„Die Arbeit an den Menschen muss stärker gewichtet werden“. Das fordert der Sozialethiker
und Jesuit Friedhelm Hengsbach zum Tag der Arbeit. Hengsbach ist an diesem 1. Mai
einer der Hauptredner bei der Großkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in
Nürnberg. „Arbeit für alle, bei fairem Lohn“ – lautet dieses Jahr das Motto der Gewerkschaften.
Wie das trotz Wirtschaftskrise und Arbeitsknappheit erreicht werden kann? Darüber
sprach Hengsbach vor der Kundgebung mit Radio Vatikan.
„Es geht einmal
darum, dass die Arbeitslosigkeit die größte wirtschaftspolitische Herausforderung
ist. Das heißt, jeder der arbeiten will und arbeiten kann, soll auch an der Erwerbsarbeit
Anteil haben oder beteiligt werden können.“
Die Finanzkrise sei auch eine
ökologische Krise - und eine Krise des gesellschaftlichen Zusammenhalts, sagt Hengsbach.
„Abwrackprämien“ und Lohnkürzungen seien keine Lösung. Die Bundesregierung konzentriere
sich zu sehr auf die Stabilisierung der Finanzmärkte, statt die Realwirtschaft zu
beleben. Hengsbach schlägt vor, mehr öffentliche Investitionen in Gang zu setzen,
die sich auf Bereiche wie Bildung, Kultur und Gesundheit richten sowie auf den ökologischen
Umbau:
„Also eine andere Mobilitätspolitik, Verkehrspolitik, Energiegewinnung,
eine andere Politik der Ernährungsweisen – darum geht es. Dass also dieser ökologische
Umbau im Vordergrund steht. Und zweitens, dass die ‚Arbeit an den Menschen‛ stärker
gewichtet wird als die herkömmliche Industriearbeit und die Arbeit für den Export.
‚ Arbeit an den Menschen‛ - das heißt also, im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich,
in der Kultur und auch in der Kommunikation... Dass also Arbeitsplätze geschaffen
werden für Menschen mit einem angemessenen Einkommen, das ihre Arbeit auch aufwertet,
so dass im zweiten Gang auch eine entsprechende Belebung auf dem Binnenmarkt stattfinden
kann."
Die ‚Arbeit an den Menschen‛ aufwerten – das hieße auch,
über die Erwerbsarbeit hinaus andere Arbeitsformen mehr anzuerkennen, wie die Familienarbeit,
Pflegearbeit und soziales Engagement. Dafür trete auch die katholische Soziallehre
ein. Die Kirchen, meint Hengsbach, sollten in der aktuellen Wirtschaftskrise noch
stärker ihre Aufgaben als Arbeitgeber in Caritas und Diakonie wahrnehmen. Zukunftsfähige
Lösungsstrategien erhoffe er sich von der aus Rom angekündigten Sozialenzyklika.
„Ich
erwarte, dass sie aus der Perspektive der Dritten Welt, der Mehrheit der Weltbevölkerung,
den Industrieländern einen Spiegel vorhält, denn wenn diese nicht anfangen, den herrschenden
Kapitalismus entsprechend zu korrigieren, dann ist diese kapitalistische Wirtschaftsordnung
nicht nur am Rande korrekturfähig, sondern dann ist sie mit ganz erheblichen Belastungen
versehen und moralisch nicht gerechtfertigt!“ (rv 01.05.2009 ad)