In einer globalisierten
Welt, wo unterschiedliche Werthorizonte aufeinandertreffen, wird der Dialog zwischen
den Religionen immer wichtiger. Auch in Deutschland sollten sich Christen und Muslime
stärker für ein gleichberechtigtes Zusammenleben ihrer Religionen engagieren. Das
sagte der Islamfachmann Pater Christian Troll am Mittwoch bei einem Vortrag am Päpstlichen
Institut für Arabische und Islamische Studien in Rom. Der Jesuit ist Honorarprofessor
für Islam und christlich-muslimische Begegnung an der Philosophisch-Theologischen
Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main.
Es ist ein Faktum, dass Moslems
und Christen in Deutschland in Verschiedenheit zusammenleben, sagt Islamexperte Pater
Christian Troll. Dreieinhalb Millionen Muslime leben in Deutschland. Sie wollen ihren
Glauben leben - und das nicht nur in irgendwelchen Hinterhöfen, sondern sichtbar.
Damit haben viele in Deutschland noch ein Problem, wie etwa die Kopftuch-Debatte oder
die Diskussion um den Kölner Moscheebau gezeigt haben – zu Unrecht findet Pater Troll:
„Also das erfordert wirklich ein Umdenken bei uns und sicher erfordert
es, dass man jetzt nicht Anti-Gefühle entwickelt, die auch auf einer völlig falschen
Sicht der Tatsachen beruhen. Also manchmal wird so getan, als hätten sich die Muslime
hier reingedrängt, als wären sie mit Gewalt hierher gekommen. Sie sind ja als Gastarbeiter
gerufen worden, dann kam der Nachzug der Familien. (...) Das sind Dinge, die man nicht
irgendwie negativ den Muslimen vorwerfen sollte.
Um Vorurteile und Misstrauen
abzubauen, sollten die Religionen darüber sprechen, was die Grundlagen für ein fruchtbares
Zusammenleben sind...
„...auf rechtlicher und auf sozialer Ebene. Aber es
stellt sich dann eben auch die Frage, wie weit kann ich als Muslim, wie weit kann
ich als katholischer oder evangelischer Christ mit ganzem Herz akzeptieren, dass wir
so zusammenleben und eine plurale Gesellschaft gestalten wollen, ohne dass wir das
irgendwie qualifizieren als die zweitbeste Lösung...“
Ein solcher Dialog
könnte gelingen, wenn sich Muslime und Christen auf universelle Werte besinnen, die
sie aus ihrem Glauben heraus verbinden, meint Troll. Dazu gehört das Ja zur Religionsfreiheit,
aber auch die „gemeinsame Verpflichtung, eine gerechte internationale Ordnung zu schaffen“.
„Gerechte Handlesbeziehungen zu schaffen, alle Fragen, die die internationale
Gemeinschaft zutiefst bewegen. Da müssen an und für sich Christen und Muslime an vielen
Orten gemeinsam zusammenstehen, etwa in der Frage nicht nur der sozialen Ethik, sondern
auch der Bioethik. Das werden ja mehr und mehr politische Fragen. Wo beginnt das Leben,
wo endet das Leben? Und auch die ganze Frage der Gerechtigkeit der Geschlechter. Das
müsste noch viel konkreter werden, dass gläubige Muslime, gläubige Juden und gläubige
Christen, dass die schon in gewissen Fragen gemeinsame Vorstellungen und gemeinsame
Werte haben, die sie auch politisch einbringen sollten."
Pluralität und
Akzeptanz des Anderen – damit muss kein Werteverlust einhergehen, wie viele befürchten.
Im Gegenteil, sagt Pater Troll. Eine plurale Gesellschaft setzt noch mehr Werte voraus,
zum Beispiel Toleranz und Dialogbereitschaft. Das sind Eigenschaften, die entsprechend
gelernt und eingeübt werden wollen – zum Beispiel im Religionsunterricht…
„...der
dann aber natürlich nicht das Eintrillern einer engen katholischen oder bestimmten
islamischen Sicht wäre, sondern es wäre ein Religionsunterricht, wo genau diese Herausforderung
wahrgenommen wird, dass ich gleichzeitig die eigene Glaubenssicht vertiefe und gleichzeitig
aus dieser vertieften Glaubenssicht und Identität, die ich da gewinne, frei werde
auch den Anderen als Anderen (...) anzuerkennen und mit ihm fruchtbar zusammenzuleben.
Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat in Deutschland ist durch Konkordate
vertraglich geregelt. Darin werden die Rahmenbedingungen für Rechte und Pflichten
der christlichen Kirchen oder auch der jüdischen Gemeinschaft im öffentlichen Leben
abgesteckt. Ähnliche rechtliche Abkommen mit den muslimischen Gemeinschaften gibt
es bisher nicht. Das sollte sich ändern, fordert Christian Troll. Den deutschen Moslems
sollte ein ähnlicher Status eingeräumt werden wie Christen oder Juden:
„Was
dann am Ende heißen wird, dass wir etwa auch islamisch-theologische Fakultäten haben.
Dass wir in den öffentlichen Institutionen Seelsorgseinrichtungen haben auch für Muslime
– auch beim Militär, im Gefängnis, in Krankenhäusern. Dass wir den Religionsunterricht
haben, usw. Also: Es ist ganz klar, dass da sehr viel zu tun ist. Aber ich glaube,
das ist die Linie, die die jetzige Regierung maßgeblich verfolgt hat.“
Auch
die Deutsche Islamkonferenz habe bereits wichtige Arbeit geleistet. Vieles sei aber
noch offen. Doch die Bereitschaft zum Dialog darf nicht nur von den Politikern ausgehen,
sie muss bei den Menschen anfangen. Eine wichtige Grundlage zur Verständigung ist
da gerade der Glaube, sagt Pater Troll:
„Ich glaube, dass echt gläubige
Bürger mehr Verständnis haben für die Notwendigkeiten und für diese Forderungen der
Muslime als vielleicht Menschen, die nicht mehr lebendig Religion praktizieren und
die in einer Distanz zu gewachsenen Religionen stehen.“