Die jüngsten Misstöne
zwischen Vertretern des Judentums und dem Vatikan sind im Begriff zu verklingen. Das
erklärt P. Norbert Hofmann, der Sekretär der Kommission für die Beziehungen zum Judentum
am päpstlichen Einheitsrat. Gerade in diesen Tagen wollten viele jüdische Gruppen
Papst Benedikt persönlich treffen, sagte uns der Vatikan-Verantwortliche für den Dialog
mit dem Judentum. Zur Frage der „Judenmission“ stellt P. Hofmann klar: „Es kann nicht
darum gehen, dass der eine den anderen überzeugt zu konvertieren…. Wenn wir im jüdisch-christlichen
Gespräch diese Intention hätten, könnten wir diesen Dialog vergessen.“ Die Vorbereitungen
für die Papstreise nach Israel – deren definitive Bestätigung durch den Vatikan noch
aussteht – seien niemals abgebrochen worden, auch nach Bekanntwerden der Äußerungen
des traditionalistischen Bischofs Richard Williamson.
Hier das Interview mit
P. Norbert Hofmann, die Fragen stellte Gudrun Sailer.
P. Hofmann, in diesen
Tagen tauschen Sie sich am Einheitsrat mit sehr vielen jüdischen Gruppen aus. Mehr
als sonst?
„Es ist so gewesen, dass der Kontakt zu unseren jüdischen Partnern
nie abgerissen war und hinter den Kulissen ständig Telefonate geführt worden sind
und ein reger Briefwechsel stattgefunden hat. Jetzt gab es natürlich Begegnungen:
Von einer großen jüdischen Organisation, vom „World Jewish Congress“, war ein Repräsentant
hier und hat mit uns gesprochen. Am Montag war der Präsident der jüdischen Laien-Organisation
Frankreichs hier. Am Donnerstag gibt es eine Papst-Audienz für maßgebliche Juden aus
den USA, und Mitte März wird eine Delegation des Großrabbinats aus Israel zu klärenden
Gesprächen kommen. Das heißt, wir sind nach wie vor im klärenden Prozess, bloß war
der von Anfang an gegeben und wird auch weitergeführt werden.“
Ist es
Ihnen geglückt, in diesen Tagen das Gröbste auszubügeln, was es da an Missverständnissen
geben konnte?
„Ich denke, dass wir an einem guten Punkt sind. Es gibt keine
Aussagen mehr, den Dialog abzubrechen oder irgendwelche Treffen zu verschieben. Im
Gegenteil, ich merke einen Run von jüdischen Organisationen, jetzt den Papst zu sprechen,
jetzt mit uns klärende Gespräche zu führen. Also so ein großer Andrang von jüdischen
Gruppen war schon lange nicht mehr. Um diese Fragen restlos anzugehen und die Wogen
wieder restlos zu glätten.“
Niemand im Vatikan kennt so gut wie Kardinal
Kasper und Sie die Sensibilitäten der Juden in Bezug auf bestimmte Themen. Was hätten
Sie rund um die Veröffentlichung des Dekrets zur Aufhebung der Exkommunikation der
vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft Papst Benedikt geraten?
„Man muss natürlich
sagen, dass die Entscheidung Papst Benedikts nicht in erster Linie auf die Juden gezielt
hat und auf den jüdisch-christlichen Dialog. Das war gleichsam ein „Kollateralschaden“,
weil, wie bekannt, man nicht unbedingt an den entsprechenden Stellen darüber informiert
war, in welche Richtung dieser Bischof Williamson geht. Insofern kann ich da nichts
raten. Das ist unglücklich gelaufen, aber wir versuchen jetzt alles, um die Dinge
wieder in den Griff zu bekommen und die Wogen zu glätten.“
Ist es in irgendeiner
Weise auch die Aufgabe der Kommission, bestimmte traditionalistische Gruppen oder
überhaupt Gruppen in- und außerhalb der katholischen Kirche, die fragwürdige Ansichten
bezüglich des Judentums haben, zu untersuchen oder auch nur zur Kenntnis zu nehmen?
„Der
Einheitsrat ist zuständig für den Dialog mit den christlichen Gemeinschaften, und
die Kommission für das Judentum ist zuständig für den Kontakt zur jüdischen Welt.
Was konkret diese Bruderschaft Pius X. betrifft, da gibt es eine eigene Kommission
im Vatikan, die „Ecclesia Dei“. Insofern haben wir direkt damit nichts zu tun.“
Über
die unerträglichen Aussagen von Bischof Williamson herrscht ja Übereinstimmung im
Vatikan und bei den jüdischen Organisationen. Ein ganz schwieriger Punkt ist aber
dann bei der Piusbruderschaft und dann in der Folge bei jüdischen Organisationen die
Frage der Judenmission. Das Thema war schon aufgetaucht bei der neu formulierten Karfreitags-Fürbitte
im alten Messritus, und es kommt jetzt verstärkt wieder ins Bewusstsein zurück, dass
das Positionen sind, die die Pius-Bruderschaft vertritt. Und die weichen klar vom
Lehramt ab. Was ist die Devise des Papstes heute - kann, darf, muss ein Katholik
Juden missionieren?
„Das ist eine sehr komplexe Frage. Natürlich sind wir
als Christen eingeladen, das Evangelium zu verkünden, wem auch immer. Ungelegen oder
gelegen, zu jeder Zeit und jedem Menschen. Aber man muss differenzieren zwischen einem
Streben, die Juden bewusst bekehren zu wollen und der Verkündigung des Evangeliums
an alle Menschen. Kardinal Kasper betont immer wieder, dass es in der katholischen
Kirche keine eigene Institution gibt zur Bekehrung der Juden. Wenn wir im interreligiösen
Dialog, im jüdisch-christlichen Gespräch, diese Intention hätten, könnten wir diesen
Dialog vergessen. Ziel dieses Dialogs ist die gegenseitige Bereicherung. Man anerkennt
sich in der jeweiligen religiösen und theologischen Tradition. Man tauscht sich aus
über Dinge, die man gemeinsam hat, gemeinsame Werte. Aber es kann doch nicht darum
gehen, dass der eine den anderen überzeugt zu konvertieren, also die Religion zu wechseln.
Es geht darum, zusammenzuarbeiten für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Man muss
differenzieren zwischen einer bewussten Mission der Juden und der Verkündigung des
Evangeliums an alle Menschen, die Einladung an alle Menschen, Jesus Christus als den
Retter aller Menschen anzuerkennen."
Das ist eigentlich die Position der
katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil - unverändert seit mehr
als 40 Jahren.
„Ja. Auf dem zweiten Vatikanischen Konzil wurde diese Konzils-Erklärung
„Nostra Aetate“ formuliert. „Nostra Aetate“ ist eine abgrundtiefe Ablehnung des Antisemitismus,
ganz gleich wie er daher kommt, und ein dezidiertes Ja zu den jüdischen Wurzeln des
Christentums. Mit „Nostra Aetate“ haben wir uns in den jüdisch-christlichen Dialog
begeben. Wie gesagt, das Ziel ist Respekt, Toleranz, sich gegenseitig bereichern,
Zusammenarbeit für Frieden und Gerechtigkeit. Es geht nicht darum, dass wir eine Einheit
- Juden und Christen - finden müssen. Die gibt es am Ende der Tage, wenn der Herr
wiederkommt. Sei es nun Jesus Christus, der Wiederkommende, oder der Messias, den
die Juden erwarten.“
Haben Sie mit ihren jüdischen Gesprächspartnern in
den letzten Tagen auch über eine eventuell bevorstehende Reise Papst Benedikts ins
Heilige Land geredet?
„Es ist ja bekannt, dass Papst Benedikt als Pilger
die heiligen Stätten im Heiligen Land besuchen möchte. Seit Dezember ist durchgesickert,
dass da seitens des Vatikans und seitens des Staates Israel Vorbereitungen getroffen
werden. Diese Vorbereitungen sind nicht unterbrochen worden zur Zeit des Gaza-Konflikts
und auch nicht zur Zeit der Querelen um Bischof Williamson in den letzten Wochen.
Im Gegenteil, diese Vorbereitungen halten an, bloß die definitive Entscheidung behält
sich der Papst vor, und die wird er zur entsprechenden Zeit durch das Staatssekretariat
verlauten lassen.“ (rv 11.02.2009 gs)