2009-02-27 12:08:12

Papst steht Priestern Rede und Antwort


RealAudioMP3 Papst bestätigt: „Sozialenzyklika kommt bald!“ So titeln hier in Italien manche Zeitungen an diesem Freitag. Dahinter steckt das Gespräch von Benedikt XVI., das er am Donnerstag mit Priestern und Klerikern aus seinem Bistum Rom geführt hat. Wie es mittlerweile Usus ist im Vatikan, empfing der römische Bischof seinen Klerus zum Beginn der Fastenzeit in der Benediktionsaula von St. Peter.

Das tut gut: Beifall für Benedetto. Der Papst grüßt die Seelsorger aus dem Großraum Rom, die sich im ersten Stock des Petersdoms, über der Eingangshalle, um ihn drängen. Im Mittelgang stehen Schweizergardisten, durch die berühmte „Urbi et Orbi“-Balkontür kommt Sonnenlicht herein. Kirchenlehrer Benedikt hat es sich zur Gewohnheit gemacht, beim Treffen mit Priestern Rede und Antwort zu stehen – eine ihm sehr eigene Form.

„Unser Dienst bringt auch viele Lasten und Schwierigkeiten mit sich”, sagt in einer kurzen Begrüßung Kardinal Agostino Vallini, der neue Generalvikar des Papstes fürs Bistum Rom. „Manchmal kommt uns unsere Arbeit nicht sehr fruchtbringend vor. Darum wenden wir uns an Petrus, den Felsen.” Rom habe sich in den letzten Jahren unglaublich verändert, und darum wolle er in den nächsten Monaten eine Art Bestandsaufnahme machen, um zu sehen, wo sich die Seelsorge in der Hauptstadt noch besser an neue Gegebenheiten anpassen sollte. Dann stellt der Pfarrer von „San Frumenzio“ aus der Gegend „Prati Fiscali“ die erste Frage: Sie handelt nicht vom Fall Williamson oder von den Pius-Brüdern, denn anders als in Deutschland ist die Aufregung über dieses Thema in Italien schon sehr schnell wieder verraucht. Der Priester erzählt vielmehr: „Als ich junger Kaplan in der Pfarrei war, fühlte ich mich durch meine Studien hinreichend gerüstet. Da hat mir eine Frau aus der Pfarrei, als sie mich in Aktion sah, mit einem Kopfschütteln gesagt: Don Giampiero, wann ziehst du dir endlich die langen Hosen an? Wann wirst du zu einem Mann?“ Damit habe sie ihm signalisiert: Das Leben, die Menschen, die reale Welt, Gott selbst sind „viel größer und überraschender als unsere ganzen Konzepte“. Frage daher an Papst Benedikt: Wie können wir Priester denn die Menschen von heute richtig erreichen?

„Es ist ja nicht so, dass ich ein Orakel wäre“, meint der Papst zunächst dazu. „Ich will euch hier nicht einfach belehren, sondern auf eure Erfahrungen hören. Mir ist das auch wichtig, etwas zu lernen über die Wirklichkeit, von der man im Apostolischen Palast manchmal etwas zu weit entfernt ist.“ Benedikt erzählt dann allerdings, was er im Vatikan alles so mitbekommt: Da seien zum Beispiel vor kurzem Bischöfe aus Nigeria bei ihm gewesen und hätten ihm viel vom Leben dort erzählt – durch solche Treffen habe er einen Blick für die Weltkirche und sehe: „Es gibt nicht nur eine müde Kirche, wie wir sie oft in Europa finden, sondern auch eine junge, die voll des Heiligen Geistes ist. Eine Kirche, wie wir sie in der Apostelgeschichte beschrieben finden – mit der frischen Freude, Christus gefunden zu haben! Eine Kirche, die jeden Tag wächst.“

Zur Stellungnahme von Don Giampiero sagte Benedikt dann, er sei mit dessen Sicht einverstanden: Theologiestudium reicht nicht, um auf die Menschen von heute als Seelsorger zuzugehen, sondern „man muss die eigene Erfahrung personalisieren, um andere zu erreichen“. Es gehe um ein Zusammenspiel von Theologiestudium und „konkreter Erfahrung“. Ein Freund habe ihm mal gesagt, er höre in Predigten immer „anthropologische Analysen“ – „dabei wollte er doch einfach nur das Evangelium hören“. Man dürfe, so Benedikt, „die Einfachheit des Wortes Gottes nicht wie mit Gewichten ins Schwere ziehen“. „Die zwölf Apostel waren Fischer und Handwerker, und trotzdem sind sie in alle Teile des Römischen Imperiums gezogen (bis nach Indien), um das Evangelium in seiner Einfachheit zu verkünden. Wir dürfen die Einfachheit der Wahrheit nicht verlorengehen lassen!“

„Wir leben nicht auf dem Mond – wir sind Menschen unserer Zeit. Wenn ich in der heutigen Kultur mit ihren Massenmedien und ihrer Wirtschaft meinen Glauben ehrlich lebe, dann bin ich auch auf dem richtigen Weg, mich den anderen verständlich zu machen.“

Ein Pfarrer aus der Gegend der alten Konsularstraße Ardeatina, die zu den Albaner Bergen hinausführt, will etwas zur Neuevangelisierung wissen: Wie kann man eine solche Neuevangelisierung denn konkret anstellen? Er habe da „keine fertigen Rezepte“, meint der Papst, aber einen Vorschlag hat er dann doch: „Helft den Gläubigen dabei, dass sie sehen, dass ihr Glaube nicht einfach eine Sache der Vergangenheit ist, sondern dass das heute wahr ist und auch morgen! Sie brauchen dazu in ihrem Pfarrer wirklich einen Hirten, der sie liebt und der ihnen hilft, das Wort Gottes heute zu hören. Das ist ein Wort an sie – nicht nur an Personen der Vergangenheit.“ Und noch ein Vorschlag, ganz in benediktinischem Geist: „Schafft Orte der Gastfreundschaft für den Glauben. Die Pfarrei muss sich öffnen und Räume für die schaffen, die von draußen kommen.“

Ein zweiter Don Giampiero berichtet von seinen oft frustrierenden Erfahrungen in einer häßlichen Trabanten-Vorstadt, Tor Bella Monaca. „Wir sind eine vergessene Gegend, und wir spüren im Moment noch stärker als andere die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die konkreten Lebensbedingungen der Menschen und vieler Familien. Die Kirche müßte mal wirklich laut ihre Stimme gegen ein ungerechtes Wirtschafts- und Finanzsystem erheben. Wir brauchen da ein Wort mit Autorität und Freiheit!“

„Diese Frage rührt an den Nerv der Probleme unserer Zeit“, so Benedikt. „Was die Makro-Ökonomie betrifft, da spürt noch der letzte Bürger die Folgen einer schlechten Struktur, und hier ist es eine Pflicht der Kirche, dagegen anzureden. Wie ihr wißt, bereiten wir schon seit langer Zeit eine Enzyklika darüber vor, und auf diesem langen Weg habe ich gesehen, dass es nicht leicht ist, mit Kompetenz darüber zu sprechen, damit unser Wort glaubwürdig ist. Auf der anderen Seite geht es darum, mit großem ethischen Bewußtsein darüber zu sprechen. – Also, auf der einen Seite müssen wir die grundlegenden Irrtümer anklagen, die sich jetzt beim Zusammenbruch der großen US-Banken gezeigt haben. Habgier ist Sünde oder sogar, wie der Paulusbrief an die Kolosser schreibt, Idolatrie: eine Verehrung, die dem wahren Gott entgegensteht, eine Fälschung des Gottesbildes durch einen anderen Gott, nämlich den Mammon. Das müssen wir mutig anklagen, aber auch konkret! Denn das große Moralisieren hilft nichts, wenn es nicht die Realität kennt und hilft, zu verstehen, was man denn konkret tun kann, um die Lage allmählich zu verändern.“

Wissen brauche es also und guten Willen. Und da komme er jetzt zu einem heiklen Punkt, so Benedikt: „Gibt es die Erbsünde wirklich? Wenn nicht, dann können wir ja einfach an die Vernunft appellieren und so die Menschheit reformieren. Aber so ist es ja nicht! Der Verstand ist verdunkelt; die Wurzel der Habgier ist der Egoismus, der den Verstand benebelt. Und auch der Wille ist nicht einfach dazu bereit, das Gute zu tun... Die Kirche muss also die Welt der Wirtschaft durch den Glauben erleuchten, damit der Egoismus der Erbsünde überwunden werden kann. Sie muss das auf nationaler und internationaler Ebene tun, und es ist keine leichte Aufgabe, weil sehr viele Gruppeninteressen dagegenstehen.“

Mit hoher Stimme erzählt der Pfarrer der Innenstadt-Kirche St. Ambrosius aus seiner Studienzeit: Ihm sei damals gar nicht so klargewesen, wie wichtig die Liturgie sei. „Sie kam mir eher wie eine Technik vor.“ Der Pfarrer bombardiert den Papst, der sich ja bekanntermaßen sehr für Liturgie interessiert, so sehr mit Konzilszitaten, dass Benedikt am Schluß gar nicht mehr weiß, was jetzt eigentlich die Frage war. Doch dann betont der Papst, wie wichtig es ist, dass „Sakramente und Eucharistie nicht irgendwie neben den ganzen anderen Aktivitäten stehen. Das Sakrament darf nicht von einem pragmatischeren Umfeld abgespalten wirken, denn die göttlichen Geheimnisse sind nichts Exotisches – sie sind unsere Mitte und unsere Kraftquelle.“

Sehr inspiriert: der Pfarrer von Santa Maria Regina Mundi aus der Gegend der Via Casilina. Er spielt auf die Zeit des reiselustigen Johannes Paul II. an: „Früher sagte man: Pfarrer in urbe, Bischof in orbe – ich weiß nicht, ob das noch gilt.“ Durch die Blume heißt das: Kümmern Sie sich bitte auch um Ihr Bistum Rom und nicht nur um die große Weltkirche da draußen! Zur Bekräftigung rezitiert der Geistliche ein Sonett in römischem Dialekt, das er auf den bevorstehenden Papstbesuch beim römischen Bürgermeister auf dem Kapitol gedichtet hat. „Danke!“, sagt der Papst, „du bist ein echter Römer!“ – „Wir haben da das Herz Roms sprechen hören, voller Poesie...“ Er erklärt dann noch etwas über das Petrusamt: Wie wichtig es sei, dass die Weltkirche ohne Druck durch irgendwelche „Nationalismen“ gelenkt werde.

Doch dann, ganz zum Schluß, weht doch noch mal ein Hauch der Debatte aus den letzten Wochen durch die vatikanische Benediktionsaula: ein Salesianerpater kommt auf das Zweite Vatikanische Konzil zu sprechen, auf den gefühlten Unterschied zwischen dem Konzil und dem so genannten „Geist des Konzils“; Benedikt versteht die Frage zunächst nicht ganz und läßt sie sich zur Sicherheit nochmal schriftlich geben. Kardinal Vallini erklärt ihm: Es geht vor allem um so genannte vorkonziliare Praktiken und Riten, auch um das Thema Ablass – was der Papst davon halte?

„Jetzt habe ich endlich verstanden – entschuldigen Sie bitte! Das Konzil setzt eine lebendige Praxis in der Kirche voraus, auch wenn es nicht konkret darauf eingeht. Paul VI. hat das Ablaßwesen neu geordnet. Im Kern geht es dabei ganz einfach um einen Austausch von Gaben; was es in der Kirche an Gaben gibt, ist für alle da. Mit diesem Schlüssel des Ablasses können wir in die Gemeinschaft der Güter der Kirche eintreten. Die Protestanten halten dagegen, dass doch Christus der einzige Schatz ist. Aber für mich ist der Überfluß, das Übermaß der Liebe das Wunderbare - dass Christus uns nicht einfach nur zu Subjekten seines Erbarmens macht, sondern dass wir selbst dazu beitragen können. Auch andere Dinge aus der Zeit vor dem Konzil, etwa die Herz-Jesu-Verehrung, sind wunderbare Möglichkeiten, die die Kirche anbietet. Keiner sollte diesen Schatz geringschätzen, der im Lauf der Jahrhunderte gewachsen ist!“

Ein gemeinsames Angelus-Gebet und vereinzelte „Viva il Papa“-Rufe – das Treffen Benedikts mit seinem Klerus hat fast zwei Stunden gedauert. Und es hat auch dieses Jahr ein paar schöne und spontane Szenen geboten, wie man sie im Vatikan nicht jeden Tag erlebt.

(rv 27.02.2009 sk)








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