Benedikt XVI. bittet
katholische Exegeten, nicht starr auf den biblischen Text zu blicken, sondern auch
die Tradition und den lebendigen Zusammenhang der Kirche zu berücksichtigen. Im Vatikan
empfing er an diesem Donnerstag die Päpstliche Bibelkommission, die an der Glaubenskongregation
angesiedelt ist. In seiner Ansprache bezog er sich u.a. auf die Enzyklika „Divino
afflante Spiritu“ von Papst Pius XII.; diese dränge katholische Exegeten, „der positiven
Beiträge aus der Wissenschaft Rechnung zu tragen“, aber dabei doch „zu Lösungen zu
kommen, die in voller Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche stehen“.
„Das
wissenschaftliche Studium der Heiligen Schriften an sich ist nicht ausreichend. Um
die Kohärenz des kirchlichen Glaubens zu berücksichtigen, muß der katholische Exeget
darauf achten, in diesen Texten das Wort Gottes wahrzunehmen – im Innern des kirchlichen
Glaubens. Fehlt dieser entscheidende Bezugspunkt, bleibt exegetische Forschung unvollständig,
weil sie ihren Endzweck aus den Augen verliert und sogar Gefahr läuft, bloß eine Art
intellektueller Gedankenspielerei zu werden. Interpretation der Heiligen Schrift darf
nicht nur eine intellektuelle Anstrengung sein, sondern muß sich ständig konfrontieren
mit, einschreiben in und beglaubigen durch die lebende Tradition der Kirche.“
Es
stimme keinesfalls, dass sich die biblischen Texte außerhalb der „Gemeinschaft der
Glaubenden“ am besten verstehen ließen, so der Papst mit Nachdruck. Vielmehr sei das
Gegenteil wahr: Diese Texte seien nicht den Forschern anvertraut, „um ihre Neugier
zu befriedigen“, sondern seien in der Obhut der Kirche, „um den Glauben zu nähren“.
„Der
Kirche treu sein, heißt, sich in die Strömung der großen Tradition der Kirche zu stellen,
die unter Leitung des Lehramts die kanonischen Schriften als Wort erkannt hat, das
Gott an sein Volk richtet, und die nie aufgehört hat, darüber nachzudenken und seinen
unerschöpflichen Reichtum zu entdecken.“
Tradition und Bibel seien „eng
miteinander verbunden und kommunizieren miteinander“ – so zitierte der Papst die Konstituition
„Dei Verbum“ des Zweiten Vatikanischen Konzils. „Beide haben denselben göttlichen
Ursprung, und beide sind gewissermaßen eine Einheit und haben das gleiche Ziel.“ Benedikt
wörtlich: „Nur der kirchliche Kontext erlaubt es, die Heilige Schrift als authentisches
Wort Gottes zu verstehen, das das Leben der Kirche und das geistliche Wachstum der
Gläubigen leitet und bestimmt.“