Das mutige Wort eines
Oberhirten sorgte vergangenes Wochenende in Mexiko für einigen Medienrummel. Der Erzbischof
von Durango hatte bei einem Pressegespräch darüber geklagt, wie das Volk unter der
Drogenmafia leidet - und er hatte es gewagt, in einem Nebensatz den Behörden vorzuwerfen,
sich blind und taub zu stellen. Unsere Korrespondentin Brigitte Schmitt hat einige
Fakten zusammengetragen.
Der Bundesstaat Durango im Norden des Landes erlebt
einen Boom... aber keinen positiven. Allein in den ersten drei Monaten des laufenden
Jahres wurden über 150 Hinrichtungen im Drogenmilieu gezählt. Eine Steigerung von
mehr als 500 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Gewalt war denn auch Anlass für einen
anklagenden Fastenhirtenbrief von Erzbischof Hector Gonzales Martinez. In einem Pressegespräch
in der vergangen Woche erläuterte der Oberhirte seine Gedanken und bemerkte in einem
Nebensatz, jeder in Durango wisse doch, dass Joaquín Loera „El Chapo“ Guzman, einer
der gesuchtesten Drogenbosse, in einem Ort an der Grenze zum Bundesstaat Chihuahua
lebe - nur die Polizei wisse es nicht. Das Zitat wurde in den Medien abgedruckt. Prompt
forderten Staatsanwalt und Politiker eine Erklärung vom Erzbischof. Am Wochenende
war Gonzales für die Presse nicht zu sprechen; dafür erklärte aber sein Sprecher Victor
Manuel Solis im Radio, es gehe hier um ein „heikles Thema“:
„Was ich jetzt
sage, ist keine offizielle Erklärung, sondern eine persönliche Stellungnahme. Der
Erzbischof sagte dies bei einer Pressekonferenz, und wie es der Stil unseres Erzbischofs
ist, nannte er die Tatsachen beim Namen. Wenn ich mich richtig erinnere, sagte er,
was uns die Leute im ganzen Bistum erzählen - von ihren Sorgen und Ängsten und ihrem
Leiden. Die ganze Nation ist im Würgegriff dieser Gewalt, und auch Durango entkommt
dem nicht.“
In seinem Fastenhirtenbrief vergleicht Erzbischof Gonzales
die Situation mancher Orte, in denen die Drogenmafia ihre Territorialkämpfe austrägt,
mit der Passion Christi. Vor allem in den letzten beiden Jahren habe die Gewalt wegen
dieser Drogenkriege zugenommen. Keine Woche vergehe, in der man nicht von Schiessereien,
von Exekutionen im Mafiastil lese. „Wie traurig ist es, dass keiner aufmerkt, oder
dass sich die Menschen daran gewöhnen!” entrüstet sich Gonzales. Und er weist auf
ein weiteres Phänomen hin: Im ganzen Land leide die Bevölkerung unter Telefonerpressern,
die sich als angebliche Angehörige der gefürchteten Drogenkartelle ausgeben und mit
der Entführung von Familienangehörigen drohen. Die Bevölkerung sei total verunsichert. Diözesansprecher
Solis dazu:
„In den Bars und Cafes wird darüber gesprochen, Das ist eine
Welt, die von der Psychose, der Verzweiflung, dem Leiden lebt. Da kann es natürlich
auch sein, dass manches der Fantasie entspringt. Es ist sehr schwer, solchen Vermutungen
nachzugehen, das zu untersuchen.“
Nun warten alle darauf, dass Erzbischof
Gonzales ein klärendes Wort spricht. Sein Mitbruder Rafael Romo Munoz von Tijuana,
einer anderen Drogenhochburg, kennt das Risiko, öffentlich anzuklagen. Ihm werde von
den Behörden vorgeworfen, nicht die Wahrheit zu sagen, hatte er zur Jahreswende in
einem Interview mit Radio Vatikan erklärt.