2009-04-14 14:48:38

Thailand: Mit Wasserpistole durchs Regierungsviertel


RealAudioMP3 Nach tagelangen Demonstrationen mit Dutzenden von Verletzten hat sich die Lage in der thailändischen Hauptstadt Bangkok offenbar entspannt. Die oppositionellen Demonstranten, die so genannten „Roten“, haben an diesem Dienstag aufgegeben – zumindest vorläufig. Clemens Fabry, Seelsorger für die deutschsprachigen Katholiken in Thailand, spricht in unserem Interview von einem völligen Umschwung der Lage in der Stadt: Am Montag kaum jemand auf der Straße wegen des Notstands, an diesem Dienstag hingegen ein Gewimmel wie üblich. Wir fragten Pfarrer Fabry nach seinen Eindrücken in Bangkok.

„Zunächst einmal muss man sagen, dass es genauso gewesen ist wie beim letzten Putsch. Ich wohne im äußersten Stadtzentrum von Bangkog, aber wenn man nicht das Fernsehen hätte oder die Tagesschau-Seite im Internet, würde man gar nichts mitbekommen, weil sich die Proteste auf bestimmte Gegenden im Regierungsviertel beschränkt haben. Gestern war – wie man das ja auch in den deutschen Medien mitverfolgen konnte – der schlimmste Tag: Der Ausnahmezustand wurde verhängt, und die Gewaltbereitschaft nahm zu. Die „Roten“, die jetzt demonstriert haben, sind Anhänger des ehemaligen Premierministers Thaksin, und sie bemängeln, dass die jetzige Regierung Abhisit undemokratisch ins Amt gekommen ist, und fordern einen Rücktritt des Premierministers.“

Sie fordern auch eine Rückkehr des früheren Ministerpräsidenten aus dem Exil – welche Hoffnungen setzen sie denn auf ihn?

„Es ist so, dass sich nach meinem Eindruck eher Thaksin selbst ins Spiel bringt. Er hat gestern verkündet, als der Höhepunkt der Gewalttätigkeit erreicht war: Jetzt ist die goldene Zeit, Revolution zu machen. Es scheint mir also eher so, dass er darauf spekuliert, zurückkommen zu können – natürlich würden ihn seine Anhänger, wenn sie die Macht übernehmen würden, wahrscheinlich wieder in sein Amt einsetzen.“

Wie würden Sie die aktuelle Regierung beschreiben? Wo liegen ihre Probleme? Beschweren sich die Menschen auch über zuwenig Demokratie?

„Es ist ja erstaunlich, dass seit dem Amtsantritt von Premierminister Abhisit die ganze Sache ruhig war! Er hat sich auch keine großen Ausrutscher geleistet, die man hätte kritisieren können. Egal, was er getan hätte – es war wohl so, dass sich die rote Opposition auf jeden Fall wieder formiert hätte, um wieder an die Macht zu kommen.“

Wie ist denn jetzt die Lage? Hat sie sich beruhigt?

„Es ist hochinteressant... Gestern begann hier das thailändische Neujahrsfest; eigentlich sind dann drei Tage lang alle Straßen leer und alle Geschäfte geschlossen, und man vergnügt sich mit Wasserspielen, d.h., es wird im ganzen Stadtbezirk oder auch im ganzen Land mit Wasser gespritzt. Und das war gestern natürlich nicht zu sehen! Heute kam um zwölf Uhr in den Nachrichten, dass die Roten zunächst – wie sie sagen – aufgeben, und wir sind dann mit dem Taxi durch das Regierungsviertel in die Straße gefahren, die das Zentrum des Wasserspielens darstellt. Da konnten noch einige Aufräumarbeiten beobachtet werden, aber im Grunde waren das Militär und die Roten abgezogen. Um zwei Uhr war es auf dieser Straße noch recht leer, aber gerade eben, um fünf, war es so voll wie in den vergangenen Jahren auch. Die Menschen haben also dankbar zur Kenntnis genommen, dass der Notstand jetzt nicht mehr ausgerufen ist, dass die Proteste beendet sind. Und es sind im Moment so aus, als ob Bangkok und Thailand noch zwei schöne Neujahrstage bevorstehen!“

Kommen wir jetzt mal zur Lage der Christen in Thailand: Wie stellt sie sich im allgemeinen dar, und wie würde sich das auf die Christen auswirken, wenn die Roten ihre Interessen und ihre Ziele durchgesetzt hätten?

„Ich glaube, dass es keine Auswirkungen gegeben hätte, denn die ganze Zeit vorher, als Thaksin und die Roten regiert haben, konnten wir hier feststellen, dass Thailand ein sehr tolerantes Land ist, was die Religionen angeht. Es gibt hier fünf Prozent Christen; davon sind zwei Prozent Katholiken, und es besteht keinerlei Einschränkung in der Religionsausübung; das ist also in dieser Hinsicht ein sehr freies Land. Ich denke, daran würde auch ein Regierungswechsel überhaupt nichts ändern.“

Glauben Sie, dass die Proteste der Roten noch einmal aufflammen werden?

„Die Rücktrittserklärung der Roten lautete heute: Wir gehen vorläufig. Wir geben jetzt auf, weil wir um das Leben unserer Anhänger fürchten... Die Situation war ja so, dass noch ca. 3.000, 4.000 Menschen eingekesselt waren vom Militär und dass das Militär aktiv werden wollte – daraufhin haben die Roten den Beschluss gefasst, aufzugeben. Aber ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich, dass Thailand jetzt ruhigen Zeiten entgegen geht, sondern ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Prozess weitergehen wird!“

(rv 14.04.2009 ad/sk)







All the contents on this site are copyrighted ©.