D: Soziale Bindungen als Prävention gegen Amokläufe
Warum? Nach dem Amoklauf
eines 17-jährigen Jugendlichen an einer baden-württembergischen Realschule in Winnenden
bewegt die Frage nach den Ursachen Angehörige wie Politiker und Psychologen. Am Mittwochmorgen
hatte Tim K. an seiner ehemaligen Schule und bei seiner anschließenden Flucht 15 Menschen
erschossen. In einem Schusswechsel mit der Polizei richtete er sich danach selbst.
- Verschärfte Waffengesetze, das Verbot von gewalttätigen Videospielen und mehr psychologische
Betreuung für Schüler sind Forderungen, die nach der Tat laut werden. Wie schon bei
ähnlichen Amokläufen von Schülern im US-amerikanischen Columbine 1999 oder am Erfurter
Johannes-Gutenberg-Gymnasium vor sieben Jahren, stellt sich auch im Fall Winnenden
die Frage: Wie hätte eine solche Bluttat verhindert werden können? Anne Preckel berichtet:
Ein
neues Nachdenken über Gewalt sei nach so einem Fall notwendig, meint der Vorsitzende
der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch. Gerade die Jugendlichen müssten
einbezogen werden.
„Dass so etwas geschehen konnte, ist logisch nicht zu
begreifen. Wir sehen in Menschen nicht hinein und verstehen nicht, warum sich jemand
auf so etwas eingelassen hat. Wir sollten gerade im Gespräch mit jungen Leuten darauf
achten, dass so etwas aufgearbeitet wird. Wenn es zu einer neuen Nachdenklichkeit
führt – wie wir Probleme lösen, wie wir mit Menschen umgehen, die innerlich völlig
zerrissen sind, keinen Lebenssinn sehen oder Rachegefühle haben – dann wäre das eine
der Konsequenzen, die wir daraus ziehen sollten.“
Columbine, Erfurt oder
Winnenden – das Muster der Amokläufe ist ähnlich. Oft sind es junge Männer mit Vorlieben
für Waffen und Gewaltfantasien, die irgendwann zur Tat schreiten. Dass jeder Amoklauf
eine Vorgeschichte hat, unterstreicht der Schulpsychologe Dr. Christian Lüdke im Interview
mit Domradio Köln:
„Man wird nicht über Nacht zum Amokläufer. Eine solche
Tat wird über viele Wochen, Monate, manchmal Jahre geplant.“
Doch wie
lässt sich dann ein möglicher Amoklauf schon im Voraus erkennen? Als Anzeichen für
einen möglichen Amoklauf nennt Lüdke:
„Es gibt Verhaltensänderungen, die
man erkennen kann. Wenn jemand sehr aggressiv ist, wenn jemand häufiger über Waffengewaltverherrlichung
spricht, möglicherweise über das Thema Tod auch oder den Hass auf die Menschen immer
wieder zum Ausdruck bringt. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler da ein komisches
Bauchgefühl hat, dann sollte er sich dem Lehrer oder der Lehrerin anvertrauen oder
den Eltern, ohne Angst haben zu müssen, dass sie eine Petze sind.“
Die
Änderung von Waffengesetzen oder auch der diskutierte Einsatz von mehr Schulpsychologen
an Schulen seien nicht ausreichend, meint Lüdke. Die beste Gewaltprävention sei vielmehr
die Verbesserung menschlicher Beziehungen – unter Schülern, Lehrern und Eltern:
„Man
sollte sich mehr auf die Ursachen konzentrieren: Langfristig kann man Amokläufe nur
dann verhindern, wenn man frühzeitig in Bildung investiert, wenn man die Qualität
der Beziehungen innerhalb von Schulen, Kindergärten, der Familien verbessert. Und
dann ist es wichtig, Kindern möglichst früh beizubringen, mit Enttäuschungen umzugehen,
weil das eine der wichtigsten Eigenschaften ist, um dann mit Konflikten umzugehen.“
Mehr Bildung im Umgang mit Konflikten und mehr soziale Bindungen – damit
es nicht noch einmal so weit kommt.