Nicht das Thema Lefebvre
hält derzeit die italienische Öffentlichkeit in Atem, sondern das Thema Sterbehilfe.
Die 38-jährige Eluana Englaro liegt nach einem Unfall vor 17 Jahren im Koma; ihr Vater
will sie jetzt sterben lassen. Ein Urteil des Verfassungsgerichts und das Fehlen einer
gesetzlichen Vorschrift machen ihm das möglich.
„Caso Eluana“, der „Fall Eluana“
– seit Tagen ist er verlässlich auf Seite Eins der Zeitungen. Der vatikanische Kardinalstaatssekretär
Tarcisio Bertone hat in dieser Sache mit Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano
telefoniert; Ministerpräsident Silvio Berlusconi plant ein Eildekret, das die Ärzte
zwingen würde, die Patientin weiterhin künstlich zu ernähren. Kardinal Angelo Bagnasco,
Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Genua, erklärt,
wenn man Eluana Englaro Nahrung und Wasser verweigere, dann komme dies einer Tötung
gleich. Auch der Papst hat beim Angelus am Sonntag, ohne den Namen der Patientin zu
nennen, den Wert jedes Menschenlebens, auch bei Schwachheit und Leid, betont.
„Wir
erleben einen schmerzlichen Moment“, sagt der neue Generalsekretär der italienischen
Bischofskonferenz, Mariano Crociata.
„Man fährt jetzt die Ernährung Eluanas
allmählich herunter – das heißt, ein Sterbeprozess beginnt. Es geht jetzt um zwei
Dinge: zunächst einmal um ein konkretes menschliches Leben, dann aber auch um eine
grundsätzliche Frage. Die Debatte dieser Tage war natürlich sehr erhitzt – ich glaube
aber, wir können auch ein gewisses Reifen des kollektiven Gewissens feststellen. Daran
müssen wir als Kirche weiterarbeiten. Dass jetzt viele der Kirche Einmischung vorwerfen,
sehe ich mit Sorge. Unsere Aufgabe ist es lediglich, unsere Werte, unsere Kultur,
unsere Sensibilität auch mit anderen zu teilen. Das ist zum Wohl des Landes und aller
seiner Bürger.“
In ganz Italien sind am Wochenende Befürworter wie Gegner
der Sterbehilfe auf die Straße gegangen. Eluana Englaro ist vor ein paar Tagen auf
Initiative ihres Vaters aus einem kirchlichen Krankenhaus in eine Privatklinik verlegt
worden. Dort sollen nach dem Wunsch der Familie die lebenserhaltenden Schläuche in
Kürze entfernt werden.