Worum geht es dem Papst? Ein Kommentar von Pater Eberhard v. Gemmingen
Durch die Stürme nach der Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe ist
bei manchen der Eindruck entstanden, Papst Benedikt wende sich vor allem der Vergangenheit
zu, er sei Traditionalist. Dem muss ich widersprechen. Dem Papst geht es um etwas
ganz anderes. Er hat es in seinem Schreiben zur Erklärung seiner Maßnahme deutlich
gesagt: Es geht ihm um die Rettung und Verlebendigung des Glaubens an Gott. Dahinter
steht die reale Gefahr, dass der Glaube an Gott vor allem in Europa immer mehr verdunstet.
Auch ich bin der Ansicht, dass diese Gefahr außerordentlich groß ist, aber übersehen
wird. Die Suche nach Gott, die Frage nach einer obersten Autorität über dem Menschen,
scheint vor allem in Mitteleuropa immer mehr abzunehmen. Und Papst Benedikt ist genau
der gleichen Ansicht wie der bekannte Jesuit Alfred Delp, der im Nazi-Gefängnis in
Berlin schrieb: Gott gehört in die Definition des Menschen. Mit anderen Worten, wenn
wir Gott streichen, dann verfallt der Mensch dem reinen Pragmatismus. Benedikt weiß,
dass die Verfassungen der Staaten – vor allem in Europa – auf einem christlichen Menschenbild
basieren, ein christliches Menschenbild voraussetzen. Geht der Glaube an Gott verloren,
so verlieren die Verfassungen mit Menschenwürde und Menschenrechten ihre Grundlagen.
Benedikt sieht sehr deutlich diese Zusammenhänge. Er will daher auch nicht moralisieren,
hat daher auch nichts direkt gegen den Gebrauch von Kondomen gesagt, sondern will
den Glauben an den Vater Jesu Christi, an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus,
an die Aussendung des Heiligen Geistes verkünden. Er vergleicht unsere Zeit vielleicht
ein wenig mit dem ausgehenden Altertum, in dem eine niedergehende Kultur das Christentum
entdeckt und dadurch einen konstruktiven Übergang zu einer neuen Kultur ermöglicht
hat. Wichtig ist mir seine Kritik an der „Diktatur des Relativismus“. Er hält
daran fest, dass der Mensch Wahrheit erkennen kann, dass es daher unumstößliche Werte
für eine Gesellschaft gibt, dass der Mensch sich nicht von ständig wechselnden Meinungen
und Weltanschauungen treiben lassen darf. Und er ist der Überzeugung, dass nur eine
Kirche, die ein klares Profil hat, eine Hilfe für die Menschen heute ist. Nur als
eine Gemeinschaft mit Profil wird sie wahr- und ernst genommen, wird sie gehört und
respektiert. Dem Papst geht es darum, dass die Kirche Sakrament des Heiles für
die Welt ist, dass sie Christus verkündet und gegenwärtig setzt, damit durch das Zeugnis
Jesu der Glaube an einen liebenden Vatergott neu auflebt und lebendig ist. Dass Millionen
von Menschen in Not durch lebendige Christen Hilfe und eine neue Perspektive erhalten.
Dem Papst geht es nicht nur um die Kirche, sondern um die ganze Menschheit.
Pater
Eberhard v. Gemmingen SJ ist Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan.