Am Sonntag sind die
Berliner aufgerufen, in einem Volksentscheid über die Einführung eines Wahlpflichtbereiches
Ethik/Religion an den Schulen abzustimmen. Seit 2006 wird auf Betreiben des rot-roten
Senats das Pflichtfach Ethik ab der siebten Klasse unterrichtet, Religionsunterricht
kann zusätzlich freiwillig besucht werden. Bei einem Erfolg der Initiative „Pro Reli“,
die von den großen Kirchen, dem Zentralrat der Juden und Muslimverbänden unterstützt
wird, würden Schüler künftig zwischen Ethik und Religion wählen.
Die beiden
großen Kirchen in Berlin haben dazu aufgerufen, am Sonntag beim Volksentscheid über
den Religionsunterricht mit „Ja“ zu stimmen. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky
und der Berliner evangelische Bischof Wolfgang Huber postierten mit meterhohen Buchstaben
vor dem Brandenburger Tor und gaben sich bildhaft das JA-Wort. Mit Blick auf eine
Äußerung des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, er wolle die Kirchen
als Partner nicht verlieren, erklärte Kardinal Sterzinsky: „Wenn die Kirchen Partner
sein sollen, müssen sie es auf gleicher Augenhöhe sein.“ Seit 15 Jahren bemühen sich
die Kirchen und ihre Bischöfe darum, dass Religion ordentliches Lehrfach wird. Stefan
Förner, Pressesprecher des Erzbistums Berlin, ergänzt im Gespräch mit dem Domradio: „Die
evangelische Kirche hat dies in ihrem Staatsvertrag mit dem Land Berlin ausdrücklich
als abweichende Position festgehalten. Die katholische Kirche hat aus diesem Grund
keinen Staatsvertrag mit dem Land Berlin geschlossen, weil sie gesagt haben, das muss
erst geklärt werden. Wir wollen den Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach
in einer Fächergruppe, in der man zwischen unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen
wählen kann, verankert wissen. Dann können wir auch auf dieser Ebene Partner des Landes
und der Politik sein.“ Der evangelische Bischof Wolfgang Huber hob hervor,
Religion als ordentliches Lehrfach sei ein „zukunftsweisendes Modell“ und für die
multikulturelle Stadt Berlin der richtige Weg, sagte Huber. Die Kampagne von „Pro
Reli“ habe gezeigt, dass Religion in Berlin ein öffentliches Thema ist. SPD, Linkspartei
und die Grünen unterstützen zu großen Teilen die regierungsnahe Initiative „Pro Ethik“.
Ethikunterricht soll ihrer Meinung nach verbindlich bleiben, damit alle Kinder eine
gemeinsame Wertebasis vermittelt bekommen.
Auch Ethikbefürworter hätten gute
Gründe, meint Bistumssprecher Förner. „Sie sagen, wir müssen alle Kinder in
einem Fach Ethik zusammenfassen, dass sie dort über unterschiedliche Begründungen
ihrer Ethik, über unterschiedlich Gebräuche und Glaubensüberzeugungen miteinander
ins Gespräch kommen.“ Das sei wichtig, aber: „Um überhaupt in Dialog treten
zu können, muss jemand sprechen können. Das heißt, er muss über seine eigene Religion,
seine religiösen Erfahrungen, seine Befindlichkeiten, über die Geschichte und womöglich
auch über das, was kritisch an der eigenen Religion gesehen wird, sprachfähig sein.
Er muss erst selbst diese Kompetenz erwerben.“
Auch deshalb unterstützt
die jüdische Gemeinde die „Freie Wahl“ zwischen Ethik und Religion. Rabbinerin Gesa
Edenberg: „Nur ein eigener Standpunkt, der gelernt ist, der diskutiert ist und
verstanden ist, ist die Grundlage für Toleranz und Gemeinschaft in dieser Stadt, für
ein wirklich vielfältiges und vielfarbiges Berlin.“ (rv/dr/pm 24.04.2009 bp)