Vatikan/Israel: „Papstbesuch als weiterer Schritt der Annäherung"
Voraussichtlich im
Mai reist Papst Benedikt ins Heilige Land - die offizielle Bestätigung durch den Vatikan
kommt voraussichtlich im März, doch der Papst selbst hatte diese Visite im Gespräch
mit jüdischen Repräsentanten aus den USA bereits angekündigt. Nach dieser Audienz
hatte Israels Regierung in einer Sondersitzung beschlossen, Benedikts Besuch "höchste
Priorität" einzuräumen. All die jüngsten Querelen, Stichwort: Affäre Williamson, hatten
die Reisevorbereitungen nicht zum Erliegen gebracht. Gudrun Sailer hat über die bevorstehende
Visite mit Mordechay Lewy gesprochen, Israels Botschafter beim Heiligen Stuhl, und
wollte zunächst von ihm wissen, wie er die Bedeutung der Papstvisite in Israel einordnen
würde.
„Man muss sich an die vorherigen Besuche der Päpste erinnern – es gab
ja schon zwei. Übrigens jeder mit einem eigenen Vorzeichen. Wenn man das vergleicht,
kann man eine sehr interessante Entwicklung sehen, die ich als „politisches Upgrading“
bezeichnen würde.1964 machte Papst Paul VI. eine Pilgerreise in einer Gegend, in der
er, politisch gesehen, überhaupt keine Kontakte hatte – weder mit Jordanien noch mit
Israel. Der Besuch war auf ein minimales Zusammentreffen mit den offiziellen Stellen
beschränkt. Das galt nicht mehr beim zweiten Besuch, jenem von Johannes Paul II. Dieser
hat seinen Besuch in den großen Rahmen der Millenniumsfeiern eingebettet, sodass das
auch ein Megaereignis war. Der dritte im Bunde ist der jetzige Heilige Vater, Benedikt
XVI., der sowohl als Pilger ins Land kommt wie auch als Oberhaupt des Staates Vatikan.
Sodass auch hier ein offizielle Einladung von einem Staatsoberhaupt, nämlich Präsident
Perez, an den Papst als Staatsoberhaupt und nicht nur als Kirchenoberhaupt erging.
Diese beiden Dimensionen werden diesen Besuch gestalten und begleiten. Die Tatsache,
dass das auch eine politische Dimension hat, würde ich unterstreichen."
Wie
wird sich diese politische Dimension äußern?
„Der Papst wird natürlich vom
Präsidenten empfangen werden, und zwar nicht nur am Flughafen, sondern auch im Präsidentenpalast
in Jerusalem. Das etwa sind Sachen, die es zwar auch bei Johannes Paul II. gegeben
hat, aber damals glaube ich nicht, dass es einen Einladungsbrief des Staatspräsidenten
an das Staatsoberhaupt gegeben hat. Zumindest habe ich gesucht und keinen gefunden!“
Einige Stimmen sagen, Israel wünscht sich ein besseres Außenbild in der Weltöffentlichkeit
und ist deshalb daran interessiert, dass die Reise des Papstes ins Heilige Land erstens
stattfindet und zweitens glückt. Wie schätzen Sie das ein?
„Nein, ich würde
das nicht so sehen. Ich sehe aber wohl, dass wir seit längerer Zeit ein gutes Verhältnis
zur christlichen und katholischen Welt suchen. Trotz der Missverständnisse und der
Schwierigkeiten, von denen wir alle wissen in den letzten Wochen. Ich denke, das spricht
für das gemeinsame Interesse sowohl der katholischen Kirche als auch Israels, dass
man trotz der Unwegsamkeiten, die ausgeglichen worden sind, immer im Auge gehabt hat,
dass man ein gemeinsames Interesse hat, vielleicht im selben Boot sitzt, und dass
man immer daran denken muss, wie man aus solchen Krisen auch herauskommt. Und ich
glaube, das ist durchaus ein diplomatischer Erfolg, dass trotz aller Unkenrufe die
Sachen auf beiden Seiten geglättet worden sind, und dass wir diesen Besuch als weiteren
Schritt der Annäherung sehen. Deswegen sehe ich da keinen zusätzlichen Aspekt, der
irgendwie mit den vorherigen kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza zu tun hätte
– das hat damit überhaupt nichts zu tun.“
Was denken eigentlich die Israelis
über den Papst?
„Ich glaube, dass das Gesamtverhältnis zwischen Juden und Katholiken
nicht einfach ist. Es ist ein großer Teil, der sich gar nicht am Dialog beteiligt.
Da dürfen wir keine Illusionen hegen. Nur ein Bruchteil der Juden ist aktiv im Dialog.
Ich hoffe, dass diese Kreise sich weiter ausbreiten. Ich glaube, vor allem gibt es
eine Gleichgültigkeit. Es ist nicht in deren Prioritäten. Eines der Indizien dafür
ist meiner Meinung nach: Die Wogen der Entrüstung nach der Affäre Williamson waren
in der jüdischen Welt – spezifisch in Israel - relativ milde, wenn man das mit Deutschland
vergleicht. Ich glaube, der Grund dafür war, dass wir wirklich mit anderen Dingen
beschäftigt waren. Ich möchte daraus nicht schließen, dass die Sache weniger ernst
beurteilt worden ist oder nicht – die Schlagzeilen galten vielmehr der Wahl in Israel
und vielleicht der Berichterstattung über Gaza und deren Ausläufer, sodass für diese
Sache weniger Platz eingeräumt worden ist.
In den vergangenen Monaten und
Jahren des Benedikt-Pontifikates gab es also Dinge, die in Israel für mehr Aufsehen
gesorgt haben als die Affäre rund um den Holocaust-Leugner Williamson – ich denke
an die Karfreitagsfürbitte und die mögliche Seligsprechung für Papst Pius XII. – hat
man das in Israel tatsächlich als verletzender empfunden als die unerträglichen Äußerungen
Williamsons?
„Ich glaube, die Karfreitagssache war eine Sache von Insidern.
Um das zu verstehen, muss man einiges mitbringen, um die verschiedenen Formulierungen
und deren Implikationen zu verstehen. Innerhalb derjenigen, die Dialog geführt haben,
gab es eine Welle von Entrüstung. Darum konnte man durchaus differenzieren, dass die
liberaleren Kreise, die vielleicht den Dialog auch mit einem größeren Erwartungshorizont
hatten, viel enttäuschter waren als die orthodoxen, die sowieso sehr bescheiden in
ihren Erwartungen sind.“
Und die mögliche Seligsprechung für den Weltkriegspapst
Pius XII.?
„Da muss ich sagen, dass wir diplomatisch die Differenzierung zwischen
internen Angelegenheiten und eigentlichen bilateralen Problemen unterscheiden konnten,
und das wurde mehr oder weniger auch angenommen außer einem berühmten Fall, vom Minister
Herzog, der das fast als eine persönliche Sache angesehen hat, weil seine Familie
betroffen war – sein Großvater war ja der Großrabbiner Herzog, also da gab es einen
persönlichen Couleur, sodass er es sich nicht nehmen lassen konnte, sich dazu zu äußern.
Aber grosso modo war das kein Thema.“
Nichtsdestotrotz meinen viele, diese
Papstreise ins Heilige Land sei eine besonders heikle Visite. Ihrer Einschätzung nach,
Herr Botschafter: Was könnte man dem Papst raten, zu tun oder nicht zu tun, wenn er
ins Heilige Land kommt, damit diese Visite gute Frucht bringt?
„Oh, ich glaube,
wir würden den Heiligen Vater unterschätzen, wenn wir ihm da Ratschläge geben. Wir
haben ihn jetzt beim letzten Treffen mit US-jüdischen Repräsentanten gesehen, und
die Verlautbarung, die er formuliert hat, lässt nichts zu wünschen übrig. Ich glaube
nicht, dass er arm an Ratschläge ist, er weiß ganz genau, wie er das handhaben wird,
und er weiß auch, wie sich sein Vorgänger da sehr gut bewährt hat – ich habe da keine
Zweifel.“
Nun, zwischen dem Jahr 2000, als Johannes Paul II. im Heiligen Land
war, gab es ganz konkret in Israel nochmals die diplomatische Verstimmung rund um
die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und die kritische Bildunterschrift zu einem
Foto von Papst Pius XII. Papst Benedikt wird in Yad Vashem wohl auch Station machen,
wie lösen Sie diese Aufgabe?
„Das ist kein Thema, weil wir wahrscheinlich eine
Lösung anbieten werden, die wahrscheinlich auch akzeptiert wird, die dieses Problem
umgeht.“
Und wie sieht diese Lösung aus, können Sie uns das verraten?