2009-03-31 17:06:35

Radio-Exerzitien 8


Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. (rv)

Für Mittwoch in der 5. Fastenwoche (01.04.)

Liebe Hörerinnen und Hörer!

Wir schreiten voran in den Radio-Exerzitien. Der Ring der wütenden Ablehnung, der um Jesus gezogen ist, wird immer enger. Wir können es miterleben, wenn wir uns im Geiste nach Jerusalem begeben und uns mit dem heutigen Evangelium (Jo 8,31-42) in die Hörerschaft Jesu einreihen. Die Spannung ist beim Siedepunkt angelangt. Beinahe hätte man Jesus gesteinigt. Was ist geschehen?

Es ist ein Satz Jesu, der die Gemüter zum Kochen bringt. Der Satz lautet: Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, würdet ihr so handeln wie Abraham. Jetzt aber wollt ihr mich töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit verkündet hat, die Wahrheit, die ich von Gott gehört habe. So hat Abraham nicht gehandelt. Ihr vollbringt die Werke eures Vaters (Jo 8,39-41a). Mit diesem Vater meint Jesus niemand anderen als den Teufel. Er ist es, der systematisch zu verhindern sucht, dass Jesus verstanden wird.

Dabei fing alles ziemlich harmlos an. Die Leute, mit denen Jesus redet, sind Juden, die schon an ihn glauben. Doch scheint ihr Glaube noch ein zartes Pflänzchen zu sein. Um in die richtige Richtung zu wachsen, muss eine Frage beantwortet werden, die für einen Juden fundamental ist: Was folgt aus der Tatsache, dass sie Nachkommen Abrahams sind, dass also Abrahams Blut in ihren Adern fließt? Folgt daraus die Garantie einer Vorzugsbehandlung beim Jüngsten Gericht? Haben sie aufgrund ihres „Abraham-Adels“ ein Privileg für die ersten Plätze im Reiche Gottes? Viele sind davon überzeugt. „Ja“, würden sie sagen, „Gott hat in Abraham auch uns erwählt, wir nehmen teil an der Heiligkeit unserem Stammvaters, und so, wie Gott treu ist zu Abraham, ist er auch dessen Nachwuchs treu. Ja, wir haben ein Privileg, aber dass wir es haben, ist natürlich Gnade.“

Jesus bestreitet nicht, dass die Erwählung Abrahams Gnade ist und dass die Nachkommen Abrahams an seiner Erwählung teilhaben. Aber er sagt: Nachkommen sind noch nicht automatisch echte Kinder. Wichtiger als Abrahams Blut in den Adern ist Abrahams Geist im Herzen. Wenn sie wirkliche Söhne und Töchter Abrahams wären, so Jesus, würden sie auch handeln, wie er. Abraham wäre zum Beispiel nie auf den Gedanken gekommen, ihn zu töten. Schon deswegen nicht, weil er ein Gerechter war, erfüllt von Gottesfurcht, der noch vor Mose die Zehn Geboten vorweg vollkommen erfüllte.

Aber nicht nur das, Abraham hätte in seiner Frömmigkeit auch erkannt, wer Jesus in Wahrheit ist. Er hätte denen, die Jesus ans Leben wollen, Einhalt geboten. Er hätte gewusst, dass auch Jesus sein Kind ist, nicht nur dem Blute nach, sondern dem Herzen nach. Und noch viel mehr: Er hätte gespürt, dass dieser Jesus Gott näher steht als er. Dem Abraham wäre klar gewesen, dass Jesus der wahre Sohn Gottes ist und tut, was er den Vater tun sieht. Von Jesus hätte sich Abraham etwas sagen lassen.

Abraham hätte auch verstanden, warum die Blutsverwandtschaft nicht automatisch das Heil garantiert. Die Dimensionen des Unheils sind einfach zu groß sind, als dass ein Mensch sich daraus retten könnte. Aber nicht nur das, auch der Gehorsam gegen die Gebote würde nicht genügen. Denn die Gebote vergeben nicht die Schuld, die sich zudem immer noch anhäuft allüberall. Es muss schon einer kommen, der aus Gott selbst stammt, nicht aus dem Samen eines irdischen Stammvaters, um die Menschen aus der Gefangenschaft der Sünde in die Freiheit der Kinder Gottes zu bringen.

Das hätte ihnen Abraham, auf den sie so stolz sind, gesagt. Aber hätten sie auf ihn gehört? Ich nehme an, nein. Ihr Herz war mehr beim Privileg des richtigen Blutes als bei der Gnade des guten Hirten, der auch noch dem verlorensten Schaf nachgeht, um es zu retten. Wie konnte es geschehen, dass sie so abgelenkt waren und Gott, ihren Gott, nicht verstanden? Das war möglich, weil sie mit ihren Herzen nicht bei Abraham, ihrem Vater, waren. Sie hatten ihr Herz einem anderen Vater geöffnet, einem falschen Vater, der sie auf Abwege brachte. Sie hörten nicht mehr auf die Stimme des guten Hirten. So ging ihnen verloren, dass sie Freie waren, und sie wurden wieder Sklaven, Sklaven der Sünde, bedürftig einer neuen Befreiung.

Kein Wunder, dass Jesus mit seinen Worten die Heilsgewissheit seiner jüdischen Mitmenschen erschütterte. Er musste sie erschüttern, weil er falsche Vorstellungen über die wahre Vaterschaft und die wahre Sohnschaft nicht dulden konnte. Das wäre Verrat an Gott gewesen; dann hätte er die Gnade Gottes kleiner gemacht als sie ist.

Bei diesen Gedanken möchte ich es jetzt bewenden lassen. Aber ich lade Sie wieder dazu ein, nach der Sendung zu geeigneter Zeit das Evangelium selbst zu lesen, sich vorzulesen, langsam, so dass Sie über die Worte nachsinnen können. Versuchen Sie beim Lesen, sich in die Redenden hineinzudenken und stellen Sie sich dabei vor, wie das klingt, was Sie sagen. So kommen Sie schnell in das Geschehen hinein, auch mit dem Herzen.

Zugleich bitte ich Sie, darauf zu achten, dass das Denken und Reflektieren ins Beten einmündet. Wir sollten nicht nur über die Personen nachdenken, die uns im Text begegnet sind, sondern das innere Gespräch mit Gott über sie oder mit ihnen suchen. Das ist der Sinn der Kolloquien.

Ich würde mich zuerst an den himmlischen Vater wenden, und zwar mit dem Vaterunser. Dabei ist mir bewusst, dass ich es Jesus nachspreche. Und indem ich es andächtig zu sprechen versuche, würde ich mir vorstellen, dass Abraham es mitbetet. Ich hätte auch den lebhaften Wunsch, dass die Nachkommen Abrahams in dieses Gebet einstimmten, dass sie dieses Gebet von Jesus, der ja ein wahrer Sohn Abrahams ist, annähmen.

Mit Abraham selbst würde ich Kontakt aufnehmen. Das dürfte nicht schwer sein, denn er ist ja bei Gott. Ich würde ihn nach dem Ereignis auf dem Berg Moria fragen, wo er Gott seinen Sohn Isaak opfern sollte, was aber dann von eben diesem Gott verhindert wurde. „Hat dich das Ganze nicht seltsam berührt, Abraham?“ „Seltsam?“ würde er vielleicht sagen, „Es war nicht seltsam, es war eine Zumutung. Ich war verzweifelt. Ich fand Gott widersprüchlich. Mein Sohn Isaak war die verheißene Zukunft, und den sollte ich opfern. Es kam dann ja anders. Und das war für mich die entscheidende Offenbarung: Ich erkannte, dass Gott noch immer Leben schafft. Ich habe es selbst erlebt, wie er handelt zugunsten des Lebens. Deshalb verstehe ich auch Jesus. Ich sehe, wie er zugunsten des Lebens handelt und dass er darin mit Gott völlig übereinstimmt. Ich bin froh, dass ich in ihm die göttliche Gnade erkennen darf, die sich auf alle Menschen erstreckt. Denn alle Menschen sollen leben dürfen. Niemand soll enden in der Hoffnungslosigkeit der Sünde und des Todes. Und schau: das ist ja das Schöne: ich darf mit dem armen Lazarus an meiner rechten Seite beim himmlischen Gastmahl sein, und vor allem: wir beide liegen bei diesem Mahl an der Seite Jesu, des Gastgebers, und dieser Gastgeber möchte alle Menschen bei seinem Gastsmahl sehen. Auch der reiche Prasser, wie ihr ihn nennt, hat da noch eine Chance, dessen bin ich mir sicher.“ So stelle ich mir vor, könnte ein Gespräch mit Abraham verlaufen.

Mich würde auch interessieren, was Paulus zu diesem Thema denkt. Er gibt mir zu verstehen, dass ich seine Meinung in den Briefen an die Römer und an die Galater finde. Ich solle mir etwas Zeit nehmen, darin zu lesen. Ich lasse mich darauf ein und finde das Folgende im Galaterbrief; es sind starke Worte: Von Abraham wird gesagt: Er glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Daran erkennt ihr, dass nur die, die glauben, Abrahams Söhne sind... Alle aber, die nach dem Gesetz leben, stehen unter dem Fluch. Denn in der Schrift heißt es: Verflucht ist jeder, der sich nicht an alles hält, was zu tun das Buch des Gesetzes vorschreibt... Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes freigekauft, indem er für uns zum Fluch geworden ist; denn es steht in der Schrift: Verflucht ist jeder, der am Pfahl hängt... Ja, Paulus, das sind starke Worte, vor allem, wenn ich bedenke, dass du selbst auch zu denen gehört hast, die Jesus an den Pfahl des Kreuzes bringen wollten. (P. Wendelin Köster SJ)







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