2009-02-13 13:21:32

D/Vatikan: Gelebter Dialog: Ein deutscher Rabbinerstudent zu Besuch im Vatikan


Die jüdisch-katholischen Beziehungen sind in den letzten Wochen in der Diskussion um die Lefebvre-Bischöfe auf eine harte Probe gestellt worden. Doch andererseits hat die Debatte auch deutlich gemacht: Der Austausch zwischen Juden und Christen steht auf einer soliden Grundlage, die auch Krisen Stand hält. Das haben am Donnerstag die versöhnlichen Worte zwischen dem New Yorker Rabbi Arthur Schneier und Papst Benedikt im Vatikan deutlich gezeigt.
Es sind aber nicht nur die Gesten der großen Persönlichkeiten, die hier Signale setzen. Der Dialog wird vor allem im tagtäglichen Miteinander von Geistlichen und Gläubigen beider Religionen gestaltet. Das findet auch der deutsche Rabbinerstudent Adrian Michael Schell. Der gebürtige Frankfurter studiert Religionswissenschaften an der Universität Potsdam und lässt sich am Abraham-Geiger-Kolleg zum Rabbiner ausbilden. Zusammen mit christlichen und jüdischen Kommilitonen besucht er derzeit die römische Kurie. Im Interview mit Radio Vatikan hat er von seinem Studium und seinen Eindrücken im Vatikan erzählt.

Andere Religionen kennen zu lernen und zwar von innen heraus – das ist für jeden wichtig, der ein geistliches Lehramt ausüben will, meint Adrian Michael Schell. Wie auch die neunzehn anderen Studenten und Studentinnen, die am Abraham-Geiger-Kolleg zum Rabbiner und zur Rabbinerin ausgebildet werden, studiert der gelernte Buchhändler Religionswissenschaften an der Universität Potsdam. Neben der theologischen Ausbildung, setzt sich der 35-jährige in seinem Studium wissenschaftlich mit anderen Religionen auseinander. Das sei für seine zukünftige Tätigkeit als Rabbiner nur bereichernd, so Schell:

„Unser Studentenleben als Rabbinerstudentinnen und –studenten ist ein gelebter Dialog. Es ergeben sich wunderbare Kontakte zu Christen, zu (...) Menschen, die überhaupt keinen religiösen Hintergrund haben. Ich habe eine sehr nette und interessante Freundschaft zu einem Christen, der aus dem Libanon kommt. Das sind die Dialoge, die ich sehr schätze und angenehm finde, weil sie durch das Tagtägliche entstehen und zeigen, dass Religion nicht in einem luftleeren Raum stattfindet, sondern immer in einem gesellschaftlichen Umfeld.“

Vom Innenleben der katholischen Kirche macht sich Rabbinerstudent Schell derzeit im Vatikan einen Eindruck. In sechs Tagen wird er mit anderen deutschen Rabbiner- und Theologiestudenten durch elf Einrichtungen der römischen Kurie geführt – da kann leicht das Bild entstehen, der Vatikan sei nichts als ein nüchterner Behördenapparat. Trotzdem sieht er den Besuch positiv:

„Es gibt natürlich aus der Innenansicht, wie die Kirche funktioniert, sehr vieles, was mich interessiert als Religionswissenschaftler, aber auch als Rabbiner in Ausbildung, wie Abläufe organisiert werden können oder auch manchmal nicht.“

Ein paar Gemeinsamkeiten hat er auch schon entdeckt. Interessant fand er, dass die päpstliche Rota sehr viel mit Eherecht zu tun hat:

„Im Grunde genommen ist es das im Judentum auch so, wo es zwar keine höchsten Gerichte gibt (...), aber die Rabbiner, die ja zeitgleich immer auch Richter sind, haben sehr häufig etwas mit dem Eherecht zu tun (...) und da finde ich Parallelen sehr interessant und es interessiert mich einfach, wie dort Lösungen gefunden werden und wie bei uns Lösungen gefunden werden.“

Für den einen nächsten Rombesuch wünscht er sich aber ein bisschen mehr Dialog im Eins-zu-eins-Verhältnis, zum Beispiel mit den Studenten der päpstlichen Universität Gregoriana oder den vielen Priesterseminaristen, die in ihrer Ausbildungszeit nach Rom kommen:

„Mich hätte es sehr interessiert, mit Priesteranwärtern zu sprechen, wie die auch zur ihrer Berufsentscheidung gekommen sind, ob es da Ähnliches gibt, wie bei mir? Oder ob sie eine bestimmte Aufgabe auch sehen in ihrem Beruf. Das wäre einfach interessant gewesen, so ein bisschen das Menschliche.“

Das Debakel um die Lefebvre-Bischöfe hat Adrian Schell von Berlin aus verfolgt. „Die Diskussion hat mich nicht so sehr als Jude berührt, sondern eher als Deutscher beziehungsweise als Demokrat und Europäer“, sagt er:

„..., weil für mich die ganze Debatte eine Frage ist, wie wir in Europa mit unserem demokratischen Erbe, was wir jetzt gerade erst angefangen haben aufzubauen, umgehen. Und wie leichtfertig wir damit umgehen.“

Dass der Papst den Piusbrüdern eine offene Hand ausstrecken wollte, findet der angehende Rabbiner aus kircheninterner Sicht nachvollziehbar. Unverständnis äußert Schell angesichts der undiplomatischen Kommunikation des Vatikans. Der Papst und die Kurie hätten gleich auf Distanz zu den antisemitischen und undemokratischen Haltungen der Piusbrüder gehen sollen, so Schell. „Dann wäre der Papst in der öffentlichen Wahrnehmung erst gar nicht in die Nähe dieses Gedankenguts gerückt“.

„Wäre von Anfang an klar gewesen, wir als Kirche strecken die Hand entgegen, wir wollen allen Menschen, die auch am Rand sind, ein Zeichen geben, dass wir offen sind, aber wir distanzieren uns und sagen gleich, in unserer Mitte ist kein Platz für rechte, extremistische Gedanken, dann wäre die Debatte sicherlich viel gezielter mit den Thesen und mit den Äußerungen der Piusbruderschaft gelaufen und man hätte viel stärker darauf hingewiesen, was diese Gruppe äußert und weniger die Handlungen des Papstes die ganze Zeit analysiert.“

Im Hinblick auf die anstehende Reise Benedikts ins Heilige Land wünscht sich der angehende Rabbiner Schell, dass der Papst an die Gesten seines Vorgängers anknüpft:

„Johannes Paul II war für mich wirklich einer der aufrichtigsten Demokraten und ja auch Transporteur von einer Moral, die wirklich zeigt, dass Menschenwürde das höchste Gut ist und ich hoffe, und ich wünsche mir, dass genau in diese Richtung auch die Gesten von Benedikt XVI gehen.“

Benedikt kann ein wichtiges Friedenszeichen setzen, indem er als neutraler Vermittler auftritt und Juden, Palästinenser wie Säkulare an einen Tisch bringt, meint Adrian Schell:

„Ich glaube, das haben wir in den letzten Jahren zu viel erlebt, dass man entweder nur proisraelisch oder nur propalästinensisch war. Ich glaube, das ist die falsche Beraterfunktion, die wir alle nicht brauchen auf dieser Welt, sondern wirklich jemanden, der vermitteln kann und vielleicht gelingt es ihm, ich wünsche es ihm.“

(rv 13.02.2009 ad)







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