Ein bekannter anglikanischer Bischof tritt zurück: Er will sein Amt als Bischof von
Rochester aufgeben und künftig als Seelsorger für Christen arbeiten, die unter Druck
stehen. Das berichtet die „Sunday Times“. Damit nimmt die Biographie von Bischof Michael
Nazir-Ali von Rochester eine weitere, unerwartete Wendung.
Der 59-jährige
Nazir-Ali wurde in Pakistan geboren; sein Vater trat dort vom Islam zum Christentum
über. Der als konservativ geltende Nazir-Ali hat die pakistanische und die britische
Staatsbürgerschaft; er war der erste nicht-weiße Diözesanbischof in der anglikanischen
„Church of England“. 2002 galt er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für
das Amt des Primas von Canterbury, doch dann wurde Rowan Williams statt seiner gewählt.
Nazir-Ali scheut nicht die Polemik, vor allem was den Umgang mit dem Islam betrifft,
und bekommt deswegen immer wieder mal Todesdrohungen – zuletzt, als er meinte, Teile
Großbritanniens seien mittlerweile „no-go-areas“ für Nicht-Moslems geworden. Bekannt
wurde auch sein Satz, Christen dürften nicht die Mission unter Moslems aufgeben. Die
„Sunday Times“ glaubt, seine neue Arbeit – über die noch keine Details bekannt sind
– gelte vor allem Christen in mehrheitlich islamischem Umfeld. Nazir-Ali wolle sich
um die christliche Minderheit in Pakistan und im Nahen Osten kümmern, auch Bagdad
sei eine mögliche Adresse für ihn in den nächsten Monaten. Doch werde der bisherige
Bischof, der an den Universitäten von Karachi und Cambridge studierte, dabei sicher
eine „Rolle in Großbritannien“ behalten wollen – in welcher Form auch immer. Der Rücktritt
in Rochester ist für den 1. September terminiert.
In seinen 15 Jahren als Bischof
dort hat Nazir-Ali immer wieder vor einer „Säkularisierungs-Agenda“ im Westen gewarnt:
„Krankenschwestern dürfen nicht beten, das Credo darf bei christlichen Feiern nicht
gebetet werden, um keinen Nicht-Christen zu verletzen, christliche Adoptions-Agenturen
bekommen kein Geld mehr vom Staat, weil sie glauben, dass Kinder am besten mit einem
Vater und einer Mutter aufwachsen...“ Seine deutlichen Worte gegen Homo-Ehe oder Multikulti
gelten nicht nur der Gesellschaft, sondern auch seiner anglikanischen Kirche. Sie
brachten ihn dort vor allem in Opposition zu Primas Williams und zu allen, die liberale
Öffnungen für Homosexuelle und Frauen in der anglikanischen Weltgemeinschaft vorantreiben.
Im letzten Sommer nahm Nazir-Ali in Jerusalem an einem inner-anglikanischen Dissidententreffen
teil; doch nach Angaben der „Sunday Times“ bemüht er sich nicht um die Führerschaft
des konservativen Flügels in seiner Kirche.
Erzbischof Rowan Williams bedauert
den Rücktritt Nazir-Alis in Rochester: „Das wird eine echte Lücke in den Reihen der
englischen Bischöfe zurücklassen. Seine theologische Kompetenz, internationale Erfahrung
und die Klarheit seines Denkens und Redens haben ihn zu einem wirklich wertvollen
Kollegen gemacht.“ Nazir-Alis Dienst habe nicht nur der anglikanischen Kirche, sondern
auch der Gesellschaft im Ganzen gegolten. Das wird allerdings wohl auch in Zukunft
so sein. Williams verspricht seinem bisherigen Amtsbruder „Gebet und Unterstützung“
bei seiner neuen „und sehr herausfordernden Aufgabe“.