Vietnam: „Eine leidende Kirche, die deswegen so stark ist"
In Vietnam ist das
erste Kolpinghaus in einem kommunistischen Land entstanden – gegen zähen Widerstand
der Behörden, aber letztlich doch von ihnen genehmigt. Der Generalpräses des Internationalen
Kolpingwerkes, Axel Werner, erzählte uns nach seiner Rückkehr aus Saigon:
„Eigentlich
laufen die Vorbereitungen seit 15 Jahren. Das Kolpingwerk Vietnam ist so dynamisch
gewachsen, dass es jetzt mehr als 7000 Mitglieder hat, und hier brauchen die Menschen
eine Heimat, in der auch Verbandsschulungen stattfinden können. Außerdem geht es um
geistliche Vertiefungen. Denn die Menschen sind hier wirklich aus geistlichen Gründen
in einem Verband zusammengeschlossen. Dieser Verband bietet ihnen, wie sie mir gesagt
haben, Jesus besser kennen zu lernen und besser zu begreifen, was es bedeutet, Kirche
zu sein.“
Gemeinsam mit dem Kölner Weihbischof Rainer Maria Woelki und
seinem vietnamesischen Amtsbruder Pierre Nguyen Van Kham hat Werner das Kolpinghaus
zur Eröffnung gesegnet - einen Eröffnungsgottesdienst ließen die kommunistischen Funktionäre
nicht zu. Überhaupt dürfen im Kolpinghaus in Ho Chi Minh City, vormals Saigon, keine
Messen stattfinden.
„Die Gottesdienstorte in Vietnam sind streng reglementiert
und limitiert. Hier darf ja auch kein Kirchenbau stattfinden – nur dort, wo eine Kirche
gestanden hat, darf auch wieder eine renoviert oder neu aufgebaut werden. Gottesdienstorte
sind für die vietnamesische Regierung ausschließlich die Pfarrkirchen, und hier will
man offensichtlich einen Riegel vorschieben, dass unter der Hand eine neue Pfarrei
gegründet wird.“
Dennoch haben die Behörden auch ein Interesse an der Zusammenarbeit
mit kirchlichen Einrichtungen. Einerseits geht es darum, eine Art Religionsfreiheit,
wenn auch auf niedrigem Niveau, zu demonstrieren. Andererseits spielen auch soziale
Aspekte eine Rolle, sagt Axel Werner.
„Ich hatte ein Gespräch mit der Religionsbehörde
in Saigon, in der man immer wieder auch die Wertschätzung zum Ausdruck brachte für
die spirituelle Begleitung der Menschen, die das Kolpingwerk und die Kirche im Ganzen
leistet. Der nächste Aspekt ist sicher unser Beitrag zur Bekämpfung der Armut. Es
ist offensichtlich, dass sich die vietnamesische Regierung klar über ihre Situation
ist, und dass man versucht, durch wirtschaftlichen Erfolg die Menschen davon abzubringen,
über ideologische Hintergründe ihres Lebens nachzudenken. Sicher ist jener Teil unserer
verbandlichen Arbeit, der die gesellschaftliche Bildung unserer Mitglieder voraussetzt,
in Vietnam weniger möglich.“
Axel Werner kennt Vietnam aus mittlerweile
vielen Reisen recht gut. Was den Priester an der Kirche dort fasziniert, ist ihre
innere Stärke.
„Für mich ist deutlich geworden beim letzten Besuch, dass
die Kirche von Vietnam eine leidende Kirche ist, und dass sie deswegen so stark ist.
Für mich unvergessen ist eine schweigende Demonstration dort. Nicht eine Demonstration,
wie wir sie kennen, mit viel Geschrei und Tamtam, sondern jeden Abend um 20 Uhr versammelte
sich eine Gemeinde mit Kerze vor der Marienstatue, die auf dem Hauptplatz von Saigon
steht, vor der Kathedrale, um dort in der Öffentlichkeit in der Nacht mit brennenden
Kerzen den Rosenkranz zu beten. Während dieses Gebetes kamen immer mehr Menschen hinzu,
die mitbeteten, es gab eine große Zahl von jungen Menschen, die plötzlich in die Knie
gingen und dort ihr Ave Maria sprachen – es war wirklich etwas, was ich so schnell
in meinem Leben nicht vergessen werde. Dieser Anblick war auch für Menschen, die mit
Glauben nichts zu tun haben, denn in Vietnam sind wir Christen eine Minderheit, so
ergreifend, dass viele Passanten stehen blieben, die sicher nicht gläubig sind, aber
die beeindruckt waren von dieser schweigenden Demonstration geistlichen Lebens.“ (rv
29.04.2009 gs)