„Vereint mit Jesus sind wir alle Lebende geworden, vom Tod Abgewendete.“
Das sagte Papst Benedikt XVI. zum Auftakt der Fastenzeit am Mittwoch Abend auf dem
Aventin. In der Kirche Santa Sabina feierte er die Stationsmesse und empfing das Aschenkreuz
zum Zeichen der Busse. Lesen Sie hier die Predigt des Papstes in einer nicht-offiziellen
Arbeitsübersetzung. Den offiziellen Text in deutscher Sprache wird die dt. Wochenausgabe
der Vatikanzeitung Osservatore Romano in Kürze veröffentlichen.
„Liebe
Brüder und Schwestern. Heute, am Aschermittwoch, der liturgischen Eingangstür in
die Fastenzeit, sind die liturgischen Texte gleichsam eine Zusammenfassung der ganzen
Gestalt der österlichen Bußzeit. Die Kirche macht es sich zu eigen, eine Orientierung
unseres Geistes aufzuzeigen und stattet jeden einzelnen von uns aus mit den göttlichen
Hilfen, um mit Entschiedenheit und Mut, schon erleuchtet durch den Glanz des österlichen
Geheimnisses, diesen geistlichen Weg einzuschlagen, den wir heute beginnen.
„Kehrt
um zu mir, mit ganzem Herzen“. Der Aufruf zur Umkehr ist das dominierende Thema in
allen Teilen der heutigen Liturgie. Bereits in Antiphon zum Eingang wurde davon gesprochen,
dass der Herr die Sünden all derer, die sich zu ihm bekehren, vergisst und vergibt.
Im Tagesgebet wird das christliche Volk eingeladen zu beten, dass ein jeder einen
Weg der wahren Bekehrung einschlägt. In der ersten Lesung, ermahnt der Prophet Joel
sich zum Vater zu bekehren mit ganzem Herzen, mit Fasten mit Weinen und mit Klagen.
Denn er ist voller Erbarmen, er ist barmherzig, langmütig, reich an Güte und Erbarmen
und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat. Die Verheißung Gottes ist klar:
Wenn das Volk auf den Umkehrruf hört, dann übt Gott auf triumphale Weise sein Erbarmen
aus und seine Freunde werden überreich mit Gnaden beschenkt. Mit dem Antwortpsalm
stimmt die liturgische Versammlung in die Anrufungen des 51. Psalms ein, in dem der
Herr gebeten wird, in uns ein reines Herz zu erschaffen und uns mit einem willigen
Geist auszurüsten. Hier, wie auch im Evangelium, in dem Jesus uns zur Wachsamkeit
gegenüber der Vergänglichkeit aufruft, welche zur Zurschaustellung und zur Scheinheiligkeit,
zu Überheblichkeit und zu Selbstgenügsamkeit beiträgt, bekräftigt er, die Notwendigkeit
einer Redlichkeit des Herzens zu stärken. Zur gleichen Zeit zeigt er auch die Mittel,
um in dieser Reinheit der Absicht wachsen zu können: die Intimität mit dem himmlischen
Vater zu kultivieren.
Außerordentlich dankbar in diesem Jubiläumsjahr, indem
wir uns an die Geburt des Apostel Paulus vor 2000 Jahren erinnern, trifft uns das
Wort aus dem 2. Brief an die Korinther: „Wir bitten an Christi statt: lasst Euch mit
Gott versöhnen!“. Dieser Aufruf des Apostels klingt wie ein weiterer Anreiz, den Aufruf
der Fastenzeit zur Umkehr ernst zu nehmen. Paulus hat in außerordentlicher Weise die
Kraft der Gnade Gottes erfahren dürfen, die Gnade des österlichen Geheimnisses, von
der auch diese Fastenzeit lebt. Er zeigt sich uns als Gesandter des Herrn. Wer könnte
also besser als er uns helfen, diesen fastenzeitlichen Weg einer inneren Umkehr in
fruchtbarer Weise einzuschlagen? In seinem ersten Brief an Timotheus schreibt er:
„Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich
der erste“, und er fügt hinzu: „aber ich habe Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus
an mir als erstem seine ganze Langmut beweisen konnte, zum Vorbild für alle die ihn
Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.“ Der Apostel ist sich also
durchaus bewusst, dass er erwählt wurde, um ein Beispiel geben zu können, und diese
seine Beispielhaftigkeit richtet sich eben auf die Bekehrung, die Umwandlung seines
Lebens, die ermöglicht wird, dank der erbarmenden Liebe Gottes. „Obwohl ich ihn früher
lästerte, verfolgte und verhöhnte – so erinnert er sich – habe ich Erbarmen gefunden…
So übergroß war die Gnade unseres Herrn“. Der Kern seiner Predigt und seiner ganzen
missionarischen Existenz sind gestützt von einem inneren Antrieb, der zurückzuführen
ist auf die grundlegende Erfahrung der Gnade. „Durch die Gnade Gottes bin ich, was
ich bin – so schreibt er an die Korinther – mehr als sie alle, nämlich die Apostel,
habe ich mich abgemüht – nicht ich sondern die Gnade Gottes mit mir.“ Man spricht
hier von einem Bewusstsein, das in allen seinen Schriften auftaucht und die Funktion
eines inneren Antriebs auf ihn hat, in der Weise, dass Gott in Paulus hat handeln
können und ihn hat antreiben können zu den letzten, höheren Zielen, die nicht nur
geographisch sondern auch geistlich aufzufassen sind.
Der heilige Paulus erinnert
daran, dass alles in ihm ein Werk der göttlichen Gnade ist aber er vergisst nicht,
dass es erforderlich ist, mit freiem Willen dem Geschenk des neuen Lebens zuzustimmen,
das in der Taufe empfangen wird. Im 6. Kapitel des Römerbriefes, das in der Osternacht
verkündet wird, schreibt er: „Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr
beherrschen, und seinen Begierden sollt ihr nicht gehorchen. Stellt eure Glieder nicht
der Sünde zur Verfügung als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch Gott zur
Verfügung, als Menschen, die vom Tod zum Leben gekommen sind, und stellt eure Glieder
als Waffen der Gerechtigkeit in den Dienst Gottes“. In diesen Worten finden wir den
Inhalt des Programms der Fastenzeit gemäß seiner Tauftheologie. Auf der einen Seite
wird der Sieg Christi über die Sünde bestärkt, der ein für alle Mal mit seinem Tod
und seiner Auferstehung erwirkt wurde. Auf der anderen Seite sind wir dazu aufgerufen,
unsere Glieder nicht in den Dienst der Sünde zu stellen und ihr in uns nicht erneut
Raum zu geben. Der Sieg Christi erwartet, dass der Jünger nun sein Gesicht ganz auf
Christus hin ausrichtet, denn vereint mit Jesus sind wir alle Lebende geworden, vom
Tod Abgewendete. Der Getaufte, in dem Christus auf vollkommene Weise herrscht, soll
daher gläubig den Unterweisungen folgen. Er darf nie nachlassen in der Wachsamkeit,
um vom Feind – in welcher irdischen Weise auch immer – nicht wieder zurück erobert
zu werden.
Aber wie erreichen wir die Erfüllung unserer Berufung zur Taufe,
wie können wir siegreich sein, im Kampf zwischen dem Fleisch und dem Geist, zwischen
dem Guten und dem Schlechten, in diesem Kampf, der so unsere Existenz zeichnet? Im
Evangelium verweist der Herr auf drei nützliche Mittel: das Gebet, die Almosen und
das Fasten. Auch in den Schriften des Apostels Paulus und seiner Erfahrungen finden
wir nützliche Hinweise bezüglich des Gebetes ermahnt er uns beharrlich zu sein, wachsam
zu sein und dankbar zu bleiben, unaufhörlich sollen wir beten. Bezüglich der Almosen
sind sicherlich die Schriften von großer Bedeutung, in denen er von der Kollekte für
die armen Brüder spricht. Dabei aber wird unterstrichen, dass die Liebe die Spitze
im Leben eines Glaubenden, das Band der Vollkommenheit ist: über all diesen Dingen,
so schreibt er an die Kolosser, begleitet euch mit der Liebe, die alles zusammen hält
und vollkommen macht. Über das Fasten spricht er nicht ausdrücklich. Er ermahnt jedoch
zur Nüchternheit die ja auch den charakterisiert, der in der Wachsamkeit vor der Ankunft
des Herrn lebt. Interessant ist jedoch der Akzent auf diesem geistlichen Wetteifer,
der bei ihm erscheint: „Jeder Wettkämpfer, so schreibt er an die Korinther, lebt völlig
enthaltsam. Jene tun dies um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen
Siegeskranz zu gewinnen.“
Das schließlich ist die Berufung der Christen: Auferweckt
mit Christus zu sein. Nach dem zu streben, was im Himmel ist, als Menschen, die den
Tod überwunden haben und deren Leben nun mit Christus in Gott verborgen ist. Um diese
neue Existenz in Gott leben zu können, ist es unverzichtbar, sich vom Wort Gottes
zu ernähren. Jesus sagt dies in aller Deutlichkeit, wenn er auf die erste der drei
Versuchungen in der Wüste antwortet und aus dem Buch Deuteronomium zitiert: „ Nicht
nur vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes
hervorgeht.“
Paulus nimmt dies ernst und er legt uns ans Herz: „Das Wort Christi
wohne mit seinem ganzen Reichtum bei Euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit.
Singt Gott in euren Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt.“
Auch in diesem ist der Apostel ein Zeuge. Seine Briefe sind die eloquente Prüfung
des Faktums, dass er das Wort Gottes lebt: Gedanken, Aktionen, Gebet, Theologie, Predigt,
Ermahnung, alles ist bei ihm Frucht aus dem Wort, das er erhalten hat in jungen Jahren
im hebräischen Glauben, vollkommen enthüllt vor seinen Augen in der Begegnung mit
dem Gekreuzigten und Auferstandenen Christus, verkündet für den Rest seines Lebens
auf seinen missionarischen Wegen. Ihm wurde offenbart, dass Gott in Jesus Christus
sein endgültiges Wort gesprochen hat, das Wort des Heils, das sich deckt mit dem Geheimnis
des Kreuzes. So kann er zusammenfassen: „ Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu
Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der
Welt.“ In Paulus wird das Wort lebendig und sein einziger Stolz ist Christus, der
Gekreuzigte und Auferstandene.
Liebe Brüder und Schwestern, während wir uns
darauf vorbereiten, die Auflegung der Asche auf unser Haupt zu empfangen, als Zeichen
unserer Umkehr und Busse, öffnen wir auch unser Herz für die Lebendigkeit des Wortes
Gottes. Durch die österliche Bußzeit, die ja gekennzeichnet ist durch ein oftmaliges
Hören auf dieses Wort, durch ein intensives Gebet von einem Stil eines strengen und
bußfertigen Lebens, werden wir bewegt zur Umkehr und zur aufrichtigen Liebe gegenüber
unseren Brüdern, im Besonderen gegenüber denen, die arm und bedürftig sind.
Lassen
wir uns begleiten vom Apostel Paulus, lassen wir uns leiten von Maria, der aufmerksamen
Jungfrau des Hörens und der demütigen Dienerin des Herrn. So können wir uns bereit
machen, um mit erneuertem Geist die Freude von Ostern feiern zu können. Amen. "
Arbeitsübersetzung
für Radio Vatikan: Sascha Jung, Collegium Germanicum, Rom