Papst und Vatikan
müssten sich in die Debatte um die Weltfinanzkrise einbringen; es brauche neues Vertrauen
auf der Basis moralischer Prinzipien. Das betont der Deutsche Botschafter beim Heiligen
Stuhl Hans-Henning Horstmann in seiner aktuellen Kolumne bei Radio Vatikan. Lesen
und Hören Sie seinen Beitrag:
Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer, Wir
alle stehen unter dem Eindruck der schweren Krise des Weltfinanz- und Weltwirtschaftssystems.
Die Regierungen der Staaten mit den größten Anteilen an der Weltwirtschaft, vor
allem die USA, aber auch Japan und die großen europäischen Staaten wie Frankreich,
Großbritannien und Deutschland haben vor allem Maßnahmen zur Stabilisierung der Bankensysteme
in präzedenzlosem Umfang ergriffen. Es sind auch Beschlüsse zur Stimulierung der Realwirtschaft
durch Belebung der Nachfrage gefasst worden. Regierungen und Zentralbanken haben gehandelt,
um eine Schrumpfung der gesamtwirtschaftlichen Leistung und die Entstehung von Massenarbeitslosigkeit
zu verhindern. Es gibt auch Stimmen aus der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft, die
eine Ratlosigkeit über das Ausmaß der Krise und geeignete Gegenmaßnahmen erkennen
lassen. Es ist in dieser Lage von hoher Bedeutung, dass sich der Papst und die
Kurie in die laufende weltweite Diskussion eingeschaltet haben. Sowohl die Weltfriedensbotschaft
des Papstes zum 1. Januar dieses Jahres wie eine umfassende Stellungnahmen des Heiligen
Stuhls anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe
in Doha im vergangenen Dezember zeigen ein hohes Verständnis der komplexen Problematik. Der
Papst ist nicht nur darüber besorgt, dass die Not der Armen der Welt über den Problemen
der Finanzierung der reichen Staaten in Vergessenheit gerät. Vielmehr wird in der
Stellungnahme des Heiligen Stuhls herausgearbeitet, dass das Weltfinanzsystem einer
grundlegenden Neuordnung bedarf. Nur bei Erhaltung der Leistungsfähigkeit der entwickelten
Welt steht genügend Kraft für die Hilfe für die weniger entwickelten Staaten zur Verfügung.
Der Heilige Stuhl geht dabei so weit, einen sogenannten neuen "Internationalen Finanzpakt"
zu fordern, weil die Probleme auf nationalstaatlicher Ebene nicht gelöst werden können.
Dabei wird dem Gedanken eine Absage erteilt, die erforderliche umfassende Neuordnung
im Rahmen der G8 vornehmen zu wollen. In die Entscheidungen müssen auch die neuen
großen Wirtschaftsnationen einbezogen werden. Der Heilige Stuhl unterstreicht,
dass es vor allem um die Wiederherstellung des Vertrauens der Wirtschaftspartner untereinander
geht, und fordert dazu Regelungen, die größere Transparenz und Berechenbarkeit auf
den Finanzmärkten schaffen. Hier treffen sich die Überlegungen des Heiligen Stuhles
mit den Konzepten für die Reform der Weltfinanz- und Handelssystems, wie sie z.B.
von der deutschen Regierung und von Präsident Obama vertreten werden, mit denen
eine größere Verlässlichkeit und ein Abbau gefährlicher Risikobereitschaft der Marktteilnehmer
herbeigeführt werden soll. Wenn der Heilige Stuhl dann auch eine bessere, neue
moralische Erziehung der Marktteilnehmer fordert, so hat das nichts mit einem bloßen
Moralisieren eines überaus komplexen ökonomischen Problems zu tun. Vielmehr geht es
um ein Regelwerk für die Märkte, die nicht lediglich Spielball grenzenlosen und bedenkenlosen
Gewinnstrebens sein dürfen, sondern eines ordnungspolitischen Rahmens bedürfen. Das
sind konzeptionelle Ansätze, wie wir Deutsche sie der sozialen Marktwirtschaft in
unserem Lande nach dem 2. Weltkrieg kennen, die nun aber nicht mehr nur auf die nationale
Wirtschaftsordnung Anwendung finden, sondern bei der Neuordnung des Weltwirtschafts-
und Finanzsystems Orientierung bieten können. Die Aufforderungen des Heiligen Stuhls
zur Wiederherstellung von Vertrauen auf der Basis von moralischen Prinzipien sollten
gehört und verwirklicht werden. Die gegenwärtige Krise zeigt, dass eine leistungsfähige,
stabile und freie Marktwirtschaft ohne eine ethische Verankerung nicht funktionieren
kann. (rv)