In der britischen
Hauptstadt London ringen in den nächsten Stunden die politischen Führer von zwanzig
Staaten um die Zukunft der Weltwirtschaft und des internationalen Finanzsystems. An
einer großen Demonstration vor Beginn des G-20-Gipfels beteiligen sich auch viele
kirchliche Gruppen. In vielen Ländern Europas reißen derweil die Hiobsbotschaften
nicht ab: In Deutschland etwa, dem Land der sozialen Marktwirtschaft, brechen im Maschinenbau
die Aufträge dramatisch ein, und die Frühjahrs-Erholung auf dem Arbeitsmarkt bleibt
nach den neuesten Zahlen aus.
Erzbischof Reinhard Marx von München ist christlicher
Sozialwissenschaftler und hat unter anderem – wie einst Karl Marx – einen Bestseller
geschrieben mit dem Titel „Das Kapital“. Er sagte vor kurzem mit Blick auf die derzeitige
Krise:
„Die soziale Marktwirtschaft ist, wenn sie gut läuft, langfristig für
alle von Vorteil, aber kurzfristig für einzelne auch mit Zusammenbrüchen und Risiken
behaftet. Das wäre sonst eine staatlich geplante Wirtschaft. Was die Kirche tun kann
und muss, ist, auf der Seite derer stehen, die die Hauptlasten zu tragen haben – und
das sind die Arbeitnehmer.“
Auf der Seite der Schwachen zu stehen – das sei
das eine. Nicht so zu tun, als habe man Patentlösungen für alles – das sei das andere.
„Natürlich
muss man sich als Pfarrer bei Demonstrationen sehen lassen, wenn Menschen Angst haben
um ihre Arbeitsplätze... ohne zu sagen: So und so muss das jetzt erfolgen. Aber dass
die Leute ihre Sorgen artikulieren, dass sie sich auch deutlich zu Wort melden, dass
diese Risiken nicht nur sie alleine zu tragen haben, sondern dass das eine Aufgabe
für die ganze Gesellschaft ist... Bei solchen Strukturkrisen kann ich nicht einfach
sagen: Naja, das müssen die Arbeitnehmer alleine ausbaden. Das ist nicht die soziale
Marktwirtschaft!“
Natürlich könne der Staat auch nicht einfach alles subventionieren
und künstlich am Leben erhalten, so der Erzbischof. Die Wirtschaft sei letztlich ein
„kompliziertes Ineinander“.
„Wir haben deswegen Ja gesagt zu diesem anstrengenden
System der Marktwirtschaft, wo immer wieder Wettbewerb ist, Aufbruch und Zusammenbruch,
weil wir die Risiken gemeinsam tragen wollen – etwa dadurch, dass wir durch die Arbeitslosenversicherung
sagen: Wir tragen das alle solidarisch mit, wenn jemand irgendwo in eine solche Situation
hineinkommt. Und wir wollen alle miteinander Sorge tragen, dass wieder eine Chance
da ist. Wie hat Ludwig Erhard gesagt? „Wohlstand für alle“? Wagt man schon gar nicht
mehr zu sagen... Chancen für alle! Das wäre unser Ziel. Keiner ist überflüssig!“