Die deutschen Bischöfe distanzieren sich deutlich von der traditionalistischen Pius-Bruderschaft.
In einer Erklärung zum Abschluß ihrer Vollversammlung in Hamburg kritisieren sie auch
Kommunikationspannen im Vatikan; gleichzeitig aber nehmen sie den Papst gegen Kritik
in Schutz. Die gemeinsame Erklärung der Bischöfe beklagt, dass der Streit um die Priesterbruderschaft
zu einer Verunsicherung bei den Gemeinden geführt habe. Sie sehen den Konflikt aber
zugleich als Chance, das Zweite Vatikanische Konzil neu ins Bewusstsein der Katholiken
zu bringen und daraus eine neue Dynamik für die Kirche entstehen zu lassen. Die Bischöfe
betonen, dass die Pius-Bruderschaft die Beschlüsse des Konzils ohne Abstriche anerkennen
müsse. Die Gruppe stehe nicht in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. Es sei
Sache der Bruderschaft, die Kirchenspaltung zu überwinden. Derzeit spreche vieles
gegen eine Wiederherstellung der Einheit. Die Querelen um die Pius-Brüder waren
ein zentraler Tagesordnungspunkt in den Debatten in Hamburg. Hinter verschlossenen
Türen hatten die Bischöfe lange um Inhalte und Form der Erklärung gerungen. Zunächst
war auch ein gemeinsamer Brief an die Gemeinden in der Diskussion - eine nur in seltenen
Ausnahmefällen gewählte Maßnahme. Umstritten war auch, inwieweit die Bischöfe Kritik
an der Arbeitsweise im Vatikan äußern sollten. Wir dokumentieren hier die Erklärung
der deutschen Bischöfe im vollen Wortlaut. „Die Aufhebung der Exkommunikation,
mit der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. seit zwanzig Jahren belegt
waren, hat in Deutschland und weltweit innerhalb und außerhalb der Kirche zahlreiche
Reaktionen ausgelöst, über die wir während der Frühjahrs-Vollversammlung 2009 ausführlich
beraten konnten. Dabei haben sich einige Überzeugungen gefestigt, denen wir besondere
Bedeutung beimessen. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat sich selbst
von der katholischen Kirche abgespalten. Es ist Bischöfen und Priestern, die der Bruderschaft
angehören, auch nach der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe nicht gestattet,
die Heilige Messe zu feiern oder andere Sakramente zu spenden. In besonderer Weise
verstoßen die für dieses Jahr angekündigten Heiligen Weihen der Priesterbruderschaft
gravierend gegen die Ordnung und das Recht der Kirche. Wir werden den Apostolischen
Stuhl um eine baldige Erklärung bitten, welche rechtlichen Folgen ein Bischof auf
sich zieht, der sie vornehmen würde. Die Verantwortlichen in der Kurie sollten darüber
hinaus rasch Verbesserungen im Bereich der internen Abstimmung und der Kommunikation
mit den Bischofskonferenzen herbeiführen. Dies gilt besonders für Konfliktsituationen.
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. befindet sich deshalb nicht in Gemeinschaft
mit der katholischen Kirche, weil sie sich außerhalb der katholischen Tradition gestellt
und die Einheit mit dem Papst aufgekündigt hat. Es liegt an der Priesterbruderschaft,
das Schisma zu überwinden und durch einen Prozess der Wiedereingliederung die Einheit
mit dem Papst und der Lehre der Kirche herzustellen. Der Heilige Vater Papst Benedikt
XVI. hat ihr dazu durch die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe als einer Geste
des Entgegenkommens die Hand gereicht. Es obliegt dem Apostolischen Stuhl zu klären,
ob die Priesterbruderschaft bereit ist, die Glaubensüberzeugung der ganzen Kirche
und besonders die Lehre der Päpste und Konzilien eindeutig zu bejahen und anzunehmen.
Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils gehören unaufgebbar zur katholischen
Tradition, nicht zuletzt die Texte über die Religionsfreiheit und die Beziehungen
zu den nichtchristlichen Religionen, über den Ökumenismus und über die Kirche in der
Welt von heute sowie die Aussagen über die Kollegialität der Bischöfe in ihrem Verhältnis
zur päpstlichen Autorität. Wir bedauern, dass in diesem Zusammenhang auch Unsicherheit
über den Weg der Kirche aufgekommen ist. Wir haben dies in Gesprächen und Zuschriften
erfahren. Viele Bischöfe haben sich dazu schon zu einem frühen Zeitpunkt klar geäußert.
Die theologischen und pastoralen Maßgaben vor allem des Zweiten Vatikanischen Konzils
sind die selbstverständliche Grundlage unseres Bemühens, die Kirche in Deutschland
geistlich zu erneuern und der Antwort des Glaubens auf die religiösen Fragen unserer
Zeit in Wort und Tat neue Kraft zu verleihen. Wir hoffen, dass die vergangenen Wochen
ein neues Interesse an der Dynamik und den Orientierungen des Zweiten Vatikanischen
Konzils geweckt haben. Diese Chance wollen wir nutzen. Besonders bedrückend sind
die Holocaust-Leugnung eines Bischofs der Priesterbruderschaft St. Pius X. und entsprechende
antisemitische Strömungen in der Priesterbruderschaft. Es fehlt bislang eine ernsthafte
Distanzierung der Betreffenden von solchen inakzeptablen Haltungen, wie sie der Apostolische
Stuhl schon früh gefordert hat. Papst Benedikt XVI. hat mehrfach unmissverständlich
zur Geltung gebracht, dass die katholische Kirche den Antijudaismus und Antisemitismus
verwirft. Wir freuen uns, dass der Heilige Vater auch in den zurückliegenden Wochen
den Dialog mit herausragenden jüdischen Vertretern fortsetzen konnte. In Deutschland
haben einige bedeutsame Begegnungen mit jüdischen Repräsentanten stattgefunden, in
denen es Gelegenheit gab, über Sorgen und Befürchtungen offen zu sprechen und die
wechselseitige Verbundenheit zu vertiefen. Wir sind dafür sehr dankbar und setzen
diese Bemühungen fort. Leider fielen in den letzten Wochen auch Äußerungen zu
den aktuellen Ereignissen, die die Zusammenhänge verzerrt und polemisch darstellten.
Auch im Innenraum der Kirche gab es Stimmen und Aktivitäten, die lieblos, extrem einseitig
oder gar herabsetzend waren und der Einheit geschadet haben. Wir beklagen diesen Stil
des Umgangs miteinander. Vor allem weisen wir jeden Versuch zurück, das Ansehen und
die Integrität des Papstes in Zweifel zu ziehen, die katholische Kirchenverfassung
zu negieren und spalterisch zu wirken.
Ob es eine volle Gemeinschaft der
Priesterbruderschaft St. Pius X. mit der katholischen Kirche geben wird, ist noch
nicht geklärt. Vieles scheint bis jetzt dagegen zu sprechen. Aber nicht diese Frage
kann uns vorwiegend bewegen, sondern die Sorge um die Stärkung und Erneuerung des
kirchlichen Lebens und um dessen Bezeugung im konkreten, vielgestaltigen Dienst. In
diesem Bemühen wirken wir mit den Priestern und Diakonen, den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern im kirchlichen Dienst und mit allen Gläubigen zusammen, die auf vielfache
Weise ihre Kraft und ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Die Kirche lebt aus diesem
Miteinander des Engagements und der Gaben, um der Sendung des österlichen Herrn zu
entsprechen. Ihm vertrauen wir uns einmütig an, um seinen Segen bitten wir.“