Nahost: Wahlergebnis für Israel keine Überraschung, kaum Auswirkungen auf den Friedensprozess
Am vergangen Dienstag
hat Israel ein neues Parlament gewählt. Das Ergebnis zeigt vor allem eins: Die Stimmung
im Land ist deutlich nach rechts gekippt. Was ist angesichts des Wahlausgangs im Bezug
auf die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästinensern zu erwarten? Darüber
hat Radio Vatikan mit Petra Heldt gesprochen. Sie ist evangelische Pastorin, Dozentin
am „Ratisbonne Pontifical Institute“ und Sekretärin der „Ecumenical Fraternity of
Christian Churches“ in Jerusalem. Mit ihr sprach Antje Dechert:
Frau Heldt,
das Wahlergebnis in Israel zeigt, dass sich die politische Landkarte eindeutig nach
rechts verschoben hat. Die traditionelle Linke ist fast bedeutungslos geworden, die
beiden Volksparteien, also Kadima von Zipi Livni und der rechtsgerichtete Likud von
Benjamin Netanjahu, sind fast gleich auf. Großer Gewinner der Wahl ist die extreme
Rechte, die Partei „Unser Haus Israel“ mit Avigdor Lieberman an der Spitze. Wie erklären
Sie sich die deutlichen Stimmengewinne der Ultranationalisten Liebermans, die nun
drittstärkste Fraktion der Knesset geworden sind?
„Dieses Ergebnis ist vielleicht
im Ausland interessant und erstaunlich, aber in Israel keineswegs. Das liegt daran,
dass man in Israel über viele Jahre schon gesehen hat, dass die Position der so genannten
Rechten eine Mehrheitsposition in Israel ist, während im Ausland weiterhin ein Bild
von Israel gezeigt wurde, als wäre hier eine linkspolitische Position die Mehrheitsmeinung.
Das stimmt schon seit vielen Jahren nicht mehr, und so war eigentlich das Wahlergebnis
nur ein korrektes Spiegelbild der Situation im Land.“
Die Medien in Europa
sprechen von Lieberman als einem rassistischen Hardliner. Nun hat er ja in der Vergangenheit
keinen Hehl aus seinen antiarabischen Ressentiments gemacht. Was macht den Mann so
populär?
„Ich glaube das ist eine völlige Verzerrung der Realität, die man
hier erkennt, von der Politik und von Avigdor Liebermann. Er hat in seiner Partei
eine Reihe von arabischen Vertretern. Einer der Vertreter der Drusen, ein muslimischer
Araber, ist in der Knesset und vertritt jetzt auch die Partei von Avigdor Lieberman.
Zudem ist er generell sehr offen und sehr freizügig mit nicht-jüdischen Einwanderern
aus Russland, anders als viele andere Parteien. Und er ist in seiner Politik sehr
erfolgreich.“
Allerorten wird über mögliche Regierungskoalitionen spekuliert.
Wie ist der derzeitige Stand der Verhandlungen in Israel?
„Wir müssen abwarten,
und soweit ich verstanden habe, wird bereits überlegt, dass die beiden großen Parteien
Kadima und Likud eine Koalition bilden werden, zusammen mit Avigdor Liebermans „Israel
Beitenu“, also „Israel, unser Haus“. Es würde Sinn machen, und ich glaube, dass die
drei Hauptführer dieser Parteien auch sehr gut miteinander arbeiten können. Es würde
ein gutes Bild der Mehrheitsmeinung des Volkes darstellen.“
Was bedeutet
das Wahlergebnis für den Friedensprozess? Wird eine neue israelische Regierung auch
mit der Hamas verhandeln?
„Ich weiß nicht, ob man mit Hamas verhandeln wird.
Das war ja auch von Seiten der letzten Regierung unter Olmert nicht der Fall. Sie
haben gesagt, mit Terroristen wird nicht verhandelt. Das ist eine Fraktion innerhalb
der extremen muslimischen Welt, die auf jeden Fall die Zerstörung Israels will, und
die das auch immer gesagt hat und von dieser Position nicht weggekommen ist. Ob mit
Ihnen verhandelt werden kann? Das muss das Geschick der Politiker zeigen.“
Was
bedeutet das Wahlergebnis für Christen in Israel? Wie haben die israelischen Staatsbürger
christlichen Glaubens gewählt und was haben sie sich von den Wahlen erhofft?
„Für
Christen können wir sagen, dass sie sich traditionellerweise in der kommunistischen
Partei zu Hause fühlen und diese auch immer wieder gewählt haben. Diesmal ist die
kommunistische Partei mit einer Stimme mehr im Parlament vertreten, als in der vorherigen
Wahlperiode.“
Das bedeutet also, dass die Christen, die in Israel wählen
dürfen, nicht im Trend der Meinung der Israelis liegen, beziehungsweise das nicht
in der Wahl ausgedrückt haben. Wie kann man das interpretieren?
„Es könnte
sein, dass es damit zusammenhängt, dass sie sich nicht wohl fühlen im Staat Israel.
Es könnte auch zusammenhängen damit, dass sie sehr stark unter Druck stehen von Seiten
der palästinensischen-muslimischen Fraktion im Land, solidarisch zu sein, gegenüber
der palästinensischen Situation und dies auch durch ihre Wahl der kommunistischen
Partei zum Ausdruck gebracht haben.“
Was sollte Christen, die ja eine Minderheit
im Land darstellen, sich Ihrer Meinung nach in der aktuellen Konfliktsituation verhalten?
Was können sie konkret tun für den Friedensprozess?
„Ich glaube, unsere
Stärke ist unsere Religion, ist unser Glaube. Und den sehr deutlich zu leben und zu
zeigen, das würde wahrscheinlich Eindruck machen in Israel. Denn in Israel gibt es
eine große Gottesfürchtigkeit. Das ist ein Wort, das vielleicht schon antiquiert ist
und das in Europa so vielleicht schon gar nicht mehr verstanden wird, aber das ist
hier eine Realität. Und wenn jemand seine Religion in ernster Weise zum Wohle der
Menschen zeigt und nutzt und lebt, derjenige - egal ob er Muslim ist oder Christ oder
Jude - hat eine große Anerkennung im Staat.“