Exklusiv-Interview mit Kardinal Walter Kasper zur Ökumene nach dem Lefebvre-Fall
Hier lesen und hören
Sie das Exklusiv-Interview mit Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates
für die Einheit der Christen. Das Gespräch führte Mario Galgano.
Herr Kardinal,
der evangelische Bischof Wolfgang Huber von Berlin hat sich ja besorgt geäußert über
die negativen ökumenischen Auswirkungen der Aufhebung der Exkommunikation dieser vier
Bischöfe der Bruderschaft Pius X. Was sagen Sie dazu?
„Die Position der
katholischen Kirche zur Ökumene ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil völlig klar.
Ökumene ist für uns nicht eine Option, sondern eine Pflicht, die in der Botschaft
Jesu begründet ist. Das gilt auch für den Papst. Genau an demselben Wochenende, wo
dieses Dekret über die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft
Pius X. bekannt gegeben worden ist, hat der Papst in einer Predigt in St. Paul vor
den Mauern zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen sich ausdrücklich,
mit aller Deutlichkeit zur ökumenischen Bewegung bekannt. Ich kenne gar keinen anderen
Kirchenführer, der so oft, so eindringlich und so klar über die Ökumene spricht und
sich zur Ökumene bekennt. Dem Papst das Gegenteil zu unterstellen, ist ungerecht und
geht an der Sache vorbei.“
Viele Gläubige, also Katholiken, befürchten,
dass das Zweite Vatikanische Konzil zur Diskussion steht, wenn es um dieses Thema
geht und sie an die Pius-Bruderschaft denken. Was sagen Sie dazu, auch im Bezug auf
die Pius-Bruderschaft und deren Haltung zum Zweiten Vatikanischen Konzil?
„Auch
die Haltung zum Zweiten Vatikanischen Konzil ist für uns Katholiken und insbesondere
für den Papst völlig klar. Der Papst hat sich schon oft auf das Zweite Vatikanum bezogen
und hat gesagt: Das ist die Basis, auf der wir stehen. Ein Zurück ist, auch wenn es
der Papst wollte, für ihn ja gar nicht möglich. Darüber kann überhaupt keine Diskussion
sein, jetzt ist die Bruderschaft Pius X. am Zug. Der Papst hat die Exkommunikation
aufgehoben mit dem Ziel, einen Dialog über das Zweite Vatikanische Konzil zu eröffnen.
Man hat der katholischen Kirche schon oft vorgeworfen, dass sie im 16. jahrhundert
mit Luther nicht den Dialog gesucht hat, und Luther sehr schnell gebannt hat. Dadurch
erst sei es zur Kirchenspaltung gekommen. Ich will diese These jetzt nicht diskutieren,
aber der Papst möchte sich das nicht noch einmal vorwerfen lassen. Er möchte von seiner
Seite her alles tun, um einen Dialog zu ermöglichen. Allerdings bin ich besorgt über
das Interview, das ich gestern gelesen habe, von dem Leiter der Pius-Bruderschaft,
Bischof Fellay, das mir doch den Eindruck gibt, dass die Bereitschaft zu einer ehrlichen
Diskussion dort nicht gegeben ist. So bin über den Ausgang sehr besorgt. Man wird
der Pius-Bruderschaft sagen müssen: Ihr müsst jetzt auch vom Hohen Ross herunter.
Ihr könnt nicht als Gruppe bestimmen wollen, was am Konzil gültig ist und was nicht
gültig ist. Das ist nicht eine katholische Einstellung, das ist im Grunde ein protestantisches
Prinzip, von dem ihr euch leiten lasst. Ihr müsst euch jetzt in der Kirche und mit
der Kirche einfügen in die Diskussion, die es ja auch in der Kirche über das Zweite
Vatikanische Konzil gibt. Also: Die Pius-Bruderschaft ist jetzt am Zug und sie sollte
positiv reagieren.“
Zurück zu Deutschland: Wenn man die Diskussionen verfolgt,
war es ja ein großes Thema, vielleicht mehr als in anderen Ländern. Diese Ängste,
Befürchtungen, die es in Deutschland gab, auch die Diskussionen in den Medien, wie
beurteilen Sie das?
„Man wird zugeben und einräumen müssen: Am Anfang sind
dort Versäumnisse und Fehler in der Kommunikation gemacht worden. Das ist eindeutig,
das ist klar. Aber die Diskussion, wie sie jetzt in Deutschland läuft, sprengt ja
alle Maßstäbe. Was da zum Vorschein kommt, ist nicht nur Kritik an diesem oder jenem
Verhalten der Kurie, sondern das ist einfach anti-römischer Affekt und zum teil einfach
blanker Kirchenhass. Man macht den Papst lächerlich, nach dem Prinzip: Man schlägt
den Sack und meint den Esel. Wenn man den Papst in dieser Weise heruntersetzt, und
völlig ungerecht heruntersetzt, dann richtet sich das nicht nur gegen den Papst, dann
richtet sich das gegen die katholische Kirche. Ich meine, die Katholiken müssten jetzt
aufstehen, müssten sagen: das lassen wir uns nicht gefallen, das ist Intoleranz. Man
stelle sich mal vor, man würde in dieser Weise über den Dalai Lama reden, dann wäre
die Empörung sehr groß. Über den Papst ist das scheinbar möglich. Das geht nicht,
das können wir uns nicht bieten lassen und das sollten wir auch deutlich sagen.“
Gibt
es da einen Hintergrund, wieso es in Deutschland jetzt so einen Anti-Rom-Affekt gibt?
Ist das etwas Historisches, weil Deutschland das in den Genen hat?
„Dafür
gibt es schon Hintergründe. Anti-römische Affekte gibt es in Deutschland schon im
späten Mittelalter und gibt es eigentlich schon die ganze Zeit. Die kann man dann
bei solchen Fällen abrufen und lostreten. Gewisse Kritik an Rom kann man ja zum teil,
wenn sie sachlich bleibt, verstehen, aber das zeigen, was jetzt geschieht, dass man
in Deutschland nach wie vor emotional verführbar ist und sich da mitreißen lässt von
einer Stimmung und dann einfach die sachlichen Argumentationen übergeht. Das stimmt
mich persönlich sehr kritisch und macht mich sehr nachdenklich und auch traurig.“