2009-02-11 10:56:31

Vatikan: Staat seit 80 Jahren


RealAudioMP3 Der Staat der Vatikanstadt feiert an diesem Mittwoch Geburtstag: Vor 80 Jahren, am 11. Februar 1929, wurden die so genannten Lateranverträge zwischen Heiligem Stuhl und Königreich Italien unterzeichnet. Diese Verträge zogen einen Schlussstrich unter fast 60 Jahre der „Gefangenschaft“ der Päpste auf dem Vatikanhügel – wie die betreffenden Kirchenoberhäupter das nannten und empfanden. Und sie legten den Grundstein für etwas Neues in der Kirchengeschichte, einen souveränen Mini-Staat - den Staat der Vatikanstadt. Warum es wichtig ist, dass der Heilige Stuhl auf seinem eigenen Stück Land sitzt, erklärt Kardinal Giovanni Lajolo:

„Die gesamte Bedeutung dieses Staates liegt darin, den Papst vor jeder politischen Einmischung in die Kirche und in sein Hirtenamt zu schützen. Der Stellvertreter Christi muss unabhängig sein, dh. er soll sich nicht vor irgendeiner irdischen Autorität verantworten müssen. Wir haben in der Geschichte gerade Europas im vergangenen Jahrhundert so manches Regime gesehen, das durchaus geneigt war, die Stimme des Papstes in Ketten zu legen. Und heute noch würden manche Politiker wünschen, dass der Papst sich nicht zu moralischen Themen äußert, die ihnen unangenehm sind.“

In solchen Fällen wäre es natürlich fatal, würde der Papst etwa zur Miete in irgendeinem römischen Stadtpalast residieren, der dem italienischen Staat gehört – er müsste fürchten, mitsamt der Kurie delogiert zu werden. Dass dies ein Gedankenspiel bleibt, ist den Lateranverträgen zu danken. Unterzeichnet haben sie an jenem Tag vor 80 Jahren im Lateranpalast der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und – für das Königreich Italien - Benito Mussolini. Dieser Umstand – nämlich dass es ein faschistischer Ministerpräsident war, dem nach 60 Jahren politischer Feindschaft die Einigung mit dem Vatikan gelang – wirft aus heutiger, besonders deutscher Sicht einen Schatten auf die Ursprünge des Papststaates. Allerdings war Mussolinis späterer politischer Kurs 1929 noch nicht abzusehen.

„Fest steht, dass die Lateranverträge eine neue Phase der Verständigung und der Zusammenarbeit einläuteten“,

sagt Lajolo. Er leitet das vatikanische Governatorat, das so etwas wie der Regierungssitz des Stadtstaates ist. Das schmucke Gebäude des Governatorats liegt in den vatikanischen Gärten, auf gerader Linie hinter dem Petersdom. Und es entstand, wie überraschend viele Gebäude des heutigen Vatikanstaates, in den Jahren nach 1929 – ebenso wie der Bahnhof, die Stadttore, die befestigten Straßen, Kasernen, dutzende Brunnen, Zweckbauten und Garagen, ja sogar weite Teile der Gartenanlage bis hin zur unterirdischen Bewässerungsvorrichtung. Der technikinteressierte Papst Pius XI., der die Lateranverträge eingefädelt hatte, entpuppte sich als begeisterter Bauherr. Er war sogar dafür bekannt, dass er die Bauarbeiten überraschend inspizieren kam.

Bis heute ist die katholische Kirche die einzige Religionsgemeinschaft, die auf einem eigenen Staatsgebiet waltet. Alles, was ein normaler Staat hat, ist im Vatikanstaat en miniature ebenfalls vorhanden: Eine Hymne, eine Verwaltung, eine Rechtssprechung, eine Feuerwehr, ein Sicherheitscorps – in unserem Fall sogar zwei, ein Einwohnermeldeamt, eine Straßenverkehrsordnung. All das ist freilich nur die materielle Grundlage für Höheres: für den Heiligen Stuhl. Kardinal Giovanni Lajolo – er war in früheren Jahren „Außenminister“ des Heiligen Stuhles, davor Nuntius in Deutschland – erklärt:

„Die internationalen Aktivitäten des Heiligen Stuhles, besonders die Diplomatie, betreffen so gut wie nie den Vatikanstaat. Da geht es um technische Fragen, die keine großen Schwierigkeiten machen.“

Beispiel: Christbäume aus Österreich oder dem Papst geschenkte Solarzellenanlagen aus Deutschland.

„Demgegenüber ist das, was der Heilige Stuhl auf diplomatischer Ebene macht, immer eine kirchliche Aktivität. Das stützt sich nicht auf die politische Macht des Heiligen Stuhles, sondern auf die Kraft des Wortes, das aus der Vernunft kommt, besonders auf das Wort Gottes. Und es geht dabei um die großen Fragen der Menschenrechte, angefangen vom Recht auf Nahrung bis zum Recht auf Religionsfreiheit, es geht um das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung der schwächsten Länder, um den Einsatz für Arme und Benachteiligte.“

Gerade auch in seiner Doppelstruktur Vatikanstaat – Heiliger Stuhl weckt das kleinste souveräne Staatsgebilde der Welt viel Neugier. Teils auch ungestillte Neugier. Das zumindest lässt die lange Reihe von Bestsellern vermuten, die rund um geheime unterirdische Gänge des Vatikans und dergleichen gestrickt sind. Es ist wahr: Nicht jedermann hat Zutritt und kann persönlich einen Blick hinter die Mauern des Vatikans werfen – auch deshalb, weil ein solcher Ansturm den 44 Hektar großen Staat heillos überfordern würde. Aber das heißt keineswegs, dass der Papststaat mysteriös ist, sagt Kardinal Lajolo.

„Die angebliche geheime Welt des Vatikans ist ein Mythos. Wer sich seriös informieren will, kann das ohne großen Aufwand tun. Die Gesetze und Normen des Heiligen Stuhles und der Vatikanstadt sind veröffentlicht, sie sind die Grundlage, um zu verstehen, was sich hinter den Mauern des Staates tut. Außerdem kann ich unsere Medien und Web-Auftritte empfehlen: www.vatican.va für den Heiligen Stuhl, www.vaticanstate.va für die Vatikanstadt. Die 80-Jahr-Feiern sind auch ein Anlass, um die „geheime Welt“ Vatikan, die in Wahrheit ziemlich einfach und klar ist, besser kennen zu lernen.“
(rv 11.02.2009 gs)







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