Die römische Kurie
hat sich in dieser Woche zu ihren traditionellen Fastenexerzitien zurückgezogen. Auch
Papst Benedikt nimmt daran teil, weswegen alle seine öffentlichen Termine, allen voran
die Generalaudienz, entfallen. „Der Priester trifft Jesus und folgt ihm nach“ ist
in diesem Jahr das Thema der Fastenexerzitien; geleitet werden sie von dem emeritierten
nigerianischen Kurienkardinal Francis Arinze, dem früheren Präfekten der Sakramentenkongregation.
Reue und Vergebung seien in der Liturgie der Fastenzeit sehr präsent, erinnerte der
Kardinal.
„Jeder Sünder muss überlegen, was seine Sünde Jesus, dem Retter,
angetan hat. Wenn der Sünder befreit werden will, ist die Bedingung, dass er zunächst
die eigene Schuld anerkennt. Die Kirche lehrt uns am Beginn der Heiligen Messe im
Schuldbekenntnis, zu bereuen - zu akzeptieren und zu bekennen, dass wir Sünder sind.
Sie lehrt uns zu sagen: Meine Schuld, Meine Schuld, meine große Schuld. Viele Menschen
sind versucht, das Gegenteil zu sagen: Die Schuld meiner Schwiergermutter, die Schuld
meiner Kollegen, die große Schuld meines Vorgesetzten. Solange ein Mensch aber nicht
anerkennt, schuldig zu sein, ist er nicht auf dem Weg der Heilung.“
Seiner
Kirche habe Jesus die Macht und das Amt gegeben, die Sünden in seinem Namen nachzulassen.
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„Der Priester muss den Ruf aller zur Heiligkeit verkünden. ... Gleichzeitig darf er
den Sündern nicht jede Hoffnung nehmen. Jesus lädt die Sünder dazu ein, in sich zu
gehen und weist ihnen einen Platz am Tisch zu. Den Pharisäern, die beanstandeten,
dass Jesus mit Sündern bei Tisch saß, sagte er: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt,
sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder.
Hier muss der Priester Jesus folgen und das verlorene Schaf suchen. Er muss die Sünder
zur Umkehr einladen, ohne die man nicht ins Reich kommt. Er muss ihnen die Botschaft
von der Barmherzigkeit des Vaters verkünden und von der unendlichen Freude im Himmelreich
für einen einzigen Sünder, der sich bekehrt.“
Besonders die Priester erinnerte
Arinze daran, sich in der Fastenzeit dem Denken in Kategorien der Demut zu öffnen.
„Nehmen wir zwei - erfundene - Fälle von Priestern: einer sagt zu seinem Seelenführer:
sie haben mich schon wieder vergessen. Ich warte auf eine Ernennung und erst wenn
sie eintritt, werde ich glücklich sein. Jeden Tag lese ich im „Osservatore Romano“
die Rubrik mit den Ernennungen. Ein anderer Priester sagt: Ich habe einen Streit mit
meinem Bischof. Aber da er schon 70 ist, warte ich auf den Bischof, der ihn ablöst,
dann werde ich heilig! Was antworten wir auf so etwas? Ruhig, Bruder. Keiner kann
deine Gelassenheit ohne dein Einverständnis hinwegnehmen. Vielleicht stimmt es, dass
man dich bei den Ernennnungen übergangen hat oder dass du Streit mit deinem Bischof
hast. Aber vielleicht hast du auch eine ganz andere Krise – eine Krise mit dem Betschemel
zum Beispiel, vor dem Allerheiligsten, wo man dich schon lange nicht gesehen hast.
Oder vielleicht hast du eine Krise mit der Gewissenserforschung, mit dem täglichen
Gebet oder mit dem Rosenkranz. Ein Mensch kann Architekt seines Elends werden. Es
braucht nicht einmal eine Frage der Sünde zu sein, sondern eine Frage des spirituellen
Elends, des mangelnden inneren Wachstums. Jemand kann sich ein seelisches Gefängnis
bauen, das Tor schließen und den Schlüssel in die Tasche stecken. Aber du hast doch
den Schlüssel in der Tasche! Du wirst herauskommen, wenn du mit der Gnade Gottes beschließt,
den Schlüssel hervorzuholen.“
Die Umkehr des Herzens und die innere Reue drücken
sich in äußeren Gesten aus, traditionellerweise im Dreiklang Fasten, Almosen und Gebet.
Eine besonders wichtige Rolle dabei spielt die Abtötung, so Kardinal Arinze.
„Die
grundlegenden Formen der Abtötungen sind jene, die gewissermaßen Teil unserer Berufung
und unserer Sendung (als Priester) sind. Einige Beispiele: Freundlichkeit gegenüber
unseren Mitarbeitern, besondes jenen, die wir nicht mögen. Besucher empfangen, wenn
wir müde sind oder glauben, sehr beschäftigt zu sein. Schwierige Leute gut behandeln.
Endlose Briefe beantworten. Für manche Bischöfe kann es auch Abtötung sein, liturgische
Gewänder oder die Mitra in einem feuchtheißen Klima zu tragen, für manche ist es Abtötung,
den Fünfjahresbericht für die Kurie zu schreiben. Auch wer selbst in der Kurie arbeitet,
hat viel Gelegenheit zur Abtötung: Fern von der normalen diözesanen Situation und
der Seelsorge zu arbeiten. Ein Dokument verfassen, das dann von der Generalversammlung
oder dem Vorgesetzten mit dem Rotstift radikal umgeschrieben wird. Keinen Publikumsapplaus
zu empfangen für ein Dokument, an dem man Tag und Nacht gearbeitet hat – denn das
Publikum weiß nur, wer die Unterschrift darunter gesetzt hat. An einem Termin nach
dem anderen teilnehmen. Lange und nicht immer interessante Dokumente studieren. Auf
die eigene Meinung verzichten, wenn andere die betreffende Sache nicht in derselben
Optik sehen. Für einige mag es auch schwierig werden, auf die Versuchung zu verzichten,
Kirchenpolitik zu betreiben: jemanden zu suchen, der ein gutes Wort für ihn einlegt,
um eine gewünschte Ernennung zu erhalten. Wie man sieht – uns mangelt es nicht an
Gelegenheit, uns abzutöten im Versehen unserer täglichen Pflichten.“