2009-03-24 13:34:46

Radio-Exerzitien 6


Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. (rv)

Für Mittwoch in der 4. Fastenwoche (25.03.)

Liebe Hörerinnen und Hörer!

In den Radio-Exerzitien sind wir nun in der Mitte der vierten Woche der Fastenzeit angekommen. Der Strudel, der Jesus in den Tod reißen wird, nimmt immer bedrohlichere Formen an. Die tödliche Dynamik nährt sich aus einer Rede, in der Jesus eine Heilung rechtfertigt. Davon berichtet der Evangelist Johannes im Evangelium des heutigen Tages.

Die Heilung als solche ist nicht das Problem. Aber Jesus hat sie an einem Sabbat gewirkt. Und auch das wäre noch irgendwie durch ein Bußgeld zu begradigen gewesen – falls er sich einsichtig gezeigt hätte. Aber was tut Jesus? Er rechtfertigt sich und beruft sich dazu auf seinen himmlischen Vater: Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk (Jo 5,17).
 
Ein gebildeter und nachdenklicher Jude der damaligen Zeit wäre kaum darüber gestolpert, dass Gott am Sabbat nicht ruht, sondern wirkt. Gott als Schöpfer ruht, aber Gott als Erhalter der Schöpfung und Gott als Lenker und Richter der Geschichte wirkt. Dass aber Jesus sich mit diesem Gott gleich setzt, indem er ihn seinen Vater nennt, das ist die Ungeheuerlichkeit. Darum waren die Juden noch mehr darauf aus, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen Vater nannte und sich damit Gott gleichstellte (Jo 5,18). Das bringt das Fass zum Überlaufen.

Jesus bekräftigt seine Aussage durch ein dreimaliges Amen, amen, ich sage euch. Das Amen ist eine geläufige Zustimmungsformel. Wer Amen sagt, bekräftigt ein Versprechen, eine Bitte, ein Urteil, ein Lob. Das gilt auch in Beziehung auf Gott. Das Gotteslob auf der Erde und im Himmel mündet in einer feierlichen Bekräftigung, in einem großen Amen. Dieses Amen, so dürfen wir es uns vorstellen, erklingt im Himmel als eine gewaltige Harmonie, auf der Erde dagegen hört es sich an wie gesungen von einem Chor, der noch probt. Das Amen, das Jesus an dieser Stelle spricht, klingt wie eine Garantie: Was ich sage, stimmt, ich verbürge mich mit meinem Leben für die Wahrheit meiner Worte. Im letzten Buch der Bibel, der Geheimen Offenbarung, gibt es sogar eine Stelle, wo Jesus Christus selbst das Amen genannt wird, der treue und zuverlässige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes (Offb 3,14).

Betrachten wir nun die drei Bekräftigungen. Die erste lautet: Amen, amen, ich sage euch: der Sohn kann nichts von sich aus tun, nur wenn er den Vater etwas tun sieht (Jo 5,19a). Die Harmonie zwischen Vater und Sohn ist hundertprozentig. Das liegt vor allem daran, dass der Vater dem Sohn – salopp gesprochen – sein Know how beibringt. Um was aber geht es dem Vater? Es geht ihm um die Erweckung der Toten und um das Gericht. Das lernt der Sohn beim Vater und kann dann in der Vollmacht des Vaters unter den Menschen wirken. Deshalb gebührt ihm dieselbe Anerkennung wie dem Vater.

Die zweite Bekräftigung lautet: Amen, amen, das sage ich euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht und ist vom Tod ins Leben hinübergegangen (Jo 5,24). Wer glaubt, tritt also in die Beziehung ein, die zwischen dem Vater und dem Sohn besteht. Er nimmt teil an ihrer göttlichen Gegenseitigkeit. Dem Gericht ist er damit enthoben, und wenn er stirbt, wird ihm das Leben nicht genommen, sondern gewandelt.

Die dritte Bekräftigung lautet: Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben (Jo5,25). Es handelt sich um die Stunde, in der das Wort Gottes durchdringt bis in das Reich des Todes. Es gibt keine Taubheit, die so taub ist, dass sie die Stimme des Sohnes Gottes nicht hört. Es ist die Stimme, die zum Leben erweckt.

Zu der Stunde gehört aber auch, dass sich parallel zu dem sieghaften Amen, amen, ich sage euch das Unheil über Jesus weiter zusammenzieht. Er ergreift keine wirksamen Maßnahmen dagegen. Er lässt das Böse wachsen – bis zu seinem vermeintlichen Sieg. Erst da schlägt die Stunde der endgültigen Niederlage des Bösen. Das Wirken des dreieinigen Gottes besteht also darin, das Leben des sterblichen Menschen, das vom Bösen in Tod und Verwesung verwandelt wird, zurückzuverwandeln in Leben, jetzt aber in unsterbliches Leben.

Ich schlage Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, nun vor, das ganze 5. Kapitel des Johannesevangeliums zu lesen, langsam und hörbar, wenigstens für Ihre eigenen Ohren. Diese Art zu lesen fördert die Ehrfurcht und bewahrt uns davor, mit der Analyse eines interessanten Textes zufrieden zu sein. Je mehr wir uns persönlich angesprochen fühlen, desto weniger bleiben wir mit dem Herzen auf Distanz, desto mehr gelingt es uns zu beten.

In der Weise des Betens, die wir Kolloquium nennen, wende ich mich zunächst wieder an Paulus. Er greif die Gedanken auf, die ich mir zu der Bedeutung des Wortes Amen gemacht habe, und erinnert mich an eine Passage in seinem zweiten Brief an die Korinther. Schmunzelnd, so scheint mir, sagt er: „Der missionarische Alltag war manchmal unberechenbar. Ich musste meine Reisepläne ändern, und das nahmen mir die Korinther übel, die mit meinem Besuch rechneten. Sie reagierten verärgert und sagten: ‚Er kann wohl nicht zuverlässig planen. Sein Ja ist wohl gleichzeitig ein Nein.’ Meine Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel, und so machte ich eine Gewissenserforschung. Ich wollte nicht abdriften in eine kleinliche Rechthaberei. Das hätte meiner Verkündigung geschadet. Am Ende erkannte ich aber, was ich zu meiner Verteidigung guten Gewissens vorbringen konnte. So schrieb ich ihnen: Gott ist treu, er bürgt dafür, dass unser Wort euch gegenüber nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn Gottes Sohn Jesus Christus, der euch durch uns verkündigt wurde...., ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen; in ihm ist das Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Darum rufen wir durch ihn zu Gottes Lobpreis auch das Amen (2 Kor 1,18-20).

Bei dem letzten Satz fallen mir die vielen Amen ein, die ich schon gesagt, mitgesprochen und mitgesungen habe, für mich allein beim persönlichen Beten und beim Gottesdienst in der Kirche. Ich sollte genauer darauf achten, dass ich es wirklich so sage, wie es gemeint ist, nämlich als Zustimmung und Bejahung. Ich sollte dem Amen mehr Stimme geben und es nicht wie beiläufig murmeln.
Mir fällt ein, dass es in der heiligen Messe ein feierliches Amen gibt, durch das die ganze Versammlung das Hochgebet bekräftigt. Dieses Gebet, das der Priester spricht, ist an den himmlischen Vater gerichtet. Es wird aber dem Vater überbracht durch einen Boten. Der Bote ist sein Sohn Jesus Christus. Diese ganze Kommunikation geschieht im Heiligen Geist. Das spiegelt sich in der Formel wider, in der das Hochgebet ausklingt. Am Schluss des zweiten Hochgebets heißt es: Vater, erbarme dich über uns alle.. und etwas später: dass wir dich loben und preisen durch deinen Sohn Jesus Christus. Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit. Und dann kommt das Amen, die gemeinsame Bekräftigung.

Wenn ich mich in meinem persönlichen Beten Gott dem Vater zuwenden will, versuche ich nicht, ihn mir vorzustellen. Es genügt mir, dass Jesus gesagt hat: Wer mich sieht, sieht den Vater. Das ist mir wichtig, wenn ich das Vaterunser bete. Ich bete es sozusagen im Beisein Jesu und damit an Quelle dieses Gebetes. Die Quelle ist das Zusammenwirken von Vater und Sohn im Heiligen Geist zu unserem Heil. Alle, die diese Worte andächtig mitbeten, werden die liebende Zuwendung Gottes erfahren. (P. Wendelin Köster SJ)








All the contents on this site are copyrighted ©.