Die deutschen Bischöfe
haben vor kurzsichtigen Maßnahmen gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise gewarnt.
Sie forderten an diesem Mittwoch bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Hamburg eine
weltweite Stärkung der sozialen Marktwirtschaft und global gültige Regeln für Unternehmen
und Finanzmärkte. Bei allen Ausgaben müssten vor allem die Interessen der nächsten
Generation im Blick sein, mahnte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch: „Es ist einsichtig, dass um einer notwendigen konjunkturellen
Stabilisierung willen eine langfristig wirksame Staatsverschuldung in Kauf genommen
werden muss. Der Verzicht auf diese Maßnahmen hätte an anderer Stelle eine Verschärfung
der Probleme zur Folge, die insbesondere die wirtschaftlich Schwächeren und Armen
stark schädigen würde. Doch gleichzeitig ist immer zu bedenken, dass wir diese Staatsverschuldung
den nächsten Generationen vererben.“ In einem Studienhalbtag beschäftigten
sich die deutschen Bischöfe mit Ursachen und Folgen der weltweiten Krise sowie „spezifisch
kirchlichen Äußerungen“ zum Thema. Im Gespräch mit Wirtschaftsexperten seien fundamentale
und komplexe Fragen aufgekommen, „zu denen es keine einfachen Antworten“ gebe, so
Zollitsch. Die Bischofskonferenz wolle nicht den Eindruck erwecken, fertige Lösungen
parat zu haben. Bezüglich möglicher Staatshilfen für den Autobauer Opel plädierte
Zollitsch erneut für ein differenziertes Abwägen: „Wenn ich durch staatliches
Eingreifen Firmen rette, die keine Zukunft haben, andere Firmen dadurch aber Arbeitsplätze
verlieren, dann muss das sehr wohl überlegt werden. Denn es wird die große Frage sein,
ob die Autoindustrie, die für unsere Wirtschaft sehr wichtig ist, in dieser großen
Breite zu halten ist. Daher muss überlegt werden, wie die Unterstützung eines Werkes
eventuell dazu führt, dass andere Werke schließen müssen und die Arbeitskräfte verloren
gehen. Hier stellt sich auch die Frage, ob das Eingreifen nur durch die Finanzkrise
notwendig geworden ist, oder sich dahinter eine Strukturkrise verbirgt, die sich in
der Finanzkrise noch einmal ganz deutlich sichtbar macht.“ Der Sozialethiker
und Münchner Erzbischof Reinhard Marx rief angesichts der weltweiten Krise erneut
die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ins Gedächtnis: „Die soziale Marktwirtschaft
ist ein Zivilisationsprodukt, ruht also auf kulturellen Voraussetzungen wie moralischen
Entscheidungen und setzt viel verantwortete Freiheit voraus. Viele meinen, diese soziale
Marktwirtschaft, die auch von katholischen und evangelischen Ökonomen und Philosophen
mitgeprägt worden ist, ist ein typisch deutsches System. Doch bei näherem Hinsehen
ergibt sich, dass die Grundprinzipien auch von der katholischen Soziallehre z.B. in
der Enzyklika Centesimus Annus vertreten werden. Die Grundprinzipien sind erkennbar:
Regeln, Tugendethik, Strukturethik und die Verantwortung des Einzelnen.“ Dabei
gehe es nicht um „primitiven Kapitalismus“, sondern eine Marktwirtschaft, die auch
das Gemeinwohl achte. Diese Prinzipien müssten die Verantwortlichen jetzt – entsprechend
einer weltweiten Krise – auch auf einer globaleren Ebene diskutieren. „Ich hoffe,
dass diese Krise zu einem Lernort wird, denn es ergibt sich jetzt die riesige Chance,
einige Fehler zu erkennen und in der Globalisierung, von der wir seit Jahren reden,
jetzt einen Schritt weiter zu kommen auf eine Globalisierung der Solidarität. Das
war auch das Wort von Johannes Paul II. Es geht hier um eine gestaltete Globalisierung.
Der Schub, der durch die Krise kommt, ist jetzt in allen Köpfen, auch bei den Fachleuten,
angekommen, und diesen Schub werden wir als Kirche verstärken.“ Marx kritisierte
falsche Anreize bei der Bezahlung von Bankern und Managern, die allein auf kurzfristigen
Erfolg zielten. Auf eine Forderung nach einer Begrenzung der Gehälter ließ er sich
jedoch nicht festlegen. Der Münchner Erzbischof erinnerte schließlich an die besondere
Verantwortung der katholischen Kirche, als „global Player und global Prayer“. „Es
gibt kaum eine Institution, die eine so differenzierte Sozial- und Wirtschaftsethik
auf einer sehr verbindlichen Ebene erarbeitet hat, die sich über Jahrzehnte bewährt
hat. Wenn ich die Sozialenzykliken der letzten 120 Jahre heran nehme, dann kann ich
sagen: Die großen Linien können wir heute noch vertreten. Sie haben sich bewährt und
sind zukunftsweisend auch in dieser Krise.“ Vorrangig müsse auch in Zukunft
in Bildung, Infrastruktur oder erneuerbare Energien investiert werden, so die Bischöfe.
Auch eine neue nationale Abschottung der Märkte und ein Nachlassen im Kampf gegen
Armut und Hunger könne keine Antwort auf diese Krise sein, die Entwicklungs- und Schwellenländer
müssten in die Entscheidungen einbezogen werden. Marx: „Wir müssen von den Armen
her denken, an das Weltgemeinwohl, aber von unten her. Wegen dieser Krise werden Menschen
verhungern, werden hunderttausende Existenzen vernichtet werden. Das muss uns als
Kirche aufregen. Doch wir dürfen nicht in einer flachen Moralisierung schwarzweiß
malen und nicht genauer hinschauen, sondern müssen uns auch nach den Ursachen fragen.“ Der
Sozialethiker Marx verwies nach den Gesprächen im Rahmen der Bischofskonferenz einmal
mehr auf die notwendige Zusammenarbeit von Weltbank, Währungsfonds und anderen internationalen
Organismen: „Wir brauchen keine neue Weltregierung, sondern eine Veränderung
der vorhandenen Instrumente und eine kohärente Verbindung dieser Instrumente, die
man weiter entwickeln muss. Dazu ist im Wesentlichen notwendig der politische Wille.
Früher habe ich den auf die G7 und G8-Staaten bezogen, doch wenn die G20 sich jetzt
auf den Weg machen und etwas in Gang bringen, würden sich diese Instrumente, so glaube
ich, weiter entwickeln lassen.“