2009-02-26 12:54:17

Vor 550 Jahren: Geburtstag eines deutsch-flämischen Papstes


RealAudioMP3 Er war der vielleicht ungewöhnlichste Papst der Renaissance – der Deutsche bzw. Flame Hadrian VI. Asketisch und fromm, karitativ und streng beschreiben historische Quellen den Kirchenmann, der es 1521 völlig unverhofft aus kleinen Verhältnissen an die Spitze der Kirche schaffte. Am 2. März jährt sich sein Geburtstag zum 550. Mal. Gudrun Sailer sprach mit dem Hadrian-Biografen P. Markus Graulich, der hier in Rom an der päpstlichen Universität der Salesianer Kirchenrecht lehrt.

Als sich die Kardinäle nach dem Tod des Medici-Papstes Leo X. im Dezember 1521 zum Konklave versammelten, waren sie allseits in der Klemme. Nach einer Zeit kultureller Blüte war das Papstamt, war die Kirche von innen wie von außen in Gefahr. Die Türken bedrängten den Südosten Europas, und im deutschen Reich scharte Luther trotz Kirchenbanns immer mehr Anhänger um sich. In einer solchen Lage fiel die Wahl der Kardinäle – auf einen Flamen.

„Hadrian VI., den kannte kaum einer, der war auch gar nicht in Rom, als das Konklave tagte, sondern in Spanien, und die Nachricht seiner Wahl hat ihn erst ein Monat später erreich, als man einen Gesandten hingeschickt hatte, und er ist ein völlig untypischer Mensch. Völlig ohne Allüren, der sehr lange mit seiner Doktorarbeit warten musste, weil er sich die Feier nicht leisten konnte.“

Adrian Florensz wurde am 2. März 1459 in Utrecht geboren, das zu jener Zeit Teil des römischen Reiches deutscher Nation war. Er stammte aus einfachen Verhältnissen:

„Sein Vater war vermutlich Flößer, Schiffsbauer, im Binnenschiffahrtsgewerbe tätig.“

Hadrian selbst wurde Priester und Gelehrter. An der Universität Leuven arbeitete er sich zum Rektor hoch. Dann wurde er...

„durch Zufälle, die das Leben schreibt, Berater Karls V., dann Statthalter in Spanien, und über Karl V. dann auch Kardinal.“

Seine Kardinal-Kollegen kannten mit einer Ausnahme den Deutschen nicht im mindestens, ahnten also kaum, wie er sich als Papst machen würde. Der deutsche Papst hingegen hatte klare Ideen, die er bereits als Theologe herausgebildet hatte. Sein Verständnis vom Papstamt war außerordentlich modern, sagt Graulich:

„Wer ein Amt in der Kirche hat, der muss dasein wollen und nicht vorstehen wollen. Und er muss dasein wollen FÜR die anderen. Pro esse, nicht Prae esse. Das war sein Amtsverständnis. Er hat auch in seiner Konzeption, und zu seiner Zeit ist der Gedanke ja noch erlaubt, er hat für sich gesagt, der Papst kann nicht unfehlbar sein, es gibt auch Päpste, die geirrt haben, also er hat dieses Amt nicht so überhöht wie sein Vorgänger Leo X., der sagte, jetzt hat uns Gott das Papstamt geschenkt, jetzt wollen wir es auch genießen.“

Zwei große Anliegen verfolgte der Flame, ganz im Sinn jener, die ihn gewählt hatten: Er wollte die Christenheit einigen und gegen die Türken vorgehen. In beiden Fällen erreichte Hadrian VI. freilich nichts. Im Fall der Türken konnte er die Fürsten nicht einigen, und das christliche Europa musste den Fall von Rhodos hinnehmen. Im Fall der Kirchenreform scheiterte er an internen Widerständen. Bezeichnend für sein Denken und Handeln, für seinen Reformwillen war seine Botschaft für den Nürnberger Reichstag 1522. Dort schickte er einen Nuntius hin und ließ ihn jenes berühmte Schuldgeständnis der Kirche ablegen:

„Die Pest ist von diesem Hof ausgegangen und hat die Kirche infiziert, und sie muss auch vom Haupt her gesunden. Deshalb verspricht Hadrian, alles zu tun um die Kurie zu reformieren, und er hofft, dass die Bischöfe das ihre tun, um die Länder zu reformieren, und dann wird das alles wieder gut werden. Aber die Bischöfe wollten gar nicht reformieren. Er scheitert auch an der mangelnden Mitarbeit der Bischöfe.“

Ähnlich erging es dem unglücklichen Hadrian im eigenen Haus. An der Kurie war und blieb er ein Fremder. Denn der Papst, der aus dem Norden kam, war viel zu radikal.

„Sie müssen sich vorstellen, er kommt nach Rom in einer Zeit, in der Michelangelo hier arbeitet, und er schmeißt ihn hinaus. Weil ihn Kunst nicht interessiert. Er lässt den Hof schließen, in dem der Laokoon steht, „sunt idoles paganorum“, das sind heidnische Gottheiten, das interessiert ihn nicht – er lässt den Skulpturenhof zumauern. All das, was eben im Renaissance-Papsttum übertrieben war, von Leo X., Julius II. vor allem, damit macht er so radikal Schluss, dass eben gar nichts mehr bleibt. Dann kommt eine Pest in Rom, die raubt ihm wichtige Monate und auch die besten Mitarbeiter, und dann bleibt er alleine. Einsam, kaum mit jemand, der ihn unterstützt.“

Drei Jahrzehnte lang waren große Kunstmäzene auf dem Papstthron gesessen – drei Jahrzehnte, in denen Rom zur kulturell bedeutendsten Stadt Europas avanciert war. Damit ist unter dem asketischen Hadrian erst einmal Schluss.

„Man sagt in den zeitgenössischen Quellen, was bei anderen Päpsten die Künstler und Musiker waren, das waren bei Hadrian die Armen. Die hat er unterstützt.“

P. Graulich ist für seine Hadrian-Biografie an die Quellen gegangen und hat Adrian Florensz auch etwa durch dessen Handschriften in Leuven kennen gelernt. Handschriften, die nicht nur inhaltlich aussagekräftig sind, findet Graulich:

„Die sind total akkurat und alle zehn Seiten mal einen Einschub, den er an die Seite schreibt. Das sind Handschriften, die er benutzt, um Vorlesungen zu halten. Er war sicher ein systematischer Mensch, von dem man sehr viel lernen konnte, ich muss aber ehrlich zugeben, so sympathisch mir seine Figur ist, so sehr hätte ich Angst, ihm gegenüber zu stehen. So dieser klassische deutsche Professor halt, ein bisschen unnahbar, ganz in seiner Bücherwelt und seinen Folianten lebend. Mich fasziniert die Figur, aber es ist halt, dieses Tremendum est faszinosum – ich frage mich, hättest du ihn treffen wollen – vielleicht eher nicht!“

Hadrian überlebte seine Papstwahl nur eineinhalb Jahre. Danach starb er an Erschöpfung – nicht an Gift, wie eine Untersuchung aus den 70er-Jahren belegt. Begraben liegt der flämische Papst in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell Anima in Rom. Die Kardinäle, die wenig später zum Konklave zusammenkamen, waren dieselben, die eineinhalb Jahre zuvor Hadrian auf den Papstthron gewählt hatten. Der Mann aus Utrecht scheint nachhaltig abschreckend auf die Kirchenmänner gewirkt zu haben – so sehr, dass die Päpste der nächsten 500 Jahre, bis zu Karol Wojtyla, ausschließlich Italiener sein sollten.

Markus Graulichs Biografie "Hadrian VI. - Ein deutscher Papst am Vorabend der Reformation" erscheint kommenden Sommer im Verlag Ferdinand Schöningh.

(rv 25.02.2009 gs)








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