2009-01-30 11:31:29

Botschafter-Kolumne zur Finanzkrise


RealAudioMP3 Papst und Vatikan müssten sich in die Debatte um die Weltfinanzkrise einbringen; es brauche neues Vertrauen auf der Basis moralischer Prinzipien. Das betont der Deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl Hans-Henning Horstmann in seiner aktuellen Kolumne bei Radio Vatikan.
Lesen und Hören Sie seinen Beitrag:


Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,
Wir alle stehen unter dem Eindruck der schweren Krise des Weltfinanz- und Weltwirtschaftssystems.
Die Regierungen der Staaten mit den größten Anteilen an der Weltwirtschaft, vor allem die USA, aber auch Japan und die großen europäischen Staaten wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben vor allem Maßnahmen zur Stabilisierung der Bankensysteme in präzedenzlosem Umfang ergriffen. Es sind auch Beschlüsse zur Stimulierung der Realwirtschaft durch Belebung der Nachfrage gefasst worden. Regierungen und Zentralbanken haben gehandelt, um eine Schrumpfung der gesamtwirtschaftlichen Leistung und die Entstehung von Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Es gibt auch Stimmen aus der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft, die eine Ratlosigkeit über das Ausmaß der Krise und geeignete Gegenmaßnahmen erkennen lassen.
Es ist in dieser Lage von hoher Bedeutung, dass sich der Papst und die Kurie in die laufende weltweite Diskussion eingeschaltet haben. Sowohl die Weltfriedensbotschaft des Papstes zum 1. Januar dieses Jahres wie eine umfassende Stellungnahmen des Heiligen Stuhls anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe in Doha im vergangenen Dezember zeigen ein hohes Verständnis der komplexen Problematik.
Der Papst ist nicht nur darüber besorgt, dass die Not der Armen der Welt über den Problemen der Finanzierung der reichen Staaten in Vergessenheit gerät. Vielmehr wird in der Stellungnahme des Heiligen Stuhls herausgearbeitet, dass das Weltfinanzsystem einer grundlegenden Neuordnung bedarf. Nur bei Erhaltung der Leistungsfähigkeit der entwickelten Welt steht genügend Kraft für die Hilfe für die weniger entwickelten Staaten zur Verfügung. Der Heilige Stuhl geht dabei so weit, einen sogenannten neuen "Internationalen Finanzpakt" zu fordern, weil die Probleme auf nationalstaatlicher Ebene nicht gelöst werden können. Dabei wird dem Gedanken eine Absage erteilt, die erforderliche umfassende Neuordnung im Rahmen der G8 vornehmen zu wollen. In die Entscheidungen müssen auch die neuen großen Wirtschaftsnationen einbezogen werden.
Der Heilige Stuhl unterstreicht, dass es vor allem um die Wiederherstellung des Vertrauens der Wirtschaftspartner untereinander geht, und fordert dazu Regelungen, die größere Transparenz und Berechenbarkeit auf den Finanzmärkten schaffen. Hier treffen sich die Überlegungen des Heiligen Stuhles mit den Konzepten für die Reform der Weltfinanz- und Handelssystems, wie sie z.B. von der deutschen Regierung und von Präsident Obama vertreten werden, mit denen eine größere Verlässlichkeit und ein Abbau gefährlicher Risikobereitschaft der Marktteilnehmer herbeigeführt werden soll.
Wenn der Heilige Stuhl dann auch eine bessere, neue moralische Erziehung der Marktteilnehmer fordert, so hat das nichts mit einem bloßen Moralisieren eines überaus komplexen ökonomischen Problems zu tun. Vielmehr geht es um ein Regelwerk für die Märkte, die nicht lediglich Spielball grenzenlosen und bedenkenlosen Gewinnstrebens sein dürfen, sondern eines ordnungspolitischen Rahmens bedürfen.
Das sind konzeptionelle Ansätze, wie wir Deutsche sie der sozialen Marktwirtschaft in unserem Lande nach dem 2. Weltkrieg kennen, die nun aber nicht mehr nur auf die nationale Wirtschaftsordnung Anwendung finden, sondern bei der Neuordnung des Weltwirtschafts- und Finanzsystems Orientierung bieten können.
Die Aufforderungen des Heiligen Stuhls zur Wiederherstellung von Vertrauen auf der Basis von moralischen Prinzipien sollten gehört und verwirklicht werden. Die gegenwärtige Krise zeigt, dass eine leistungsfähige, stabile und freie Marktwirtschaft ohne eine ethische Verankerung nicht funktionieren kann. (rv)








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