2009-03-10 10:53:19

Radio-Exerzitien 4


Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. (rv)

Für Mittwoch in der 2. Fastenwoche (11.03.)

Liebe Hörerinnen und Hörer!

Heute halten wir die vierte Betrachtung der diesjährigen Radio-Exerzitien, in denen wir den Herrn auf seinem Leidensweg bis zu seinem Tod am Kreuz nachdenkend und betend begleiten.
Diesmal empfangen wir vom Evangelisten Matthäus den Text, der ein Licht auf die konkreten Umstände wirft. Es ist die dritte Ankündigung Jesu, dass er leiden und sterben werde. Doch gibt er auch einen Ausblick auf seine Auferstehung. Dann jedoch folgt eine entlarvende Geschichte: Die Mutter der beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, fällt vor Jesus auf die Knie und sagt: Versprich, dass meine beiden Söhne in deinem Reich rechts und links neben dir sitzen dürfen. Die beiden Söhne sind uns schon begegnet, nämlich bei der Betrachtung über die Verklärung Jesu. Sie waren zusammen mit Petrus eigens von Jesus ausgesucht worden, um mit ihm auf den Berg zu gehen.

Es könnte gut sein, dass ihnen das Licht-Erlebnis auf dem Berg zu Kopfe gestiegen ist. Dort haben sie etwas von der Herrlichkeit Jesu gesehen und wollen nun an diesem Glanz teilhaben. Irgendwie sind sie noch geblendet. Dass der irdische Weg Jesu nach Jerusalem führt und in den todbringenden Händen der religiösen und weltlichen Führer des Volkes und der heidnischen Besatzungsmacht enden wird, das haben sie ausgeblendet. Und nun haben sie ihre Mutter eingespannt, um die beiden höchstrangigen Plätze an der Seite Jesu, des Königs im Gottesreich, zu erhalten.

Aus der Distanz des Zuschauers, der außerdem die Geschichte schon kennt, haben wir leicht kopfschütteln. Aber wir sollten nicht übersehen, dass auch wir in uns eine Tendenz haben, auf die sichere und glanzvolle Seite zu springen, wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt. Sich freiwillig einem Risiko auszusetzen, sogar einem lebensbedrohenden Risiko, das fällt uns schwer. Der Platz an der Sonne ist uns lieber.

Die Reaktion Jesu auf die Bitte der Mutter fällt verhältnismäßig milde aus; keine Spur von der Schärfe wie bei der Zurechtweisung des Petrus. Jesus antwortet mit einer Feststellung und einer Gegenfrage: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Und sie sagen: Wir können es. Vielleicht schaut Jesus die beiden in diesem Augenblick skeptisch an und wundert sich über soviel Wagemut. Aber vielleicht betet er auch still, dass der Vater im Himmel ihren Worten die entsprechenden Taten folgen lassen möge. Dann sagt er ihnen eine harte Wahrheit: Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat. Sie sind also, was ihre glorreiche Zukunft betrifft, bei Jesus an der falschen Adresse. Denn die Zukunft der einzelnen Menschen und der gesamten Menschheit wird vom göttlichen Vater garantiert; von ihm geht alles Sein und Leben aus; er hat seinen Sohn gesandt als Offenbarer und Garanten seines Willens. Hoffentlich fällt den beiden Jüngern jetzt wieder ein, was die Stimme aus der Wolke rief: Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören! Hoffentlich hören sie auf ihn und folgen ihm weiterhin.
Zwar reagiert Jesus milde auf das Ansuchen der Mutter für ihre beiden Söhne, aber die anderen Jünger nehmen die Sache nicht so gelassen. Sie regen sich gewaltig auf, als sie hören, was ihre beiden Kollegen vorhatten. Die Stimmung bei ihnen wird als sehr ärgerlich bezeichnet. Der Frieden ist erheblich gestört. Wir dürfen allerdings davon ausgehen, dass die anderen nicht unbedingt ein reines Gewissen haben. Wahrscheinlich ist es eher so, dass auch sie sich Hoffnung machten auf einen Ehrenplatz an der Seite des Messias. Jetzt ärgern sie sich nur, dass die beiden anderen schneller am Drücker waren als sie.

Was sich hier abspielt, ist nicht nur ein peinlicher Zwischenfall in einer Kleingruppe, sondern diese Kleingruppe selbst bildet ab, worunter die Menschen im allgemeinen leiden: Neid und Eifersucht. Es braucht nur einen kleinen Anstoß, und schon löst sich die Harmonie auf und es beginnt ein Kampf jedes gegen jeden. Es ist die Veranschaulichung eines Unheils, das seit Menschengedenken die Erde überzieht und Menschen zu Feinden macht, oft mit tödlichem Ausgang. Zwar erleben wir immer wieder Bekehrungen zum Frieden; immer wieder treten Friedensstifter auf den Plan - mit vorübergehendem Erfolg. Vorübergehend deshalb, weil wir immer wieder die Rückfälle erleben. Neue Kämpfe brechen aus. Alte Feindschaften regen sich wieder. Der Mensch bleibt Opfer des Menschen. Ecce homo! Das alles spielt sich auch m Kreis der Jünger ab. Er besteht eben auch aus Menschen, die von der Sünde verformt sind.

Der ausbrechende Ärger der Jünger ruft Jesus auf den Plan. Er holt die Zwölf zusammen und gibt ihnen eine Belehrung. Er legt den Finger in die Wunde. Die Wunde ist das Machtstreben um der Macht willen und der Machtmissbrauch. Was immer die Herrscher der Völker und die Mächtigen sich gegenüber ihren Untertanen leisten: Bei euch soll es nicht so sein. Bei denen, die auf Jesus hören und ihm folgen, soll ein anderes Grundgesetz gelten: Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Mit anderen Worten: „Ihr dürft niemanden zu euren Untertanen machen. Ihr sollt niemandem einen Platz anweisen. Denn meine Jünger sind keine Platzanweiser. Ihr sollt aber auch niemals einen Platz beanspruchen, der euch über andere stellt. Der, welcher euch in seine Nachfolge gerufen habt, der Menschensohn, ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen UND SEIN LEBEN HINZUGEBEN ALS LÖSEGELD FÜR VIELE (Mt 20,28).“ Damit will Jesus sagen: „Der Sinn meines ganzen Lebens ist die Herauslösung der Menschen aus den Folgen des Missbrauchs der Macht, aus der Verstrickung in die Gewalttätigkeit. Ich setze für die Befreiung der Menschen aus dieser Sklaverei mein Leben ein. Wortreiche Beteuerung der Friedensliebe und kluge Ratschläge genügen nicht. Wenn ihr mir nachfolgen wollt, müsst ihr so handeln wie ich. Und seid sicher: ihr bezahlt mit eurem Leben. Das möchte ich euch klarmachen, damit ihr keine Illusionen habt. Ich sage euch aber auch: Habt keine Angst! Denn alle Formen der Herrschaft von Menschen über Menschen sind auslaufende Modelle, auch wenn es so aussieht, als hätten sie auf ewig Bestand.

Zum Zwiegespräch würde ich zuerst den heiligen Paulus aufsuchen. Ich würde ihn auf eine Passage im ersten Korintherbrief ansprechen, nämlich wo er Stellung nimmt zu einer Parteienbildung unter den Christen dieser Metropole. Paulus reagiert wie die Feuerwehr auf einen ausbrechenden Waldbrand. Ich spüre, dass Paulus mich zustimmend anblickt und noch einmal nachdenklich wiederholt, was er damals geschrieben hat: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung (1,10b). Die Juden fordern - Zeichen, die Griechen suchen - Weisheit. Wir dagegen verkünden - Christus als den Gekreuzigten (1,22.23a). Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen, .... damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott (1,27.29). Ja, das habe ich, wie du und ihr es alle wisst, nicht von Anfang so klar gesehen. Aber meine Bekehrung hat bewirkt, dass ich seitdem entschlossen war und bin, nichts mehr zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten (2,2).

Ich wende mich im Geist an Jesus. Er errät, dass mich noch immer die Bitte der Mutter mit ihren beiden Apostelsöhnen beschäftigt. „Was war eigentlich der tiefere Grund, weshalb du nicht positiver auf ihre Bereitschaft reagiert hast, deinen Kelch zu trinken.“ Darauf scheint er mir zu antworten: „Ich habe ihre Bereitschaft anerkannt und auch in Anspruch genommen. Nur auf die Zuweisung der Plätze habe ich mich nicht eingelassen. Warum nicht? Weil es mir und meinem Vater bei der Errichtung des Reiches Gottes um das Heil der Menschen geht und nicht um unsere eigene Ehre. Bei denen, die ich zur Mitwirkung berufe, soll es genauso sein: Sie sollen das Heil der Menschen im Sinn haben, nicht ihre eigene Ehre.“ „Ja“, würde ich sagen, „ich habe ansatzweise begriffen, dass sich der Dienst bei dir und auf deine Weise nicht rechnet. Aber ich brauche deine beständige Hilfe, um das zu beherzigen.“ (P. Wendelin Köster SJ)







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