D/Nahost: Hilfe in Gaza als Schlüssel zur Verständigung
Egal welche Regierungskoalition nach den jüngsten Wahlen in Israel auch die Macht
übernimmt –eins steht fest: die Politiker müssen die Situation der Kinder in Nahost
verbessern. Das hat das Kinderhilfswerk Unicef diese Woche wieder verstärkt betont.
Kinder leiden am meisten unter der Gewalt, obwohl sie am wenigsten dafür können. Wie
ein Unicef-Bericht vom Montag darlegt, ist die Lage hunderttausender Kinder im Gazastreifen
angesichts der brüchigen Waffenruhe und der unzureichenden Hilfsmöglichkeiten unerträglich
geworden. Aber auch im Süden Israels ist die Angst vor Raketenbeschüssen nicht vorbei.
Den Kindern in Nahost wieder Hoffnung und Perspektiven zu bieten, das ist
der Schlüssel für Verständigung und Frieden in der Region, sagt der deutsche Unicef-Sprecher
Rudi Tarnenden. Die jetzige Lage der Kinder im Gazastreifen sei katastrophal. An einen
normalen Alltag, sei nicht zu denken. Im Interview mit dem Kölner Domradio betonte
er, es ginge vor allem darum, die Grundversorgung der Kinder wieder herzustellen:
„Es
ist so, dass man sich klar machen muss, dass sich die Situation schon seit 18 Monaten
verschlechtert hatte, nämlich seit dem Zeitpunkt, an dem die Hamas die Macht übernommen
hatte, der Gazastreifen abgeriegelt war und die täglichen Gebrauchsgüter kaum reinkamen.
Es geht vor allem um die Gesundheitsversorgung, denn viele verletzte Kinder müssen
jetzt versorgt werden. Die Wasserversorgung ist zum Teil unterbrochen. Trinkwasser
gibt es in vielen Stadtteilen gar nicht oder nur unregelmäßig genauso wie die Stromversorgung.
Die Schulen müssen schnell wieder in Betrieb genommen werden (...) Und es geht darum,
vor allen Dingen die psychischen Folgen dieser Bombardements bei den Kindern aufzuarbeiten.
Viele Kinder sind verängstigt, verunsichert. An ein normales Leben, einen normalen
Alltag ist eigentlich gar nicht zu denken.“
Ein großes Problem ist, dass
es aufgrund der politischen Verhältnisse sehr kompliziert ist, Hilfe zu leisten. Der
Gazasterifen ist weiterhin abgeriegelt und internationale Organisationen können Hilfsgüter
wie zum Beispiel Plastikrohre für Wasserleitungen, Baumaterialien, aber auch Spielzeug
oder Computer kaum in die Region schaffen. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder
Versuche zum Beispiel von der Hamas, Hilfsgüter politisch zu instrumentalisieren:
„Das
heißt die Hilfsorganisationen stehen vor dem Problem ihre Neutralität sicherzustellen.
Unicef tut das über ein Netzwerk von Partnern vor Ort, die zum Beispiel versuchen,
in Kinder- und Jugendzentren mit den Kindern gemeinsam einen Raum zu schaffen, der
sie aus dieser Gewaltspirale herausführt, aber das ist wie gesagt, auch für die Mitarbeiter
eine enorme Herausforderung.“
Das Frieden auch in einer Situation funktionieren
kann, die von Mangel, Hass und Gewalt geprägt ist, zeigt das Schicksal von Ismael
Khatib. Sein elfjähriger Sohn Ahmed wurde 2005 von israelischen Soldaten in Jenin
im Westjordanland erschossen. Trotz seiner Trauer und Verzweiflung stimmte der Vater
zu, die Organe des Jungen zu spenden. Dadurch hat er fünf israelischen Kindern das
Leben gerettet.
„Es ist einfach ein Versuch, dieses Vaters, seine Verzweiflung
zu bewältigen und sein Kind lebt jetzt in den israelischen Kindern weiter. Und er
hat es geschafft im Grunde genommen alle Vorurteile und gegenseitige Ängste und Hassgefühle,
die in diesem Konflikt waren, zu überwinden und das hat sowohl in Israel, als auch
international doch Aufsehen erregt.“
Ehud Olmert hatte sich damals persönlich
bei Ahmeds Vater bedankt und ihm versichert, dass er alles dafür tut, damit Ahmed
das letzte Kind bleibt, das in diesem Konflikt sinnlos sterben musste. Es kam anders.
Die letzten Wochen haben einmal mehr bewiesen, dass der Friedensprozess nicht einfach
von Politikern beschlossen werden kann. Da muss man bei den Kindern anfangen, so Unicef-Sprecher
Ternenden:
„Es bleibt einem schon ein bisschen die Sprache im Halse stecken,
wenn man diese Worte aus dem Munde eines Automechanikers in Jenin hört und der sagt:
´Der Frieden kann nur bei den Kindern, bei den einfachen Leuten beginnen, den Politikern
kann man eigentlich nicht trauen’.“
Ismail Kathib, der Vater des getöteten
Ahmed leitet jetzt in Jenin ein Kinderzentrum und versucht, palästinensischen Kindern
und Jugendlichen Wege aufzuzeigen, für sich selbst neue Perspektiven zu finden. Solche
Projekte geben Hoffnung, meint Rudi Ternenden. Anders sei jedoch die Lage im Gazastreifen,
„...wo
jetzt im Moment tiefe Hoffnungslosigkeit herrscht und wo auch sehr viel Wut und Verzweiflung
da ist. Ich denke, das ist kein gutes Signal für die Zukunft. Man muss ganz dringend
etwas dagegen tun, dass nicht eine neue Generation mit dieser Verzweiflung groß wird,
denn die kann eigentlich nur umschlagen in neue Gewalt.“