2009-02-15 12:14:35

Nahost: Wahlergebnis für Israel keine Überraschung, kaum Auswirkungen auf den Friedensprozess


RealAudioMP3 Am vergangen Dienstag hat Israel ein neues Parlament gewählt. Das Ergebnis zeigt vor allem eins: Die Stimmung im Land ist deutlich nach rechts gekippt. Was ist angesichts des Wahlausgangs im Bezug auf die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästinensern zu erwarten? Darüber hat Radio Vatikan mit Petra Heldt gesprochen. Sie ist evangelische Pastorin, Dozentin am „Ratisbonne Pontifical Institute“ und Sekretärin der „Ecumenical Fraternity of Christian Churches“ in Jerusalem. Mit ihr sprach Antje Dechert:

Frau Heldt, das Wahlergebnis in Israel zeigt, dass sich die politische Landkarte eindeutig nach rechts verschoben hat. Die traditionelle Linke ist fast bedeutungslos geworden, die beiden Volksparteien, also Kadima von Zipi Livni und der rechtsgerichtete Likud von Benjamin Netanjahu, sind fast gleich auf. Großer Gewinner der Wahl ist die extreme Rechte, die Partei „Unser Haus Israel“ mit Avigdor Lieberman an der Spitze. Wie erklären Sie sich die deutlichen Stimmengewinne der Ultranationalisten Liebermans, die nun drittstärkste Fraktion der Knesset geworden sind?

„Dieses Ergebnis ist vielleicht im Ausland interessant und erstaunlich, aber in Israel keineswegs. Das liegt daran, dass man in Israel über viele Jahre schon gesehen hat, dass die Position der so genannten Rechten eine Mehrheitsposition in Israel ist, während im Ausland weiterhin ein Bild von Israel gezeigt wurde, als wäre hier eine linkspolitische Position die Mehrheitsmeinung. Das stimmt schon seit vielen Jahren nicht mehr, und so war eigentlich das Wahlergebnis nur ein korrektes Spiegelbild der Situation im Land.“

Die Medien in Europa sprechen von Lieberman als einem rassistischen Hardliner. Nun hat er ja in der Vergangenheit keinen Hehl aus seinen antiarabischen Ressentiments gemacht. Was macht den Mann so populär?

„Ich glaube das ist eine völlige Verzerrung der Realität, die man hier erkennt, von der Politik und von Avigdor Liebermann. Er hat in seiner Partei eine Reihe von arabischen Vertretern. Einer der Vertreter der Drusen, ein muslimischer Araber, ist in der Knesset und vertritt jetzt auch die Partei von Avigdor Lieberman. Zudem ist er generell sehr offen und sehr freizügig mit nicht-jüdischen Einwanderern aus Russland, anders als viele andere Parteien. Und er ist in seiner Politik sehr erfolgreich.“

Allerorten wird über mögliche Regierungskoalitionen spekuliert. Wie ist der derzeitige Stand der Verhandlungen in Israel?

„Wir müssen abwarten, und soweit ich verstanden habe, wird bereits überlegt, dass die beiden großen Parteien Kadima und Likud eine Koalition bilden werden, zusammen mit Avigdor Liebermans „Israel Beitenu“, also „Israel, unser Haus“. Es würde Sinn machen, und ich glaube, dass die drei Hauptführer dieser Parteien auch sehr gut miteinander arbeiten können. Es würde ein gutes Bild der Mehrheitsmeinung des Volkes darstellen.“

Was bedeutet das Wahlergebnis für den Friedensprozess? Wird eine neue israelische Regierung auch mit der Hamas verhandeln?

„Ich weiß nicht, ob man mit Hamas verhandeln wird. Das war ja auch von Seiten der letzten Regierung unter Olmert nicht der Fall. Sie haben gesagt, mit Terroristen wird nicht verhandelt. Das ist eine Fraktion innerhalb der extremen muslimischen Welt, die auf jeden Fall die Zerstörung Israels will, und die das auch immer gesagt hat und von dieser Position nicht weggekommen ist. Ob mit Ihnen verhandelt werden kann? Das muss das Geschick der Politiker zeigen.“

Was bedeutet das Wahlergebnis für Christen in Israel? Wie haben die israelischen Staatsbürger christlichen Glaubens gewählt und was haben sie sich von den Wahlen erhofft?

„Für Christen können wir sagen, dass sie sich traditionellerweise in der kommunistischen Partei zu Hause fühlen und diese auch immer wieder gewählt haben. Diesmal ist die kommunistische Partei mit einer Stimme mehr im Parlament vertreten, als in der vorherigen Wahlperiode.“

Das bedeutet also, dass die Christen, die in Israel wählen dürfen, nicht im Trend der Meinung der Israelis liegen, beziehungsweise das nicht in der Wahl ausgedrückt haben. Wie kann man das interpretieren?

„Es könnte sein, dass es damit zusammenhängt, dass sie sich nicht wohl fühlen im Staat Israel. Es könnte auch zusammenhängen damit, dass sie sehr stark unter Druck stehen von Seiten der palästinensischen-muslimischen Fraktion im Land, solidarisch zu sein, gegenüber der palästinensischen Situation und dies auch durch ihre Wahl der kommunistischen Partei zum Ausdruck gebracht haben.“

Was sollte Christen, die ja eine Minderheit im Land darstellen, sich Ihrer Meinung nach in der aktuellen Konfliktsituation verhalten? Was können sie konkret tun für den Friedensprozess?

„Ich glaube, unsere Stärke ist unsere Religion, ist unser Glaube. Und den sehr deutlich zu leben und zu zeigen, das würde wahrscheinlich Eindruck machen in Israel. Denn in Israel gibt es eine große Gottesfürchtigkeit. Das ist ein Wort, das vielleicht schon antiquiert ist und das in Europa so vielleicht schon gar nicht mehr verstanden wird, aber das ist hier eine Realität. Und wenn jemand seine Religion in ernster Weise zum Wohle der Menschen zeigt und nutzt und lebt, derjenige - egal ob er Muslim ist oder Christ oder Jude - hat eine große Anerkennung im Staat.“

(rv 13.02.2009 ad)








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