestigt werden“.
Zudem habe er eine barsche Anklagerede gegen Großbritannien zu hören bekommen, berichtete
Orsenigo dem damaligen Kardinal-Staatssekretär.