2009-03-04 16:24:13

D: Finanzkrise fordert Kirche als „global Player“


RealAudioMP3 Die deutschen Bischöfe haben vor kurzsichtigen Maßnahmen gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise gewarnt. Sie forderten an diesem Mittwoch bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Hamburg eine weltweite Stärkung der sozialen Marktwirtschaft und global gültige Regeln für Unternehmen und Finanzmärkte.
Bei allen Ausgaben müssten vor allem die Interessen der nächsten Generation im Blick sein, mahnte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch:
„Es ist einsichtig, dass um einer notwendigen konjunkturellen Stabilisierung willen eine langfristig wirksame Staatsverschuldung in Kauf genommen werden muss. Der Verzicht auf diese Maßnahmen hätte an anderer Stelle eine Verschärfung der Probleme zur Folge, die insbesondere die wirtschaftlich Schwächeren und Armen stark schädigen würde. Doch gleichzeitig ist immer zu bedenken, dass wir diese Staatsverschuldung den nächsten Generationen vererben.“
In einem Studienhalbtag beschäftigten sich die deutschen Bischöfe mit Ursachen und Folgen der weltweiten Krise sowie „spezifisch kirchlichen Äußerungen“ zum Thema. Im Gespräch mit Wirtschaftsexperten seien fundamentale und komplexe Fragen aufgekommen, „zu denen es keine einfachen Antworten“ gebe, so Zollitsch. Die Bischofskonferenz wolle nicht den Eindruck erwecken, fertige Lösungen parat zu haben.
Bezüglich möglicher Staatshilfen für den Autobauer Opel plädierte Zollitsch erneut für ein differenziertes Abwägen:
„Wenn ich durch staatliches Eingreifen Firmen rette, die keine Zukunft haben, andere Firmen dadurch aber Arbeitsplätze verlieren, dann muss das sehr wohl überlegt werden. Denn es wird die große Frage sein, ob die Autoindustrie, die für unsere Wirtschaft sehr wichtig ist, in dieser großen Breite zu halten ist. Daher muss überlegt werden, wie die Unterstützung eines Werkes eventuell dazu führt, dass andere Werke schließen müssen und die Arbeitskräfte verloren gehen. Hier stellt sich auch die Frage, ob das Eingreifen nur durch die Finanzkrise notwendig geworden ist, oder sich dahinter eine Strukturkrise verbirgt, die sich in der Finanzkrise noch einmal ganz deutlich sichtbar macht.“
Der Sozialethiker und Münchner Erzbischof Reinhard Marx rief angesichts der weltweiten Krise erneut die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ins Gedächtnis:
„Die soziale Marktwirtschaft ist ein Zivilisationsprodukt, ruht also auf kulturellen Voraussetzungen wie moralischen Entscheidungen und setzt viel verantwortete Freiheit voraus. Viele meinen, diese soziale Marktwirtschaft, die auch von katholischen und evangelischen Ökonomen und Philosophen mitgeprägt worden ist, ist ein typisch deutsches System. Doch bei näherem Hinsehen ergibt sich, dass die Grundprinzipien auch von der katholischen Soziallehre z.B. in der Enzyklika Centesimus Annus vertreten werden. Die Grundprinzipien sind erkennbar: Regeln, Tugendethik, Strukturethik und die Verantwortung des Einzelnen.“
Dabei gehe es nicht um „primitiven Kapitalismus“, sondern eine Marktwirtschaft, die auch das Gemeinwohl achte. Diese Prinzipien müssten die Verantwortlichen jetzt – entsprechend einer weltweiten Krise – auch auf einer globaleren Ebene diskutieren.
„Ich hoffe, dass diese Krise zu einem Lernort wird, denn es ergibt sich jetzt die riesige Chance, einige Fehler zu erkennen und in der Globalisierung, von der wir seit Jahren reden, jetzt einen Schritt weiter zu kommen auf eine Globalisierung der Solidarität. Das war auch das Wort von Johannes Paul II. Es geht hier um eine gestaltete Globalisierung. Der Schub, der durch die Krise kommt, ist jetzt in allen Köpfen, auch bei den Fachleuten, angekommen, und diesen Schub werden wir als Kirche verstärken.“
Marx kritisierte falsche Anreize bei der Bezahlung von Bankern und Managern, die allein auf kurzfristigen Erfolg zielten. Auf eine Forderung nach einer Begrenzung der Gehälter ließ er sich jedoch nicht festlegen. Der Münchner Erzbischof erinnerte schließlich an die besondere Verantwortung der katholischen Kirche, als „global Player und global Prayer“.
„Es gibt kaum eine Institution, die eine so differenzierte Sozial- und Wirtschaftsethik auf einer sehr verbindlichen Ebene erarbeitet hat, die sich über Jahrzehnte bewährt hat. Wenn ich die Sozialenzykliken der letzten 120 Jahre heran nehme, dann kann ich sagen: Die großen Linien können wir heute noch vertreten. Sie haben sich bewährt und sind zukunftsweisend auch in dieser Krise.“
Vorrangig müsse auch in Zukunft in Bildung, Infrastruktur oder erneuerbare Energien investiert werden, so die Bischöfe. Auch eine neue nationale Abschottung der Märkte und ein Nachlassen im Kampf gegen Armut und Hunger könne keine Antwort auf diese Krise sein, die Entwicklungs- und Schwellenländer müssten in die Entscheidungen einbezogen werden. Marx:
„Wir müssen von den Armen her denken, an das Weltgemeinwohl, aber von unten her. Wegen dieser Krise werden Menschen verhungern, werden hunderttausende Existenzen vernichtet werden. Das muss uns als Kirche aufregen. Doch wir dürfen nicht in einer flachen Moralisierung schwarzweiß malen und nicht genauer hinschauen, sondern müssen uns auch nach den Ursachen fragen.“
Der Sozialethiker Marx verwies nach den Gesprächen im Rahmen der Bischofskonferenz einmal mehr auf die notwendige Zusammenarbeit von Weltbank, Währungsfonds und anderen internationalen Organismen:
„Wir brauchen keine neue Weltregierung, sondern eine Veränderung der vorhandenen Instrumente und eine kohärente Verbindung dieser Instrumente, die man weiter entwickeln muss. Dazu ist im Wesentlichen notwendig der politische Wille. Früher habe ich den auf die G7 und G8-Staaten bezogen, doch wenn die G20 sich jetzt auf den Weg machen und etwas in Gang bringen, würden sich diese Instrumente, so glaube ich, weiter entwickeln lassen.“


(rv 03.03.2009 bp)







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