Nach jahrelangem Tauziehen haben sich Politiker aus CDU/CSU, SPD und FDP auf einen
gemeinsamen Gesetzentwurf beim Thema Spätabtreibung geeinigt. Das teilten die Bundestagsabgeordneten
Kerstin Griese (SPD), Johannes Singhammer (CSU) und Ina Lenke (FDP) mit.Ursprünglich
wollten sie getrennt über ihre Entwürfe abstimmen lassen. Eine weitere Abgeordnetengruppe
um die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Christel Humme und Irmingard Schewe-Gerigk
(Bündnis 90/Die Grünen) will nun ebenfalls – entgegen ursprünglichen Planungen – einen
Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Der Kompromiss zwischen Griese, Singhammer
und Lenke sieht vor, dass Frauen, die kurz vor der Geburt ihres Kindes von einer möglichen
Behinderung erfahren, eine qualifizierte Beratung vermittelt bekommen. Die Frau kann
dieses Angebot allerdings auch ablehnen. Zwischen der Diagnose und der eventuellen
Abtreibung muss eine Bedenkzeit von drei Tagen liegen. Verstößt ein Arzt gegen das
Gesetz, drohen Bußgelder von bis zu 5.000 Euro. Im Gegensatz zu dem vorherigen Entwurf
der Gruppe um Singhammer sieht der Vorschlag allerdings keine Dokumentationspflicht
der Beratung vor. Zudem soll im Bundestag separat über eine bessere statistische Erfassung
von Spätabtreibungen abgestimmt werden, da in diesem Punkt keine Einigung erzielt
werden konnte.
Nach Ansicht von Griese schlägt der Kompromiss „zwischen den
verschiedenen Positionen eine Brücke“. Es gehe nicht um die Alternative Frauenrechte
oder Lebensschutz. „Es ist möglich, beides zu vereinbaren“, so die Vorsitzende des
Familienausschusses im Bundestag. „Der neue Entwurf setzt eindeutig und ausschließlich
auf Unterstützung und Hilfe für Frauen. An keiner Stelle werden die Rechte einer Schwangeren
eingeschränkt.“ Die FDP-Politikerin Ina Lenke hofft, dass der Kompromiss nun noch
vor der Bundestagswahl zur Abstimmung kommt. Dafür wolle sie sich einsetzen. Zudem
wies sie den Vorwurf der Beratungsorganisation „Pro Familia“ zurück, der Entwurf schreibe
eine Zwangsberatung vor. „Es ist ein Angebot, keine Pflichtberatung“, so Lenke gegenüber
idea. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Singhammer wertete die Einigung als Erfolg. Man
gehe davon aus, dass „fast alle Eltern“ das Beratungsangebot annehmen werden.
Die
Gruppe um die Abgeordnete Humme will gesetzlich festlegen, dass es vor jeder vorgeburtlichen
Untersuchung ein Beratungsangebot geben muss. Ärzte sollen Frauen über Chancen und
Risiken aufklären und auf die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung hinweisen.
Der Humme-Entwurf enthält keine 3-Tages-Frist, sondern schlage eine „ausreichende
Bedenkzeit“ zwischen der Diagnose und der möglichen Abtreibung vor. „Mit unseren Vorschlägen
stärken wir die Information und Beratung der Schwangeren, ohne sie staatlich zu bevormunden“,
so Humme. Deshalb sei der Entwurf die „bessere Beratungsgrundlage“. Ursprünglich hatte
die SPD-Politikerin eine gesetzliche Änderung abgelehnt und lediglich Änderungen in
den Mutterschaftsrichtlinien der Krankenkassen vorgeschlagen. Da dieser Vorschlag
einigen nicht weit genug gegangen sei, habe man sich nun auf einen Gesetzentwurf geeinigt.
Die
Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr, kritisierte
die Entwürfe. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Kompromisse zu Lasten des Lebens
gingen. Sie befürchtet, dass eine psychosoziale Beratung – zumal es sich nur um ein
freiwilliges Angebot handele – wenig geeignet sei, ungeborene Menschen zu retten.
„Warum soll eine Beratung einem möglicherweise behinderten Menschen das Leben retten,
wenn eine Beratung selbst bei einem gesunden Kind – wie sie vor der 12. Schwangerschaftswoche
vor einer Abtreibung vorgeschrieben ist – mehr als 114.000 Kindern nachweislich nicht
das Leben gerettet hat?“ So viele Schwangerschaftsabbrüche wurden dem Statistischen
Bundesamt 2008 gemeldet. Löhr zufolge hat sich die Beratungsregelung bei der Reform
des Paragraphen 218 StGB, der die Bedingungen für eine straffreie Abtreibung regelt,
als Scheinlösung herausgestellt. Dies zeigten die nach wie vor hohen Abtreibungszahlen.
„Wenn nun im geplanten Kompromiss wieder ausschließlich auf ein Beratungsangebot gesetzt
wird, droht auch die neue Lösung bei der Spätabtreibung nur ein politisches ,Feigenblatt’
ohne Wirkung zu werden.“ Zwar sei man all jenen dankbar, „die das schreiende Unrecht
der Abtreibung weiterhin auf der politischen Tagesordnung halten“. Allerdings verteidige
„die überwältigende Mehrheit der Politiker den Schutz des menschlichen Lebens nicht
wirksam“.