Millionen Menschen sind weltweit vor Kriegen, Verfolgung, Hungersnöten und Armut auf
der Flucht. Täglich sehen wir Nachrichtenbilder von Vertriebenen. Aktuell sind es
die Flüchtlinge des Bürgerkriegs auf Sri Lanka die Schlagzeilen machen. Davor waren
es afrikanische Boatpeople auf dem Weg nach Europa oder die Irak-Flüchtlinge im niedersächsischen
Auffanglager Friedland. - Gerade dort wo keine Konflikte und kaum Armut herrschen,
also in Europa und den USA, gelten Flüchtlinge oft als Problem. Dabei sind sie eigentlich
ein Gewinn, meint der Jesuit Peter Ballais. Er muss wissen, wovon er spricht. Der
Leiter des Jesuitenflüchtlingsdienstes war selbst jahrelang in Afrika für Vertriebene
im Einsatz. „Wenn wir theologisch denken, dann zeigt sich auch wiederum unsere
Theologie des Gekreuzigten und des Auferstandenen, dass die Opfer, die unschuldigen
Opfer von Kriegen und Konflikten oft der Ansatz sind, um das Neue zu schaffen. Das
Neue steht eigentlich dort, wo die Katastrophe ist.“ Vertriebene Menschen
pastoral zu begleiten, ihnen materiell zu helfen und sich für ihre Rechte einzusetzen–
dafür ist der Flüchtlingsdienst der Jesuiten seit fast dreißig Jahren rund um den
Globus im Einsatz. Gegründet wurde der Dienst 1980 von dem damaligen Generaloberen,
Pedro Arrupe. Anlass war die Welle von Bootsflüchtlingen aus Südostasien, auf deren
Not die Jesuiten mit ihrer Initiative antworteten. Mittlerweile ist der Flüchtlingsdienst
in über 50 Ländern aktiv.
„Die Schwerpunkte haben natürlich mit den Konfliktherden
unserer Welt zu tun. Machen wir mal eine kurze Weltreise: Fangen wir an in Lateinamerika
Kolumbien, drei Millionen interne Flüchtlinge ein ständiger Krieg, der bitterer geworden
ist als vorher. In Afrika ist ein Schwerpunkt, Tschad, Zentralafrikanische Republik,
Sudan, Uganda, Kenia und dann die ganze Region um die großen Seen.“ Aber
auch in Asien, Afghanistan und im Nahen Osten ist der Flüchtlingsdienst vertreten.
Erleichtert wird der Start neuer Projekte, durch das bestehende weltweite Ordensnetzwerk
der Jesuiten, erklärt Pater Ballais:
„Internationale Organisationen haben
große Schwierigkeiten sich dort zu registrieren. Wir können das schon vom ersten Tag
an, weil die Jesuiten schon vor Ort sind und wir sind einfach eine weitere Arbeit
der Jesuiten in Syrien und Jordanien, wo wir uns für irakische Flüchtlinge einsetzen.“ Der
Flüchtlingsdienst betreut Vertriebene in Auffanglagern und begleitete sie auch nach
ihrer Rückkehr ins Heimatland. Mitarbeiter sind nicht nur Jesuiten, sondern auch Laien
und andere Ordensleute. Sie helfen den Flüchtlingen sich neu in ihrer Heimat zu integrieren
und beim Aufbau von Schulen und Gemeinden. An erster Stelle stehen psychologische
und seelsorgerliche Betreuung:
„Der Krieg zerstört ja die menschlichen
Beziehungen. Und da ist es wichtig, den Menschen zu helfen, innerlich mit den Traumata,
mit den Verletzungen, mit den Gefühlen von Hass umzugehen und sich zu versöhnen mit
dem Erlebten und aus der Versöhnung heraus, dann eine friedlichere Gesellschaft aufzubauen.“ Seine
Hilfe bietet der Flüchtlingsdienst allen Betroffenen an. Die meisten sind Muslime
oder Buddhisten. Unterschiede zwischen Christen und Andersgläubigen werden keine gemacht,
betont Pater Ballais.
„Das war nicht ganz einfach für unsere christlichen
Mitarbeiter und in den Projekten,. Aber dann haben wir den Leuten gesagt: Hör mal,
weist Du ein muslimisches Kind zurück, das auch in unsere Schule gehen will oder in
unsere Kurse. Was ich damit sagen will, unsere Arbeit ist interreligiös.“ Nicht
selten sind religiöse Grenzen die Ursache von Konflikten oder werden für Konflikte
missbraucht. Die Jesuiten, sagt Ballais, seien an diese Grenzen gesandt, um sie zu
überwinden und zum friedlichen Miteinander beizutragen:
„Was sehr entscheidend
ist, ist dass wir nicht versuchen Menschen zum Christentum zu bewegen, die Verkündigung
ist ganz praktisch, absichtslos, ist einfach die Nächstenliebe, die uns Jesus aufgetragen
hat, leben.“ So engagieren sich die Jesuiten auch schon
mal für den Bau einer Moschee oder verteilen – wie nach dem Tsunami 2004 –unter den
muslimischen Flüchtlingen 10.000 Koranbücher.
„Es ist dann die Religion,
die den Menschen hilft nach der Tragik mit dem Trauma zurechtzukommen. Es sind die
Religionen, die dem Menschen auch helfen, wieder Hoffnung zu gewinnen.“ Wichtige
Aufbauarbeit leistet der Flüchtlingsdienst durch Bildungsangebote. Kinder und Jugendliche
aus dem Südsudan konnten in den vom Flüchtlingsdienst betreuten Lagern Schulunterricht
oder Englischkurse besuchen oder eine einfache handwerkliche Ausbildung machen.
„Das
sind jetzt die Lehrer, die der Südsudan braucht, sie werden jetzt Schulleiter. Oder
die Leute, die eine kleine handwerkliche Ausbildung gemacht haben, die braucht das
Land.“ Aber auch diejenigen, die nicht in ihr Land zurück können und umsiedeln,
sind für die so genannte erste Welt ein echtes Potenzial, sagt Pater Balleis. Der
Westen verkenne das. Zu Unrecht würden diese Flüchtlinge als lästige Wirtschaftsflüchtlinge
abgestempelt: „Es sind junge Leute, die ihr Leben wieder aufbauen
wollen. Es sind Menschen, die eigentlich nichts wissen wollen von politischer Gewalt,
sonst hätten sie sich anders organisiert. Sie wollen ein friedliches Leben. Es sind
dort Leute, die durch unsere Schule sehr gut Englisch können. Ja da muss man sagen,
die USA, Kanada und Australien – ich bin ja dankbar, dass sie so viele nehmen – aber
sie müssen sich bewusst sein, dass sie eine sehr gute Bevölkerungsgruppe aufnehmen,
die motiviert ist, die Familien haben wird. Wenn man vom bevölkerungspolitischen Aspekt
her denkt, sind die Flüchtlinge immer ein Gewinn. So war es auch in Deutschland, die
14 Millionen haben Deutschland nach dem Krieg mit aufgebaut.“ Auch in
den westlichen Ländern ist der Flüchtlingsdienst daher aktiv und kümmert sich um die
so genannten „illegalen“ Einwanderer. Rund 60% dieser Flüchtlinge stünde eigentlich
das Asylrecht zu. Aus Angst vor Abschiebung, würden sie von vorneherein auf einen
Antrag verzichten. Für den Flüchtlingsdienst bedeutet das:
„Weiterhin
unserer Mission treu zu sein, nämlich die Menschen zu begleiten, ihnen zu dienen und
für ihre Rechte lokal, regional und international einzutreten.“ (rv
23.04.2009 ad)