2009-01-29 13:20:57

Kirchenrechtler Haering: Mitglieder der Piusbruderschaft bleiben suspendiert


RealAudioMP3 Das Versöhnungsangebot des Papstes an die Priesterbruderschaft Pius X. bleibe zunächst ohne Folgen für das kirchliche Leben. Ihr rechtlicher Status sei noch völlig ungeklärt, sagte der Münchner Kirchenrechtsprofessor Pater Stephan Haering OSB. Alle Priester der Priesterbruderschaft Pius X. seien weiterhin suspendiert, auch die vier Bischöfe, deren Exkommunikation Papst Benedikt XVI. per Dekret vom 21. Januar aufgehoben hat, erklärte Haering gegenüber Radio Vatikan. Die Exkommunikation von 1988 bezog sich auf die illegale Weihe von Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Gallareta durch Erzbischof Marcel Lefebvre. Das Verbot, priesterliche Dienste auszuüben, also zum Beispiel Messen zu feiern und Sakramente zu spenden, gehe jedoch auf die Suspension von Lefebvre 1976 durch Papst Paul VI. zurück. „Meine Rechtsauffassung ist“, so der Münchner Lehrstuhlinhaber, dass die vier Bischöfe „weiterhin suspendiert bleiben“.

Mit Pater Stephan Haering sprach Birgit Pottler, hier das Interview:

Papst Benedikt XVI. hat per Dekret vom 21. Januar die vier von Marcel Lefebvre illegal geweihten Bischöfe von der Exkommunikation befreit. Die Exkommunikation hatten sie sich mit der Weihe 1988 als Tatstrafe zugezogen. Davon befreien kann nur der Papst, richtig?

„Der Papst ist in der Lage, diese Exkommunikation aufzuheben, der Papst ist Herr des Gesetzes. Er hat den Codex von 1983 erlassen, in dem diese Tatstrafe vorgesehen ist, er ist auch oberster Richter, und er hat mit dieser Aufhebung der Exkommunikation gleichsam die vier Bischöfe begnadigt. Die Straftat, die sie 1988 durch den unerlaubten Empfang der Bischofsweihe begangen haben, ist in ihren strafrechtlichen Wirkungen jetzt aufgehoben.“

Laut kirchlichem Gesetzbuch ist mit der Exkommunikation auch die Suspendierung von allen Diensten verbunden. Ist es diesen vier Bischöfen nun auch wieder erlaubt, ihren priesterlichen Dienst auszuüben, also etwa Messen zu feiern und Sakramente zu spenden, oder bleiben sie weiterhin suspendiert?

„Meine Rechtsauffassung ist, dass sie weiterhin suspendiert bleiben, denn die Inhalte der Suspension sind zwar auch mit der Exkommunikation verbunden, aber diese Kleriker der Piusbruderschaft waren zuvor schon suspendiert, d.h. die Strafe der Suspension ist vor der Exkommunikation schon über sie verhängt worden. Das Dekret spricht nur davon, dass die Exkommunikation aufgehoben ist, nicht aber davon, dass die Suspension aufgehoben ist. Insofern handelt es sich bei diesen Bischöfen wie bei allen anderen Klerikern der Priesterbruderschaft des Heiligen Pius X. um suspendierte Kleriker, die den geistlichen Dienst nicht ausüben dürfen.“

Das heißt, die bereits 1976 von Papst Paul VI. verhängte Suspension bleibt weiterhin bestehen?

„Das Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation sagt nichts weiteres, und es wäre auch eine sonderbare Vorstellung, wenn nun diese vier Bischöfe, deren Status und künftige Verwendung noch gar nicht geregelt ist, von der Suspension befreit wären, während die übrigen Kleriker der Piusbruderschaft sich noch im Zustand der Suspension befinden.“

Was ist nötig, um den rechtlichen Status der Piusbruderschaft nun zu klären und zu regeln? Welche Möglichkeiten gibt es?

„In den römischen Dokumenten und auch in den späteren Verlautbarungen und den Äußerungen, die der Papst in den letzten Tagen persönlich getan hat, ist deutlich geworden, dass es jetzt Gespräche geben muss. In diesen Gesprächen wird es zum einen um doktrinelle Fragen gehen, d.h. um die Frage der vollen Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils und andererseits sicherlich auch um die Frage der Rechtsstellung der Piusbruderschaft, denn es ist davon auszugehen, dass diese Einheit, wenn die volle Versöhnung mit der katholischen Kirche erfolgt, auch als Einheit erhalten bleiben wird. In der Folge der Ereignisse von 1988 haben jene Kleriker der Bruderschaft, die Lefebvre und den exkommunizierten Bischöfen nicht weiter folgen wollten, eine ,Gesellschaft des Apostolischen Lebens’ gebildet, bzw. sie wurde für sie errichtet (die Priesterbruderschaft St. Petrus, Anm.d.Red.). Etwas Ähnliches könnte auch jetzt in Betracht kommen, wegen der Größe der Bruderschaft vielleicht auch die Errichtung einer Personalprälatur.“

Müssen die Bischöfe für eine Klärung des Rechtsstatus auch Titularbistümer zugeteilt bekommen, wie das ja bei Kurienbischöfen oder Weihbischöfen der Fall ist?

„Diese vier Bischöfe der Piusbruderschaft müssen ihren Ort in der Kirche finden, d.h. es wird ihnen eine Aufgabe zugewiesen werden. Es wäre nicht ausgeschlossen, wenn auch eine sehr theoretische Möglichkeit, dass diesen Bischöfen Bistümer anvertraut werden, wahrscheinlicher ist aber, dass sie Funktionen in der Bruderschaft selbst wahrnehmen und als Titularbischöfe tätig sind.“

Noch einmal zusammengefasst: Bislang hat dieses Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation von 1988 also keine konkreten Auswirkungen für das kirchliche Leben.

„In der Tat sind die Fragen, die die Struktur betreffen sowie die Zusammenarbeit innerhalb der katholischen Kirche mit diesen Klerikern und den geistlichen Dienst der Kleriker der Piusbruderschaft noch völlig ungeklärt. Die Aufhebung der Exkommunikation, diese Begnadigung würde ich es nennen, ist sozusagen die ausgestreckte Hand des Papstes, die noch einmal sehr deutlich macht, dass ihm daran gelegen ist, die verirrten Schafe zurück zu führen, dass er sich als Hirte auch um das hundertste verirrte Schaf intensiv kümmert und diesen Schafen nachgeht. Es ist also ein deutliches Zeichen, dass dem Papst an der Einheit gelegen ist, und dieses Zeichen muss nun auch von der Priesterbruderschaft und den in ihr Verantwortlichen aufgegriffen werden.“

Die Priesterbruderschaft sprach von einem „einseitigen wohlwollenden und mutigen Akt“ des Papstes. Wie glauben Sie, wird sie reagieren; gerade nachdem der Papst sie ja jetzt dazu aufgerufen hat, das Konzil anzuerkennen – ganz öffentlich am Ende der Generalaudienz?

„Wenn man die Äußerungen seitens der Priesterbruderschaft, etwa die Veröffentlichungen im Internet, die sie selbst verantwortet, liest, wenn man bedenkt, was über die Jahre hin an Äußerungen seitens der Piusbruderschaft gekommen ist, so waren das zum Teil sehr anmaßende Töne und was theologische Fragen angeht auch Besserwisserei. Dieser Tonfall ist noch nicht verschwunden. Es ist von der Aufhebung der Exkommunikation, die ungerecht gewesen sei, die Rede. D.h. die Bischöfe haben nicht etwa eingestanden, dass ihr Verhalten von 1988 unrechtmäßig gewesen sei. Doch die Einsicht des Straftäters ist normalerweise die Vorraussetzung für die Aufhebung einer Beugestrafe wie der Exkommunikation. Das ist in den Äußerungen der Bischöfe bisher nicht zu hören gewesen. Mit anderen Worten: Es ist eine Begnadigung durch den Papst, und die Verantwortlichen der Priesterbruderschaft, insbesondere diese Bischöfe sollten die ausgestreckte Hand des Papstes jetzt ergreifen und sich nicht nur in allgemeinen Formeln als ihm treu ergeben bezeichnen, sondern auch durch ihr Verhalten deutlich machen, dass sie wirklich in der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche stehen wollen. Und dazu gehört auch, die ganze Lehrtradition der Kirche einschließlich des Zweiten Vatikanischen Konzils anzunehmen.“

Nun ist die Kirchengeschichte nicht frei von Schismen und Auseinandersetzungen auch einzelner Gruppen mit dem Papst. Welche Parallelen sehen Sie zwischen dem Fall der Piusbruderschaft und ähnlichen Auseinandersetzungen in der Geschichte?

„Jedes Ereignis hat natürlich seine eigene Prägung, und auch die Entstehung der Piusbruderschaft, das Phänomen Lefebvre, hat seine spezifische Geschichte. Eine gewisse Parallele ist vielleicht im Zusammenhang mit der Entstehung des Altkatholizismus nach dem Ersten Vatikanischen Konzil zu sehen. Auch dort haben Konzilsbeschlüsse dazu geführt, dass sich eine Gruppe von der katholischen Kirche getrennt hat - unter Inanspruchnahme der, alten Wahrheit’, daher der Name Altkatholiken. Ein ähnliches Phänomen ist bei den Piusbrüdern und bei Lefebvre zu beobachten. Auch sie haben beansprucht, sie hätten den katholischen Glauben bewahrt, und die Mehrheit des Konzils zusammen mit dem Papst hätte den alten Glauben und die alte Lehre der Kirche aufgegeben. Insofern ist eine gewisse Parallele gegeben.“

Haben Sie als Kirchenrechtler mit der Entscheidung des Papstes gerechnet? War sie abzusehen, oder halten Sie sie wirklich für einen persönlichen Wunsch des Papstes?

„Papst Benedikt ist zweifellos sehr an der Einheit gelegen, und er hat sich entschieden, diesen Weg zu gehen. Mich hat es sehr überrascht, dass die Exkommunikation sozusagen einseitig aufgehoben worden ist. Die Interpretation, die seitens der Pius-Bruderschaft diesbezüglich verbreitet wird, ist durchaus zutreffend: Es ist ein einseitiger Akt des Papstes; ein Akt der Begnadigung. Das ist an sich bei der Aufhebung von Beugestrafen nicht üblich. Der Papst hat dieser Gruppe gegenüber wirklich das äußerste Entgegenkommen gezeigt.“

Die Priesterbruderschaft Sankt Pius X. mit ihrem Generalhaus in Menzingen im Schweizer Kanton Zug ist weltweit tätig. Nach eigenen Angaben hat sie rund 600.000 Anhänger verbunden, 100.000 davon allein in Frankreich. Die Bruderschaft zählt demnach 493 Priester, 98 Brüder, 73 Oblatinnen, 145 Schwestern sowie 215 Seminaristen. Weltweit verfügt sie über 6 Priesterseminare, 450 Gottesdienstorte, 127 Priorate, 86 Schulen und 2 Universitätsinstitute. - Gegründet wurde die Priesterbruderschaft 1970 durch den Traditionalisten-Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991). Sie wendet sich gegen Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils, lehnt insbesondere die nach dem Konzil eingeführte moderne Form der katholischen Messfeier, den Kurs der Ökumene und Aussagen zur Religionsfreiheit ab. Als Lefebvre 1988 gegen ein Verbot des Papstes vier Bischöfe weihte, zogen er und die von ihm Geweihten sich die Kirchenstrafe der Exkommunikation zu, nach eigenem Verständnis gehören die Mitglieder der Pius-Bruderschaft jedoch weiterhin zur katholischen Kirche.

(rv 29.01.2009 bp)







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